Getriebe: Die Schaltzentrale

Getriebe: Die Schaltzentrale

Das Getriebe - mit dessen Hilfe vermittelt der Fahrer Drehzahlen und Drehmomente zwischen Motor und Antriebsachse. Das Schalten und Walten über die Rotation - heute ein Kinderspiel - war einst ein recht mühsam’ Geschäft.

Ein Verbrennungsmotor arbeitet - im Gegensatz zu seinem elektrischen Pendant - nur in einem bestimmten Drehzahlbereich effektiv. Unterhalb dieses Bereichs liefert er keine verwertbare Leistung, darüber überdreht er und geht kaputt. Hinzu kommen im Alltag eines Kraftfahrzeugs die unterschiedlichsten Fahrzustände: Beim Anfahren oder an steilen Bergen muss viel Kraft an den Antriebsrädern zur Verfügung stehen, bei schnellen Fahrten muss dort eine hohe Drehzahl anliegen. Es bedarf also eines Bauteils, das als Drehmoment- und Drehzahlwandler fungiert und den Leistungsbereich des Motors an die verschiedenen Fahrzustände anpasst - das Getriebe.

In der Frühzeit mussten Kraftfahrzeuge, vor allem Motorräder, oft noch ohne Getriebe auskommen, was ihre Nutzbarkeit stark einschränkte. Die ersten Lastwagen führten diverse Zahnradsätze mit. Vor einem Berg musste der Fahrer eine geeignete Kombination auswählen und auflegen.
Zumindest bei den Automobilen setzten sich indes bald simple Getriebeformen durch wie der Reibscheibenantrieb. Ab etwa 1890 tauchten die ersten Schieberadgetriebe auf, die einen großen Schritt hin zur Fahrbarkeit bedeuteten, weil sie im Gegensatz zu Riemen- oder Reibscheibenantrieben wirklich kraftschlüssig arbeiteten. Bei Schieberadgetrieben sind Wellen und Zahnräder über Schiebemuffen drehfest miteinander verbunden. Beim Gangwechsel wird die vorherige Zahnradkombination getrennt und die Zahnräder einer anderen Übersetzung ineinander geschoben.

Inhaltsbild Bei Schieberadgetrieben werden die jeweiligen Zahnräder ...

Schieberadgetriebe bauten bereits recht kompakt und waren relativ betriebssicher und langlebig, hatten aber einen gravierenden Nachteil: Schaltvorgänge forderten dem Fahrer einiges an Gefühl und Können ab. Denn die Zahnräder glitten nur dann ineinander, wenn sie gleiche Umlaufgeschwindigkeiten hatten.

Inhaltsbild ... ineinander geschoben. Die Synchronisierung muss vom Fahrer erledigt werden

Diese Synchronisierungsarbeit hatte der Fahrer durch gekonntes Zwischenkuppeln und Zwischengasgeben zu leisten - was manchen überforderte. Dann ratschten die sensiblen Zahnflanken laut protestierend aneinander entlang, was ihre Haltbarkeit stark beeinträchtigte.
Nicht zuletzt aus dem Grund kamen in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts großvolumige, vielzylindrige Fahrzeuge wie der Sechzehnzylinder-Cadillac auf. Sie boten soviel Leistung und Elastizität, dass der Fahrer nur selten zum Eingriff in das störrische Dreiganggetriebe gezwungen war.

Schaltmuffen für Schaltmuffel

Um das Auto auch einem weniger begnadeten (oder begütertem) Publikum zugänglich zu machen, kamen ab etwa 1920 Getriebe mit Klauenkupplungen auf. Ähnlich wie im Schieberadgetriebe rotieren hier drei Wellen im Getriebegehäuse, die Eingangswelle, die Hauptwelle und die Vorgelegewelle. Anders als im Schieberadgetriebe sind hier allerdings nur die Zahnräder der Eingangs- und Vorgelegewelle drehfest (Festräder) miteinander verbunden, während sich die Zahnräder auf der Hauptwelle frei drehen können (Losräder). Der Hauptunterschied zum Schieberadgetriebe ist allerdings, dass beim Klauenkupplungsgetriebe alle Zahnräder ständig im Eingriff sind und somit mitrotieren. Erst durch Kopplung eines der Losräder mit einer der drehfest, aber verschiebbar gelagerten Schaltmuffen wird das Rad mit der Welle drehfest verbunden.
Auf der von der Kupplung kommenden, kurzen Eingangswelle sitzt nur ein Festrad, das ständig mit einem Festrad auf der Vorgelegewelle im Eingriff steht; die Vorgelegewelle wird also ständig von der Eingangswelle angetrieben. In Verlängerung der Eingangswelle liegt die Hauptwelle, sodass der falsche Eindruck entstehen mag, Eingangs- und Hauptwelle seien aus einem Stück. Die Losräder der Hauptwelle sind permanent mit ihren festen Pendants auf der Vorgelegewelle im Eingriff. Sie und die Schaltmuffen besitzen an ihren Flanken eine Klauenverzahnung. Wird nun die Schaltmuffe aus der Ruhestellung (Leerlauf) auf die Flanke eines der Losräder gedrückt, schieben sich Innen- und Außenklauen von Rad und Muffe ineinander, das Rad ist auf der Hauptwelle kraftschlüssig blockiert.
Etwas anders sieht die Sache aus, wenn der direkte Gang eingelegt wird. Dann stellt eine Schaltmuffe eine starre Verbindung zwischen Eingangs- und Hauptwelle her, indem sich die Muffenklauen mit denen des Eingangswellenzahnrads verbinden. Das Eingangswellenrad treibt zwar weiter die Vorgelegewelle an, die aber jetzt leer und nicht kraftschlüssig mitläuft.

Zwischenlösung: Stiftengetriebe

Neben Klauenkupplungen wurden auch andere Wege gefunden, den Kraftschluss herzustellen. Frühe VW Käfer und manche Motorräder wurden mit einem Stiftengetriebe ausgeliefert, das eine Mischform aus Klauenkupplungs- und Schieberadgetrieben darstellt. Beim VW-Getriebe fehlt eine Vorgelegewelle, Eingangs- und Ausgangswelle liegen sich gegenüber. Ein Doppelzahnrad für den ersten und zweiten Gang wird noch nach alter Manier verschoben, die Radpaare für Gang drei und vier sind in ständigem Eingriff. Wird vom zweiten in den dritten Gang geschaltet, dringen Schaltstifte seitlich in entsprechende Bohrungen an den Flanken ein und fixieren das Zahnrad auf der Welle.

Voraussetzung für den Bau von Klauenkupplungsgetrieben und ihren Unterarten war jedoch die Erfindung einer Synchronisierung die die Umlaufgeschwindigkeit von Muffe und Zahnrad angleicht, bevor die Klauen ineinander greifen. Andernfalls hätte sich an den Klauen starker Verschleiß eingestellt, wie zuvor an den Zahnflanken der Zahnräder von Schieberadgetrieben. Erst die Synchronisierung machte aus Klauenkupplungsgetrieben Gleichlauf- oder Synchrongetriebe.

Mehr über Kupplungen und voll- oder halbautomatische Getriebe.