Sportcoupé mit bewegter Geschichte

Dieser Honda CRX könnte bald Ihnen gehören – helfen & gewinnen!

Hochgeladenes Bild Trotz seines bewegten Autolebens fährt sich der CRX noch immer agil und sportlich

Helfen und gewinnen!

Rund acht Millionen Euro sind dank Ihnen, liebe Leser, seit der ersten OLDTIMER-MARKT-Spendenaktion 1990 zusammengekommen – dafür ein herzliches Dankeschön. Auch nach 30 Jahren kommt Ihr Geld der Universitätsmedizin in Mainz und Gießen zugute – direkt und ohne Abzüge. Wer mit einer Spende teilnimmt, hat Jahr für Jahr die Möglichkeit, einen von mehreren Klassikern zu gewinnen, die zur Verlosung stehen. In diesem Jahr sind das unter anderem ein Jaguar Mk II von 1967, ein Chevrolet Camaro Convertible von 1997, der für seine Abenteuerfahrten bekannte Redaktions-Yugo oder ein Honda CRX, Baujahr 1991. Der sportliche Japaner fiel uns nicht nur durch seine agilen Fahreigenschaften auf. Bei der Begutachtung der Autospende fanden sich deutliche Hinweise auf ein bewegtes Autoleben. OLDTIMER-MARKT-Autorin Anette Johann ging diesen Hinweis für unsere Januar-Ausgabe auf den Grund. Die spannende Geschichte hinter dem Auto lesen Sie hier in voller Länge. Und nicht vergessen: noch bis 10. Januar 2020 können Sie an der Verlosung des Honda CRX teilnehmen und so seine Geschichte fortschreiben!

Hochgeladenes Bild Der CRX kam als Spende, doch beim Aufbereiten für die Verlosung fanden wir mehr und mehr Gegenstände, die Fragen zum Vorbesitz des Sportcoupés aufwarfen. "Wem der wohl mal gehört haben mag?". MARKT-Autorin Anette Johann ging den Hinweisen nach

Aktenzeichen CRXY ungelöst

Eine Plakette an der Scheibe, ein paar vergessene Kleinigkeiten, ein Stapel Belege: Dinge, die reichen können, um auf Ahnenforschungsreise im gerade erworbenen Oldtimer zu gehen. Wir jedenfalls steckten unversehens mitten drin im Vorleben unseres Honda CRX aus der Kinderkrebshilfe-Aktion

Gregor Schulz merkt nach wenigen Minuten Durchsicht, dass der Honda anders ist. Entdeckt vergessene Kleinigkeiten früherer Besitzer, Lebensspuren von Menschen und Maschine. Kaum ein Auto ist komplett anonym, aber dieses birgt mehr Erinnerungen als andere. Gregor checkt alle Fahrzeuge, die zu uns kommen, von netten Menschen gespendet, einzig mit dem Ziel, der Kinderkrebsforschung einen Schritt weiterzuhelfen. Seit sechs Jahren ist der Kollege Cheforganisator dieser Aktion, netzwerkt, verwaltet und betreut bis zu zehn gespendete Fahrzeuge jährlich: Autos, Mofas, Motorräder. Bei der Ankündigung schien ihm der 29 Jahre alte Honda CRX mit knapp 150.000 Kilometern nicht mehr als ein durchschnittlicher Youngtimer zu sein. Fast sogar ein wenig blass neben der diesjährigen illustren Gesellschaft wie Chevrolet Camaro oder Jaguar MK II. Schulz entlarvt sofort die Indizien des klassischen Laternenparkers: Ein Lack, der Liebe braucht, kleine Blessuren unliebsamer Bordsteinkämpfe, Moosreste am Heckwischer, Lenkradkralle im Kofferraum. Die Probefahrt offenbart einen soliden Daily Driver, der startet, läuft, blinkt, hupt und sogar noch TÜV hat. Es ist ein Aufkleber, der Gregor aus dem Konzept bringt: 60 Jahre ADAC-Mitglied steht leicht verwittert rechts oben auf der Windschutzscheibe zu lesen. 60 Jahre! Gregor, selbst gerade 40, überlegt, wie alt jemand sein muss, der bereits 60 Jahre Mitglied in einem Autoclub ist. Minimal 78, aber dann müsste er oder sie bereits mit 18 beigetreten sein. Was auch wieder schwer vorstellbar ist. Aber wie passt das zu einer jugendlichen Rennfeile wie einem CRX, einst harter Kämpfer in der Golf-GTI-Klasse? Ungewöhnlich auch die fast neuwertig aussehenden Sportsitze, wie nach 30 Jahren Leben unterm Schonbezug. Im Kofferraum entdeckt er das komplette Bordwerkzeug in einer abgewetzten Damenhandtasche, im unbenutzten Aschenbecher vergessene Andenken und Glücksbringer, im Handschuhfach eine Benzinverbrauchstabelle, deren Rückseite noch als Währungsumrechner für Mark, Lire, Schilling und Franc fungiert. Bei Einführung des Euro war der CRX zwölf Jahre alt. Daneben ein Stapel kleiner Zettel, die der Fahrer offenbar Parkraum-Verschwendern hinter die Scheibenwischer geklemmt hatte: „Ihrem Parken nach zu urteilen, sind Sie ein völlig wertloser Zeitgenosse. Da Sie ohne Rücksicht auf andere immer zwei Parkplätze beanspruchen, entsteht der Menschheit keinerlei Wert aus Ihrem Weiterleben…“ Zum Schluss die Empfehlung, das Autofahren zu lassen und sich lieber den Raubtieren im Tierpark Hagenbeck zum Fraß vorzuwerfen. Wer verteilt solche Zettel?

