Die 100 wichtigsten deutschen Autos – Unsere Favoriten (1)
- 07. Oktober 2020
- Peter Steinfurth
Der Mercedes-Benz 280S begleitet mich nun seit 28 Jahren – pannenfrei. Das sichert ihm Platz zwei in meiner ganz persönlichen Bestenliste.
Meine persönlichen Top 10
In OLDTIMER MARKT 10/2020 küren wir die Top 100 der wichtigsten Autos aus Deutschland. Um so objektiv wie möglich zu bleiben, errechnet sich die Platzierung der Fahrzeuge aus deren Abschneiden in verschiedenen Kategorien, von Verkaufszahlen bis Design. Doch die Wichtigkeit eines Autos lässt sich nicht immer nur objektiv bewerten, nicht immer lässt sich die Leidenschaft für eine Blechkiste mit Zahlenwerk erklären. Deshalb verraten Ihnen die MARKT-Redakteure hier, welche ihre ganze persönlichen Favoriten sind.
Den Anfang macht MARKT-Chefredakteur Peter Steinfurth
10. Amphicar 770
Brüder zur Sonne zur Freizeit! Gibt es ein deutsches Auto, das konsequenter als Freizeitmobil konzipiert wurde? Konstrukteur Hans Trippel und Geldgeber Harald Quandt hatten in erster Linie amerikanische Hobbyangler und Jäger im Auge, die sich mit dem ersten zivilen Amphibienfahrzeug abgelegene Reviere erschließen sollten. Und tatsächlich ging ein erheblicher Teil der Produktion über den großen Teich – wenn auch nicht auf eigenem Kiel. Noch heute ist es ein unvergleichlicher Spaß, mit dem Amphicar vom Land aufs Wasser abzubiegen...
9. Porsche 904 GTS
Natürlich wissen auch Porsche-Ingenieure, wo der Motor idealerweise hingehört: vor die Hinterachse. Beim 904 GTS ist es der genial überkonstruierte Fuhrmann-Vierzylinder mit vier Nockenwellen, die über Königswellen angetrieben werden. Dieses technische Kleinod vereint sich mit der atemberaubend schönen GFK-Karosserie zu einem Gesamtkunstwerk, dessen Ursprung man auf den ersten Blick in Italien vermutet. Geht doch!
8. Mercedes-Benz C111 (Prototyp)
Selten war ein schnöder Fahrwerks-Versuchsträger so schön und so serienreif wie der C111 von Mercedes-Benz. Projektleiter Dr. Hans Liebold hatte die Aufgabe, neue Radaufhängungen zu entwickeln, da sich die angestaubte Pendelachse nach Art des Hauses nicht mit den neuen, immer breiteren Stahlgürtelreifen vertrug. Letztlich waren die R/C 107 und die Strichacht-Baureihe Nutznießer dieer Entwicklung. Der Wankelmotor mit drei – später sogar vier Scheiben – kam erst später hinzu. Doch die Wankel-mutige Euphorie wich im Angesicht der Ölkrise einer baldigen Ernüchterung: Auch die Daimler-Ingenieure bekamen die rauen Trinksitten und die Emissionen des Rotariers nicht in den Griff. Hinzu kamen Probleme bei der Fertigung der Kunststoffkarosserie. So blieb dem fast serienreifen C111 nur eine weitere Karriere als Diesel-Versuchsträger und Rekordfahrzeug. Da halfen auch die Blankoschecks nicht, die angeblich nach Veröffentlichung der ersten Erlkönig-Fotos in Stuttgart eingetrudelt sein sollen...
7. Rumpler 10/30 PS Tropfen-Auto (Typ RU 0A 104)
Unglaublich, wie innovativ ein Auto sein kann, wenn man sich dem Thema von einer ganz anderen Seite nähert. Edmund Elias Rumpler, gebürtiger Wiener mit preußischem Pass, hatte schon einige respektable Flugzeuge konstruiert, als ihm der Versailler Vertrag 1919 ein Berufsverbot bescherte. Also wandte er sich dem Automobilbau zu – nicht, ohne sein Luftfahrt-Wissen nutzen. Sein Tropfen-Auto von 1921 war konsequent aerodynamisch geformt und glänzte erst Jahrzehnte später mit einem Cw-Wert von 0,28 als sich dies im Windkanal messen ließ. Rumpler selbst hatte die Form rein intuitiv entworfen. Angetrieben wurde das Gefährt, das als Droschke gedacht war, aber fatalerweise über keinen Kofferraum für das Gepäck der Fahrgäste verfügte, von einem Sechszylinder-Mittelmotor in W-Formation. Die Hinterräder waren an einer Pendelachse einzeln aufgehängt. Die Karosserie, die einem Flugzeugrumpf nachempfunden ist, darf als selbsttragend gelten und erstmals im Automobilbau verfügte das Tropfenauto über gebogene Glasscheiben. Respekt, Herr Rumpler!
