RHD oder LHD?

Rechtslenker in Deutschland – gar nicht so kompliziert

Freie Seitenwahl

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Pro Linkslenker

Einen Rechtslenker in Deutschland? Um Gottes willen, das geht ja gar nicht! Überholen ist so gut wie unmöglich, an der Ticket-Säule im Parkhaus kugelt man sich den Arm aus, und im Drive-through-Restaurant landet dein Maxi-Menü garantiert nach 70 Zentimeter freiem Fall auf dem Beifahrersitz. Und wie sieht’s aus bei Maut-Stationen, Autoschaltern oder beim Einparken? Vergiss es – alles Murks! Außerdem sind rechtsgelenkte Fahrzeuge bei uns nahezu unverkäuflich. Sagen die einen.

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Pro Rechtslenker

Das Lenkrad auf der rechten Seite – etwas Besseres gibt’s nicht: Sensationell günstige Anschaffungspreise ermöglichen oft den Kauf des lang ersehnten Traum-Oldies. An die Sitzposition auf der „falschen“ Seite hat man sich im Handumdrehen gewöhnt, und nach dem Einparken steigt man praktisch auf dem Bürgersteig aus – und zwar ohne dass zuvor jemand die Tür abgefahren hat. Unbezahlbar bleiben die verdutzten Blicke anderer Verkehrsteilnehmer, wenn Oma auf der vermeintlichen Fahrerseite thront und strickt oder liest… Sagen die anderen.

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Warum Rechts- und Linksverkehr?

Wieso eigentlich Linksverkehr und Rechtslenkung und Rechtsverkehr mit dem Volant auf der linken Seite? Über die Frage nach der „richtigen Seite“ haben sich bereits viele kluge Menschen den Kopf zerbrochen und mitunter abenteuerliche Theorien aufgestellt. Gern landen berufene Seitenwahl-Philosophen unisono im großbritannischen Mittelalter und schieben Ross und Reiter den Linksverkehr in die Stiefel. Zwar ist hier nichts von rechtsgezügelten Pferden übermittelt, wohl aber von schwertschwingenden Rittern, die als Rechtshänder ihrem entgegengaloppierenden Widersacher auf diese Weise viel ergonomischer eine ordentliche Delle in die Rüstung dengeln konnten. So etwas geht beim Rechtsverkehr mit gekreuzten Waffen schon mal schnell ins Auge… Und weil sich schlagfertige Rittersmänner dank dieser überzeugenden Verkehrsführung noch viele Jahre erfolgreich durchs Königreich prügelten, haben die britischen Staatsmänner den Rechtsverkehr anno 1835 in ihrem „Highway Act“ (Bundesfernstraßengesetz) verankert.
Die Entwicklung des Rechtsverkehrs in den meisten Ländern des restlichen Europas wird hingegen gern auf die frühe Binnenschifffahrt geschoben. Hier wurde stets rechts gefahren, gepaddelt oder gerudert, um zu verhindern, dass sich die Paddel (der Rechtshänder) bei Gegenverkehr in die Quere kommen. Und was auf dem Wasser prima funktioniert, sollte auch auf festem Boden bei Fuhrwerken und Kutschen gelingen…

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Napoleon entschied sich für Rechtsverkehr

Gesetzlich fixiert wurde der Rechtsverkehr erst im Zeitalter der Französischen Revolution gegen Ende des 18. Jahrhunderts: Kurz bevor sich Maximilien Robespierre am 28. Juli 1794 von seinem Kopf verabschieden musste, erließ seine Regierung ein Gesetz, das in Paris den Rechtsverkehr vorschreibt. Napoleon Bonaparte dehnte die Verfügung auf Militärfahrzeuge aus, um Truppen im Kriegsfall geordnet verschieben zu können. Selbstverständlich hatte sich der übrige Verkehr anzupassen. Der kleine Korse mit dem einnehmenden Wesen sorgte dann anschließend in weiten teilen Europas für das Fahren auf der rechten Seite – und dabei sollte es auch nach seiner Niederlage in den meisten Staaten bleiben. Heute gibt es nur noch vier europäische Länder, in denen auf der linken Seite gefahren wird: Großbritannien, Irland, Malta und Zypern. Weltweit sind es noch 58 Staaten.

Vorteile von Rechtslenkern

Für etliche italienische, Schweizer oder österreichische Berufskraftfahrer war der rechtsgelenkte Lkw in den Alpenregionen noch bis vor wenigen Dekaden unverzichtbar: Wer seinen Lastwagen auf unbefestigten schmalsten Passsträßchen zentimetergenau am Abgrund entlang dirigieren musste, lernte die Sitzposition auf der Talseite schnell schätzen.

Hochgeladenes Bild Frühe Ferrari-Rennwagen waren stets rechtsgelenkt

Und es gibt auch heute noch eine große Zunft, für die Right-Hand-Drive-Autos (RHD) von Vorteil sind: Rennfahrer. Auf fast allen großen Rennstrecken (Ausnahmen: Interlargos, Istanbul und Imola) wird nämlich im Uhrzeigersinn gefahren – entsprechend überwiegt die Zahl der Rechtskurven.

