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Concorso d’Eleganza Villa d’Este 2016: die Autos der Klasse G

Klasse G - GT von 1950 bis 1975

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1951 Pegaso Z-102

Selten wurde in der Automobilgeschichte ein solch mutiges und ambitioniertes Projekt gestartet wie die spanische Supersportwagen-Marke Pegaso. Chefingenieur Wilfredo Ricart, zuvor Motorenkonstrukteur bei Alfa Romeo, begann 1950 mit der Entwicklung eines wettbewerbstauglichen Granturismo, der alles bislang Dagewesene weit in den Schatten stellen und somit als nationales Prestigeobjekt dienen sollte. V8-Motor mit vier zahnradgetriebenen Nockenwellen und vier Weber-Vergasern, Getriebe (Elektron-Gehäuse) an der Hinterachse, welche nach dem De-Dion-Prinzip ausgeführt und torsionsstabgefedert war, innenliegenden Bremsen - ausnahmslos alles, was als gut, teuer und vor allem unkonventionell galt, steckte in diesem Auto. Nach acht Jahren und nur 86 gebauten, unvergleichlich kapriziösen Sportwagen in fast 30 verschiedenen Karosserieformen erfolgte das Ende. Der hellgrüne Z-102 Coupé entstand 1951 als Pegasos zweiter Prototyp und ist heute das älteste überlebende Fahrzeug der so faszinierenden wie tragischen Marke.

Motor V-Achtzylinder, 2814 ccm Hubraum
Aufbauform Coupé
Karossier Enasa
Besitzer Johan van Puyvelde (Belgien)

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1953 Ferrari 250 Europa Vignale

Einen Volltreffer ins mittige Schwarz des Massengeschmacks beabsichtigte Giovanni Michelotti ganz sicher nicht, als er diese Silhouette für den Karosserieschneider Vignale schuf. Das Publikum, das das spektakuläre Unikat auf dem Ferrari-Stand des Pariser Autosalons 1953 entdeckte, dürfte geschockt gewesen sein: die opulente Chromzier am Bug, die Heckflösschen achterschiffs, dazwischen die überhohe Gürtellinie mit den flachen Glasflächen darüber und dem markant skulpturierten Farbabsatz darunter - jedes einzelne der stilistischen Details, die dieses Gesamtkunstwerk prägen, ist eine Provokation für sich. Wobei sie bei nüchterner Betrachtung lediglich eine konsequente Weiterentwicklung des Ferrari 340 Mexico Berlinetta ergeben, den Vignale 1952 karossiert hatte. Übrigens war das hier gezeigte schwarz-rote Coupé, das noch 1953 in die USA verkauft wurde und seitdem dort beheimatet ist, der Startschuss für Ferraris berühmte 250-Baureihe. Insgesamt entstanden 21 Exemplare des 250 Europa mit 200 PS starkem Lampredi-V12-Motor, 16 davon trugen das Coupé-Kleid von Pinin Farina.

Motor V-Zwölfzylinder, 2963 ccm Hubraum
Aufbauform Coupé
Karossier Vignale
Besitzer Kevin Cogan (USA)

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1953 Lancia Aurelia B52

Als Lancia 1950 die Aurelia präsentierte, stand die Fachwelt kopf. Zwar kannte man die feine Marke als höchst innovativ und war bei ihr stets auf Lösungen gefasst, die die Pfade konventioneller Konstruktionen leidenschaftslos verlassen. Doch dieses Feuerwerk technischer Avantgarde wollte erst einmal verdaut werden: V6-Aluminiummotor, Getriebe im Heck, Hinterradführung durch einzelne Schräglenker - so innovativ war selten zuvor ein Auto bestückt. Angesichts dieser Details war die selbsttragende Bauweise, ein Lancia-Patent von 1919, selbstverständlich. Dass sie das traditionsreiche Karosseriebauerhandwerk allmählich austrocknen würde, stand bereits fest. Doch noch gab es eine wohlhabende Klientel für geschmackvolle Sonderaufbauten. Darum bot Lancia die Aurelia-Technik wahlweise mit einem separaten Chassis an. Insgesamt 98 dieser B52-Fahrgestelle gingen 1952 und 1953 an diverse Blech-Couturiers, die darauf so herrlich verwegene Kreationen schufen wie Vignale dieses einmalige Cabriolet.