Hochgeladenes Bild Kuriose Fundstücke entfachten unsere Neugier: Eine Plakette mit der Aufschrift "60 Jahre ADAC-Mitglied" und ein Stapel Zettel für Parksünder.

Gregor nimmt sich die Papiere das Honda vor. Der 1990 ausgestellte Fahrzeugbrief zeigt nur einen Haltereintrag: Hannelore Eckart aus 5000 Köln 41, die Postleitzahl noch vierstellig, die Bezirke nummeriert. Dahinter klemmt ein verwitterter Fahrzeugschein, der offensichtlich seit Erstzulassung am 19.6.1990 seinen Dienst tut. Übersäht von zwölf TÜV- und Dekra-Stempeln und schließlich dem der Außerbetriebsetzung im Dezember 2018. Unzweifelhaft war das Auto die ganze Zeit fest in Frau Eckarts Hand. Nicht mal einen Wohnortwechsel gab es. Ein Kaufvertrag dokumentiert am 24. 12. 2017 die einzige Halterveränderung in 27 Jahren, als die Besitzerin den Honda offenbar an einen Nachbarn drei Häuser weiter veräußert. Gregor ist fasziniert, ein Ersthandauto als Spende! Dann sieht er Hannelore Eckarts Geburtstag: 14. Januar 1929. Sollte sie noch leben, stünde sie kurz vor ihrem 91. Geburtstag. Er rechnet aus, dass sie mit immerhin bereits 61,5 Jahren den 127 PS starken 16-Ventiler erworben hat. Umweltbewusst sogar mit Kat. Ein Auto, das in weniger als neun Sekunden von Null auf Hundert beschleunigt und weit über 200 km/h schnell lief, wie Testberichte jener Jahre beeindruckt notierten.

Hochgeladenes Bild Flache Linie, klare Formen. Der Honda macht optisch auch nach 29 Jahren noch eine gute Figur