Rechtlich gar kein Problem

Ist es überhaupt problemlos möglich, ein rechtsgelenktes Auto in Deutschland zuzulassen? Steffen Missbach vom TÜV-Kompetenz-Center in Köln verweist auf die 22. Ergänzungslieferung zum Paragraph 38 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO): Im deutschen Verkehrsrecht ist die Anordnung der Lenkung nicht festgelegt. Es sind daher sowohl Fahrzeuge mit Linkslenkung als auch mit Rechtslenkung zulässig… Dass dennoch die Beleuchtung StVZO-konform umgerüstet werden muss, versteht sich von selbst.

Der Alltagstest

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So, genug Theorie. Wir wollen nun endlich wissen, wie und ob man hierzulande mit einem rechtsgelenkten Oldie klarkommt, oder ob sich das Volant auf der ungewohnten Seite rasch als echtes Handicap herausstellt. Uns interessiert, wie die Sache in der Stadt funktioniert, auf Landstraße und Autobahn – eben im Alltag. Als „Versuchsobjekt“ stellt uns Arwed Otto aus Mauchenheim selbstlos seinen Morgan Plus 8 aus dem Jahr 1980 zur Verfügung. Und kaum, dass es los geht, habe ich mich auch schon verlaufen. Die Fahrertür ist nämlich nicht links. Also rum ums Auto und einsteigen. Klar, dass der Schalthebel hier wie gewohnt mittschiffs aus dem Kardantunnel wächst: ein völlig neues Aufgabengebiet für die linke Hand – und die sucht den ersten Gang, wie gewohnt, indem sie den Knüppel zunächst zum Körper, dann nach vorn rückt. Und schon röchelt mir der dicke Rover-V8 gequält zu: „He, du Depp, fährst du immer im Fünften an?“ Aha, Lektion Nummer zwei: Das Getriebe ist natürlich konfiguriert wie beim Linkslenker, der Erste liegt links vorn.

Hochgeladenes Bild Neues Aufgabengebiet für die linke Hand: Bedienung von Schaltung und Handbremse

Blinker links und raus aus der Lücke. Upps, der Blinker ist kaputt, aber dafür beginnen die drei lustigen Wischerchen auf der Frontscheibe zu tanzen. „Alles normal“, beruhigt Arwed Otto. „Geblinkt wird rechts, links sitzt die Wischerbedienung.“ Gut zu wissen, dafür habe ich mir jetzt erstmal das Fenster schön mit Insektengekröse verschmiert…

Hochgeladenes Bild Merke: Der Blinkerhebel zeigt immer zur Fahrzeugaußenseite

Überholen verlangt nach Voraussicht

Rauf auf die Landstraße. Ich merke, wie meine linke Hand bereits nach wenigen Gangwechseln automatisch die richtige Fahrstufe findet. Und ich ertappe mich dabei, viel zu weit links zu fahren, weil mein Gehirn den gewohnten Blickwinkel auf die Straße ordert. Nach einigen Kilometern auf dem gewundenen Asphaltwurm hat sich mein Oberstübchen jedoch an die neue Perspektive gewöhnt, und ich nehme bereits neugierig meine nächste „Versuchsanordnung“ ins Visier: Opa im miederfarbenen Mitsubishi Colt. Im Gegensatz zu dem naturverliebten Hutträger bin ich mir ziemlich sicher, dass diese Straße deutlich mehr als 50 km/h hergibt. Ich muss sehr weit auf die Gegenspur steuern, bis ich links an dem japanischen Bestseller vorbeiblicken kann.

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Die bessere Lösung: ein wenig zurückfallen lassen und in der nächsten langgezogenen Rechtskurve rechts am Vordermann vorbei den Verkehr beobachten. Das haut hin, wenn’s kurvig ist, auf schnurgerader Straße oder auf der Autobahn gestaltet sich die Angelegenheit wesentlich riskanter. Dank des bulligen V8 ist der Mieder-Mitsubishi schnell aufgeschnupft, und ich bin erstaunt, wie schnell das Ungewohnte in Fleisch und Blut übergeht. Jedenfalls größtenteils – mit dem blöden „Blinkhebelchen“ saue ich mir die Frontscheibe an diesem Tag noch mindestens fünfmal zu.

Erste Hürde Drive-In

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Ich habe Hunger. Bei dieser Gelegenheit lässt sich vortrefflich die Drive-in-Tauglichkeit „meines“ Rechtslenkers testen. Und darum führt der Weg zur nächstbesten Filiale einer beliebten Fast-Food-Kette. Aus der spacigen Bestellsäule mit Bildschirm rauscht und knarzt es, und weil ich nix verstanden habe, forme ich meine Hände zu einem Sprechtrichter, beuge mich so weit wie möglich über den Beifahrersitz und brülle meine kulinarischen Begehrlichkeiten aus vollem Hals in die Blechbüchse. Das hat offensichtlich nicht nur der freundliche Pakistani am anderen Ende der Leitung verstanden, sondern auch alle anderen Gäste. Jedenfalls verstummen die Gespräche auf der Terrasse, und ich spüre böse Blicke. Egal, ich darf zum Bezahlfenster vorrollen und freue mich, dass Mutter Natur den Kassenmann offensichtlich mit langen Armen bedacht hat. Die Geldübergabe erfolgt auf jeden Fall ebenso unspektakulär wie die Nahrungsausgabe an Schalter zwei. Ich musste nicht einmal auf den Sitz steigen und habe im Rahmen meiner Möglichkeiten auch nicht übermäßig albern ausgesehen. Prüfung bestanden.