Motor V-Sechszylinder, 1991 ccm Hubraum
Aufbauform Cabriolet
Karossier Vignale
Besitzer Paolo Caldini (Italien)

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1956 Ferrari 250 GT

Wie unter den Menschen gibt es auch Vertreter der automobilen Spezies, die zeitlebens nicht ihre Heimatstadt verlassen. Und es gibt beiderseits solche, die die halbe Welt gesehen haben. Zu letzteren gehört dieser wundervolle Ferrari 250 GT mit von Pinin Farina entworfener und bei Boano gefertigter Karosserie: Nach seiner Fertigstellung im September 1956 wurde er nach Paris ausgeliefert, um bereits wenig später an die Westküste der vereinigten Staaten umzuziehen. Ab 1958 teilten sich zwei Freunde den Wagen für Renneinsätze: einer in Santa Barbara, Kalifornien - und der andere im 2200 Seemeilen entfernten pazifischen US-Außenposten Hawaii, wo der Ferrari in Mokuleia auf der Insel Oahu startete. Bis 2007 folgten sieben Besitzer in Kanada, dann wurde der Wagen in fünf Jahren auf fünf Auktionen angeboten. Die letzte davon fand in Paris statt - der Stadt, die ein gutes halbes Jahrhundert zuvor die erste Station des weltreisenden Boano gewesen war. Doch die erwies sich nur als Zwischenstopp: Mittlerweile ist er in Belgien zuhause.

Motor V-Zwölfzylinder, 2953 ccm Hubraum
Aufbauform Coupé
Karossier Boano
Besitzer Laurent Levaux (Belgien)

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1961 Aston Martin DB4 GT Zagato

Manche Fachleute behaupten, Zagatos junger Designer Ercole Spada habe sich anno 1960 beim Entwurf dieses betörenden Automobils großzügig vom Ferrari 250 GT „Short Wheel Base“ inspirieren lassen. Das ist nachvollziehbar - gerade beim Betrachten der Heckpartie. Nicht weniger berechtigt ist indes die häufig geäußerte Auffassung, er habe die bessere Arbeit abgeliefert als die Schöpfer des Vorbildes. Wie auch immer: Schließlich sind es neben der perfektionsnahen Ästhetik der Aluminiumkarosserie weitere Faktoren, die den Aston Martin DB4 GT Zagato zu einem der begehrenswertesten Klassiker der Sechzigerjahre machen. Etwa die bilaterale Abstammung von gleich zwei honorigen Adressen. Etwa eine faszinierende Rennwagen-Technik. Und natürlich seine Seltenheit: Von 1960 bis 1963 entstanden nur 19 Fahrzeuge, sechs davon mit Linkslenkung. Nochmals rarer ist die zivile Ausführung mit Stoßfängern und dezentem Leichtmetallzierrat. Diese Zutaten schmücken auch das hier präsentierte Fahrzeug - das Ausstellungsstück des Turiner Autosalons 1961.

Motor Reihensechszylinder, 3670 ccm Hubraum
Aufbauform Coupé
Karossier Zagato
Besitzer David Sydorick (USA)

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1968 Bizzarrini GT Europa 1900

Nach den großen Achtungserfolgen, die Giotto Bizzarrini mit seinem Supersportwagen GT Strada 5300 gefeiert hatte, formulierte er höhere Ziele: Ein „Traumauto für Jedermann“ wollte er kreieren - und in entsprechender Großserie herstellen. Aufgrund seiner wachsenden Beziehungen zu General Motors verwarf er die ursprüngliche Idee, einen Fiat-1500-Motor zu verwenden, und setzte stattdessen auf Opels neuartige CiH-Maschine mit 1,9 Liter Hubraum. Abgesehen von dieser braven Kraftquelle repräsentierte der GT Europa 1900, wie der bürgerliche Bruder des achtzylindrigen Spitzenmodells offiziell getauft wurde, feinste Sportwagentechnik. Auch die Silhouette der extrem flachen Kunststoffkarosserie zeigte eine enge Verwandtschaft zum GT Strada. Doch wie so oft in der Geschichte von Bizzarrini - gemeint ist hier die Person genauso wie die Marke - fehlten die finanziellen Mittel zur konsequenten Umsetzung. Und so entstand der vierzylindrige Hoffnungsträger bis zum Bankrott des mutigen Herstellers in nur elf Vorserienexemplaren.

Motor Reihenvierzylinder, 1897 ccm Hubraum
Aufbauform Coupé
Karossier Labronplastic
Besitzer Peter Mooser (Schweiz)

Die weiteren Klassen

Klasse A - Vorkriegs-Dekadenz
Klasse B - Supercars vor 1945
Klasse C - Haute-Couture-Raritäten
Klasse D - kompakte Sportler
Klasse E - Mut zur Andersartigkeit
Klasse F - die Autos der Stars
Klasse H - Designikonen der Siebziger und Achtziger
Klasse I - Rallyefahrzeuge von 1955 bis 1985

Texte: Wolfgang Blaube