Zündstoff

Oldtimer im Klimawandel – Zwischen den Stühlen

Hochgeladenes Bild Umweltengel Oldtimer? Nachhaltigkeit durch lange Lebensdauer macht’s möglich. Wenn noch CO2-neutrale Kraftstoffe hinzukommen, sind Klassiker konkurrenzlos

Zwischen den Stühlen

Das Ende des Verbrennungsmotors ist nah, wenn es nach dem mehrheitlichen Willen der europäischen Politik geht. Droht damit auch das Ende des Oldtimerhobbys – oder werden wir auch in Zukunft mit Benziner und Diesel unterwegs sein? Eine Standortbestimmung

Je nachdem, welche Parteispitze gerade spricht, ist von unterschiedlichen Restlaufzeiten der Verbrennungsmotoren die Rede. Bei allen Unterschieden gibt es eine wesentliche Gemeinsamkeit: es geht um Neuzulassungen. An die Frage, wie lange die bis dahin produzierten Verbrenner dann noch weiterfahren dürfen, wagt sich niemand so recht heran – schließlich wird bald gewählt. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass konkrete Verbote eher unwahrscheinlich sind. Die Politik greift lieber zu subtileren Mitteln wie Abwrackprämien und Steuererhöhungen für ältere Euro-Abgasnormen. Ob das H-Kennzeichen der Oldtimer-Szene auch weiter freie Fahrt zu überschaubaren Kosten sichern wird, ist auch von zukünftigen Mehrheiten abhängig. Rechtzeitig vor der Wahl werden wir deshalb in der September-Ausgabe von OLDTIMER MARKT Stellungnahmen aller wesentlichen Parteien veröffentlichen.

Hochgeladenes Bild Ab Mitte der achtziger Jahre sind die meisten Old- und Youngtimer mit Kat unterwegs. Dann entfällt auch das Argument des Schadstoffausstoßes

Wenn es ums Klima geht, sollten Oldtimer so ziemlich als letzte ins Fadenkreuz geraten. Denn sie erzeugen eher weniger CO2 als aktuelle Fahrzeuge. Für Technik-Legastheniker ist das oft schwer nachvollziehbar, denn sie setzen "alte Stinker" automatisch mit "Klima-Killern" gleich. Es ist unbestritten, dass die Abgase Kat-loser Oldtimer mehr Schadstoffe enthalten. Das spielt allerdings wegen ihrer geringen Kilometerleistungen und der allgemein steigenden Luftqualität in Deutschland kaum noch eine Rolle. Außerdem sind viele Oldtimer ab den achtziger Jahren bereits mit Kat unterwegs. Beim Klima geht es aber um CO2-Emissionen. Und die hängen unmittelbar vom Kraftstoffverbrauch ab. Da Klassiker fast durchgängig mit kleinvolumigeren Motoren unterwegs und außerdem deutlich leichter sind als heutige Fahrzeuge, verbrauchen sie im Durchschnitt auch nicht mehr Benzin oder Diesel (was OLDTIMER MARKT in einem Praxis-Test nachgewiesen hat).

Der wesentliche Unterschied liegt in der langen Lebensdauer. Fährt jemand wie der Schweizer Walter Stahel einen über 50 Jahre alten Jaguar XJ6, dann hat er damit rund fünf Autos ersetzt, die für ihn rein statistisch nicht gebaut werden mussten. Gerade bei der Herstellung entsteht jedoch ein schwerer CO2-Rucksack, der sich im Laufe eines Autolebens erst langsam relativiert. Je länger ein Auto fährt, desto mehr hat sich seine Herstellung gelohnt.

Das hört die Automobilindustrie natürlich nicht gern, denn deren Geschäft ist es nun einmal, neue Autos zu verkaufen. Die Abwrackprämie, am Anfang noch als Umweltprämie verblümt, war schließlich nichts anderes als eine Strukturhilfe für die damals schwächelnde Industrie. Und solche Hilfen können sinnvoll sein, denn der Wohlstand vieler Menschen hängt hierzulande vom Automobilbau ab. Aber sind Oldtimerfahrer durch ihren automobilen Konsumverzicht tatsächlich Konjunkturbremser? Hier kommt noch einmal Walter Stahel ins Spiel. Der Jaguar-Fahrer ist ein renommierter Wirtschaftsanalytiker und war Berater mehrerer Arbeitsgruppen der Europäischen Kommission. Außerdem ist er seit 2012 Vollmitglied des Club of Rome, jener Expertengruppe, die schon 1968 mit ihrem vielbeachteten Bericht Die Grenzen des Wachstums vor Ressourcenverschwendung warnte. Stahel macht in einer Fernsehdokumentation des WDR eine simple Rechnung auf: "Um einen neuen Wagen zu bauen, brauchen wir Roboter. Und wir brauchen nach Angaben des VDA 16 Arbeitsstunden. Die Überholung meines alten Jaguar-Motors hat 100 Stunden gebraucht. Wenn wir Arbeitsplätze erhalten wollen, ist die Fertigung der falsche Ansatz!" Ein Nebenaspekt: Der Lohn für Reparaturen kommt meist kleinen Handwerksbetrieben und mittelständischen Firmen zugute, die das Rückgrat jeder leistungsfähigen Volkswirtschaft bilden.