Zweite Hürde: Parkplatzschranke

Hochgeladenes Bild Der Kartenschlitz für die Schranke ist weit entfernt. Hier ist Ideenreichtum gefragt

Von nicht ganz so positiven Autoschalter-Erfahrungen weiß Morgan-Eigner Arwed Otto zu berichten: „Kompliziert wird’s bei Parkhäusern und -plätzen mit automatischer Schranke. Wer da ohne Beifahrer unterwegs ist, muss aussteigen, die Karte in den Schlitz stecken, und bis man wieder im Auto sitzt, hat sich die Schranke bereits wieder geschlossen. Da hilft nur eins: Wenden und rückwärts an die Schranke fahren – aber das probieren Sie mal. Am besten mitten in der Rushhour…“

Einparken wird zum Kinderspiel

Unerwartet angenehm gestaltet sich das Handling in der Stadt. Im Handumdrehen gewöhnt man sich ans Rückwärtseinparken; wer’s zweimal probiert hat, zirkelt den Rechtslenker mit einer Fingerbreite Abstand zum Bordstein in kleinste Lücken. Das eigentliche Highlight folgt jedoch erst nach der Parkerei: Ohne Angst haben zu müssen, dass mir vorbeifahrende Autos die vollen Einkaufstüten aus der Hand fahren, stehe ich nach einem Schritt auf dem Bürgersteig – praktisch.

Hochgeladenes Bild Praktisch: direkter Kontakt zu Passanten – wenn nötig

Ebenso praktisch ist’s, wenn Sie Passanten im Rechtslenker nach dem Weg fragen. Von wegen, einmal mit der auseinandergefalteten Landkarte in der Hand quer über den Beifahrersitz beugen und dabei den Hals verrenken…

Manchmal gibt es keine Wahl

Nicht immer haben Freunde alten Blechs jedoch die Wahl zwischen rechts- und linksgelenkten Fahrzeugen. Zu Zeiten, in denen der Export noch eine untergeordnete Rolle spielte, gab es die meisten britischen Fahrzeuge nur in der „Zu-Hause-Version“. Ebenfalls schwierig wird’s bei diversen (raren) staatstragenden Limousinen à la Humber Super Snipe. Die „Schnepfe“ fand außerhalb Englands kaum statt – entsprechend gering ist die Zahl der Linkslenker. Auch wer seinen exotischen Geschmack ein paar Nummern kleiner ausleben möchte, wird kaum fündig: Ford Anglia, Austin A30/A35 oder Hillman Imp sind als Linkslenker selten, den munteren MGB GT V8 hat es gar nur als Rechtslenker gegeben. Die gleiche Thematik haben Sie, wenn Sie sich in ein südafrikanisches oder australisches Modell verliebt haben.

Umrüstung: prinzipiell meist möglich

„Viele England-Importe lassen sich problemlos und für moderates Geld auf Linkslenkung umrüsten“, berichtet Manfred Diehl von der Triumph Interessengemeinschaft Südwest e.V., „einige Bleche sind bei den TR-Modellen so konfiguriert, dass sie für beide Varianten passen. Aufwändiger wird es hingegen beim Wechsel der Zahnstangenlenkung sowie beim Versetzen der Pedalerie. Nicht zu unterschätzen ist auch der Tausch des Armaturenbretts und das Umstricken des Kabelbaums.“ Rund 2000 Euro berechnet Spitfire-Spezialist Wilfried Bongen aus Düren beispielsweise für eine Umrüstung des kleinen Roadsters. Bongen: „Für die meisten Rechtslenker-Käufer kommt ein Umbau allerdings nicht in Frage. In 40 Jahren habe ich nur ein einziges Auto umgerüstet.“

Hochgeladenes Bild Ein Umbau von RHD auf LHD ist häufig möglich – geht jedoch immer mit dem Verlust von Originalsubstanz einher

Umbau auf LHD: nicht immer günstig

Mit völlig anderen Preis-Dimensionen müssen sich oft Käufer hochpreisiger Autos abfinden. Bernd Bauer, Geschäftsführer der Firma British Classic Cars in Glottertal listet die Kosten einer Jaguar-XK-150-Umrüstung auf: „800 Euro für ein Lenkgetriebe, 600 Euro fürs Kupplungspedal und 350 Euro für den Fußbremshebel treiben allein die Ersatzteilpreise in schwindelerregende Höhen. Inklusive Arbeitslohn stehen anschließend locker 5000 Euro auf der Rechnung.“ Nur unwesentlich preiswerter wird es beim Umbau eines E-Type – auch hier sind die Teile entsprechend teuer.

Text: Martin Brüggemann
Fotos: Stephan Lindloff, Peter Mergelkuhl