Schulz realisiert, dass er hier mit klassischen Denkmustern nicht weiter kommt. Nicht nur, dass sich eine 61-jährige Dame eine derartige Rennfeile kauft, sondern sie auch bis zum 88. Geburtstag fährt. Inzwischen sitze ich gemeinsam mit dem Kollegen über den Akten. Während ich nach einer Telefonnummer von Frau Eckart suche, entdeckt er das fast lückenlos durchgestempelte Wartungsheft und ein offenbar viel gelesenes Handbuch. Wer ist diese Frau? Die Frage wird immer spannender. Eine schnelle Netz-Recherche narrt uns zunächst mit einer Traueranzeige vom Oktober 2015. Schade! Aber sie passt nicht zum später datierten Verkaufsbeleg. Ah, ein Fehler, e statt a: Getrauert wurde in Köln um eine Hannelore Eckert, nicht Eckart. Dann taucht endlich eine Telefonnummer auf. Der Anschluss ist in Betrieb, ein Anrufbeantworter speichert unser Anliegen. Eine halbe Stunde später klingelt es und eine gutgelaunte Frauenstimme verkündet, sie sei die Gesuchte. Und ob sie das richtig verstanden habe, dass wir ihr ehemaliges Auto hätten? Genau, bestätigen wir ihr, der Honda sei bei uns gelandet und gerade dabei, ein neues Leben für die Wohltätigkeit zu beginnen. Und dass wir sie gerne kennenlernen würden. Frau Eckart geht die Sache frontal an: „Sie wissen schon, dass ich 90 Jahre alt bin?“ „Selbstverständlich“, versichern wir ihr, genau das sei ja das Interessante. Ob sie noch mal ans Steuer ihres CRX wolle? „Sehr gerne! Es kann aber sein, dass ich dann weinen muss.“ Weinen sei absolut okay, versichern wir, es sei sicher schwer, das letzte Auto weg und so … . Ach was, wischt Hannelore Eckart alle Betulichkeit zur Seite, wenn sie was zum Fahren brauche, gehe sie zu Car Sharing. Aha. Die moderne Kölnerin. Der Honda hätte am Ende nur noch rumgestanden und Kosten verursacht, ohne dass sie noch nennenswert damit gefahren sei. Mir fällt das Wartungsheft ein, in dem die Kilometer anfangs nur so fliegen, 50.000 allein in den ersten vier Jahren, während es von 2007 bis 2017 gerade noch 22.000 sind.
2010 gab es ein Gutachten über einem leichten Auffahrunfall, unverschuldet zwar, aber mit 81 sicher heikel bei Polizei und Versicherung. Tatsächlich fordert der letzte Versicherungsbeleg für 2017 fast 500 Euro allein an Haftpflicht. „Dann tropfte es durchs Schiebedach und er sprang öfters nicht an.“ Belege über Werkstatt-Checks, Zündverteiler, Benzinpumpe und ADAC-Einsätze finden sich in den Akten. „Endlich kam der mal zum Zuge!“ Zudem stand bald der TÜV wieder an, und der letzte hatte 2015 schon fast 1000 Euro verschlungen. „Ich hatte irgendwann einfach genug.“ An Heiligabend 2017 verkauft sie das Auto für 2000 Euro an ihren Nachbarn Jürgen Rang. Der Oldtimerfan hatte ihr seit Jahren auf ihre Nachfragen versichert, dass er sich um den CRX kümmern werde, wenn sie aufhören und sich dann nicht mit Käufern rumschlagen wolle.

„Ausschlaggebend war am Ende aber, dass ich immer weniger Ziele hatte. Mein Mann war schon seit Jahren tot, viele Freunde lebten ebenfalls nicht mehr und allein machte mir das Herumfahren keinen Spaß.“ Klar, sie gehe noch zum Badmintonspielen und in eine Tanzgruppe, aber da komme sie auch mit der Straßenbahn hin. Frau Eckart verblüfft mit jedem Satz mehr. Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg fällt mir ein. Sie lacht, als könne sie Gedanken lesen, ja, auf dem Spielfeld lasse sie die anderen noch ganz schön springen, wenn sie denen die Bälle hinters Netz schmettere! Umgehend vereinbaren wir ein Treffen und zwei Wochen später stehe ich mit dem frisch polierten Honda in Köln vor ihrer Haustür.

Hochgeladenes Bild Bei unserem Besuch kam Vorbesitzerin Hannelore Eckart wieder mit dem Auto in Berührung. Einst fuhr sie mit ihm nach Italien und Kroatien, heute nur durch die Kölner Innenstadt