Hochgeladenes Bild Zweiter Frühling in Afrika: Autos, die wegen härterer Abgasnormen in Europa ausgemustert werden, fahren dort weiter – bis heute

Doch bevor wir uns nun alle den blauen Umweltengel ans Revers heften: Die geringe Laufleistung der Klassiker macht unsere Argumentation auch angreifbar. Schließlich war es ein Grundgedanke des H-Kennzeichens, dass Oldtimer nicht zu täglichen Transportzwecken eingesetzt werden. Mit anderen Worten: Wir fahren nur zum Spaß. Und allein diese Vorstellung treibt dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Anton Hofreiter, vermutlich die Zornesröte ins Gesicht. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wo denn der Spaß anfängt und wo er aufhört. Die Fahrt zum Auswärtsspiel des Fußballvereins, die Fernbeziehung der Liebe wegen, das Motorboot, das Motorrad, das Wohnmobil – all das wäre vermutlich nicht unbedingt nötig. Aber was bleibt übrig, wenn man auf Spaß verzichtet, um die deutschen zwei Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes in einer Stelle hinter dem Komma zu beeinflussen? Vielleicht weiß Anton Hofreiter darauf eine mehrheitsfähige Antwort?
Lauscht man in Oldtimerstammtische und Internetforen hinein, gilt das Elektroauto als Bedrohung. Schnell kreist die Diskussion dann um seelenlose Oldie-Zombies mit Elektro-Zwangsumbau unter der Motorhaube. Manche möchten ihren Klassiker am liebsten gleich verkaufen oder verschrotten. Andere denken mal wieder übers Auswandern nach. Aber das E-Auto ist nicht böse – es ist ein wesentlicher Teil der langfristigen Lösung, aber eben nur ein Teil und auch nur langfristig. Betrachten wir zunächst die Frage, ob und wann E-Mobilität den Antrieb mit Verbrennungsmotoren ersetzen kann. In Deutschland gibt es laut Kraftfahrtbundesamt (KBA) derzeit 48,2 Millionen Pkw, von denen 2,7 Prozent zumindest teilelektrisch angetrieben werden. Das E-Auto hat also bislang noch keinen nennenswerten Anteil am bundesdeutschen Stromverbrauch.

Mit steigender Zahl werden aber immer mehr Probleme auftauchen. Einerseits ist das Verteilersystem der Energieversorger vor allem im städtischen Bereich nicht auf die zu erwartenden Lasten ausgelegt. Die meist unterirdisch verlegten Kabel sind schlicht zu dünn, um am Ende der Straße ein Sechsfamilienhaus mit ebenso vielen Ladestationen anzuschließen. Intelligente Lösungen der Stromversorger sollen zwar die Verbrauchsspitzen glätten, indem sie Akkus der Fahrzeuge, die gerade am Ladegerät hängen, als Energiespeicher nutzen – auch für den Fall, dass in einer sogenannten Dunkelflaute nicht genug Ökostrom vorhanden ist. Das bedeutet aber auch, dass bestimmten Ladestationen bei Bedarf zeitweise der "Saft" abgedreht wird. Und zwar, ohne dass deren Besitzer gefragt wird oder davon etwas mitbekommt – außer, dass der Akku des E-Mobils am nächsten Morgen vielleicht nur zur Hälfte geladen ist. Das Bundesumweltministerium verklausuliert das so: "Der regulatorische Handlungsbedarf ist identifiziert."

Weiter auf Seite 2

Hochgeladenes Bild OLDTIMER-MARKT-Praxistest 2007: Die damalige Enkelgeneration verbrauchte durch die Bank mehr Treibstoff als die Klassiker. Daran hat sich nicht viel geändert


Mehr zum Thema

Der vollständige Artikel "Zwischen den Stühlen" erschien in OLDTIMER MARKT 8/2021. Die Ausgabe können Sie hier online bestellen oder hier als E-Paper lesen.