Sie weint nur kurz und verstohlen, als sie ihn an der Bordsteinkante sieht. Dann gewinnen Freude und Erinnerung die Oberhand. Begleitete der CRX sie doch fast genau während des letzten Drittels ihres Lebens. 27 Jahre lang, von 61 bis kurz vor ihrem 89. Geburtstag parkte er vor der Tür, hinter der sie seit 73 Jahren lebt. Hannelore Eckart scheint ein bewahrender Mensch. Und ein autobegeisterter. Fotos zeigen sie in schnellen Autos, nach mehreren Mercedes, darunter einer schicken S-Klasse in den Siebzigern, wechselt sie Mitte der Achtziger ins Sportwagensegment, fährt Matra Bagheera, kauft danach den brandneuen CRX. Den Barzahlungsbeleg über 27.500 DM von Honda Stritter hat sie noch. „Er gefiel mir einfach umwerfend gut.“ Und bietet alles, was sie braucht: Er ist schnell und kompakt, taugt zum Reisen und für die Kölner Innenstadt. Bilder zeigen beide in Kroatien, Italien, Südfrankreich, immer mit Urlaubsgepäck. „Einmal hatte ich sogar ein Schlauchboot samt Außenborder im Kofferraum.“ Mir fallen die strapazierten Seitenteile im Gepäckabteil ein. Kein Weg schien zu weit im schnellen CRX, keine Passstraße zu hoch. „In zwei Tagen bis Kroatien – 1200 Kilometer einfache Strecke von Köln – und notfalls auch die Nacht durch.“ „Mein Auto“, lacht sie schelmisch, lässt den Schlüssel klimpern und klettert hinters Lenkrad. Alles ist sofort wieder da, Einstellen, Position beziehen und schon ist der Honda aus der Lücke gefädelt und Hannelore Eckardt im Verkehrsgewühl. Jeder Blick, jeder Handgriff, jeder Zentimeter scheint noch im Gefühl. Ein bisschen aufgeregt sei sie vor unserem Termin schon gewesen, gesteht sie, ob sie es noch könne... Doch Autofahren ist offenbar wie Schwimmen, Hannelore Eckart jedenfalls hat nichts verlernt. Mit Karacho fegt sie durch ihren Kiez im westlichen Köln, winkt Nachbarn und Passanten, die überrascht die Köpfe drehen. Allen habe sie erzählt, dass heute die Zeitung komme. Für eine Story über sie und ihr Auto. Der Gedanke gefällt ihr zunehmend. Als Stephan Lindloff die Kamera rausholt, kichert sie, sie fühle sich schon auf dem besten Weg nach Hollywood. Frau Eckart braust vor Stefans Linse auf und ab, das Wiedersehen mit dem CRX scheint ein Volltreffer. Sie sei schon immer autobegeistert gewesen, ein alter grauer Führerschein von 1952 zeigt sie als junges Mädchen, gerade 23 Jahre alt. Nicht alltäglich, brauchten Frauen damals doch noch die ausdrückliche Billigung von Eltern oder Ehemann für die Anmeldung zum Führerschein. Ein altes Schwarzweißbild zeigt sie mit brandneuer Fahrlizenz in einem Vorkriegs-Hanomag am Kölner Rheinufer: „Das Auto meiner Eltern. Allerdings war die Kupplung so kaputt, dass ich ständig das Pedal mit einer Kordel am Lenkrad zurückziehen musste.“ Egal, endlich lag ihr die Freiheit zu Füßen. Hannelore lernt Floristin und Bürokauffrau, arbeitet im Blumengroßhandel ihres Vaters, in dem sie später auch das Ruder übernimmt. Im 3,5-Tonner schafft sie die Ware von holländischen Blumenmärkten zum Kölner Großmarkt. Bei einer Varieté-Dekorierung lernt sie ihren Mann kennen, Erich Eckart, ein ehemaliger Raubtierdompteur des Zirkus Sarrasani, der einst mit 13 Eisbären in der Manege das Publikum beeindruckte.

Hochgeladenes Bild Unverbastelte Honda CRX wie dieser sind mittlerweile begehrte Youngtimer, aber schwer zu finden. Der CRX war beliebtes Ziel fragwürdiger Tuning-Maßnahmen

Das Leben bekommt eine neue Dimension mit Erich, sie reist mit ihm durch ganz Europa, bis er 1977 überraschend stirbt, und sie alle Uhren auf null stellen muss. Nun beginnt sie selbst zu reisen. Es ist der CRX, der das Ende dieser Zeit markiert. Wir sind zurück in ihrer Straße, routiniert fädelt Hannelore Eckard wieder vor ihrer Haustür ein. „Was müsste ich zahlen, um ihn wieder zu kriegen?“ lacht sie. Ein Los kaufen? Nein, sie hat abgeschlossen, gibt dem CRX noch einen Klapps auf den Kotflügel: „Alles Gute im neuen Leben. Und mach’ mir keine Schande.“

Text Annette Johann
Fotos Stephan Lindloff
a.johann@oldtimer-markt.de

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