6. Maybach Zeppelin DS8
Wem in den Dreißigern ein Mercedes zu popelig und ein Horch zu mittelmäßig war, der gönnte sich zum Preis eines sechsstöckigen Eigenheims einen Maybach Zeppelin. Der erste deutsche V12-Motor betonte schon im Namen seine Verwandtschaft zu den Luftschiffmotoren. Acht Liter Hubraum wuchteten unvorstellbare 200 PS auf die Kupplung. Letztere hatte unterwegs allerdings wenig zu tun, denn das Doppel-Schnellganggetriebe sortierte seine acht Gänge per Vorwahlhebel und schaltete per Unterdruck – und das zu einer Zeit, als sich die meisten Automobilsten noch mit unsynchronisierten Räderwerken herumschlugen. Im gar nicht so seltenen Fall einer Reifenpanne ließ sich das Drei-Tonnen-Dickschiff mit vier eingebauten Wagenhebern aufbocken. Zum Aufpumpen der Reifen war selbstverständlich ein kleiner Kompressor an Bord. Verzögert wurde die Fuhre über eine Unterdruck-Servobremse und dank 135-Liter-Tank hielten sich die Boxenstopps trotz des enormen Spritdursts in Grenzen. Maybach lieferte lediglich das betriebsbereite Fahrgestell, mit dem sich die gut betuchte Kundschaft dann zum Karossier ihres Vertrauens begab. Das Ergebnis war leider nicht immer so elegant wie bei diesem viertürigen Cabriolet von Spohn, denn die meisten Maybach-Käufer nahmen vorzugsweise auf den Rücksitzen geräumiger Limousinen Platz und überließen die Schwerarbeit am Volant ihrem Chauffeur. Wenn es also ein automobiles Gegenstück zu einer Grand Complication von Patek Philippe gibt, dann ist ein Maybach Zeppelin DS8 – ein Auto, das sich vor allem den Technik-Gourmets erschließt.
5. BMW 3.0 CSL
Hier wächst zusammen, was zusammengehört: Eines der schönsten deutschen Coupés, einer der feinsten Sechszylinder, Leichtbau und satte Straßenlage. Wer im 3.0 CSL zügig über kurvige Landstraßen schnurrt, schaltet instinktiv bei 4000 U/min – und verpasst dabei das Beste. Denn der seidenweiche M30 wird darüber erst so richtig munter. Diese Maschine liebt Drehzahlen und verträgt sie auch. Man dreht im Tunnel das Radio leiser und das Fenster runter – so klingt Motoren-Musik! Der leichte CSL mit Alu-Türen und -Hauben und hinteren Scheiben aus Plexiglas sprintet in der Einspritzer-Variante unter sieben Sekunden auf 100 km/h. Das war 1972 eine echte Ansage. Und wenn wir schon in den Siebzigern sind, muss er natürlich Inka-Orange oder Golf-Gelb lackiert sein. Auf den Radlaufchrom könnte ich persönlich verzichten, er gehört aber untrennbar zur Geschichte des CSL dazu: So ließ sich eine Kotflügelverbreiterung am einfachsten homologieren. Denn schließlich war der bayrische Bruder Leichtfuß für den Renneinsatz gedacht. Deshalb lag in der letzten Ausbaustufe auch umfangreiches Geflügel im Kofferraum, das den CSL zum Bat-Mobil aufplusterte. Für die Straße waren die Spoiler nicht zugelassen, was "Strietzel" Stuck nicht davon abhielt, als Batman ein paar Runden über Bayerns Straßen zu drehen. An der Tankstelle soll er einst gefragt worden sein, ob es sich bei dem ausladenden Spoiler um einen neuartigen Skiträger handele. Na denn: Es lebe der Sport!
4. Mercedes-Benz 220 SEb Coupé
Als Besitzer eines W108 muss man dieses Auto einfach lieben! Für mich ist das 220 SEb-Coupé der eleganteste Nachkriegs-Mercedes überhaupt – und noch schöner als das Cabrio derselben Baureihe. Und ja: Ich mag besonders die frühen Hochkühler, die der Front mit den vertikalen Glasbaustein-Scheinwerfern noch mehr Spannung verleihen. Dass es für mich ein Sechszylinder sein muss, ist mit dem Typenschild 220 SE bereits geklärt. Der seidige Lauf des M127 III passt perfekt zum dezenten Auftritt des Coupés. Und ich mag Autos, die den Pelz nach innen tragen: Wer von einer „normalen“ Heckflossen-Limousine ins Coupé umsteigt, wird den Fieberthermometer-Tacho nicht vermissen, denn hier versprüht feinstes Wurzelholz oft im Verbund mit schweren Lederfauteuils die Gediegenheit eines Londoner Clubs – da fehlt nur noch das Kaminfeuer im Handschuhfach...
3. VW-Bus T2 Westfalia Helsinki
Für 1750 Mark ohne TÜV gekauft und nach anderthalb Stunden Bodenblech-Schweißarbeit mit frischer Plakette. Dieser Bus diente mir im Frühjahr 1990 während meiner Probezeit bei MARKT als mobiles Domizil und zum Pendeln in die Bielefelder Heimat. Wie besonders dieses Exemplar war, entdeckte ich erst ein paar Tage nach dem Kauf am Westfalia-Typenschild mit der Nummer 00001. Mein Bus hatte als Ausstellungsstück auf der IAA gestanden! Als Alfa-Giulia-Pilot hatte ich allerdings einen schweren Gasfuß und überhaupt kein Verständnis dafür, dass es Motoren gab, die 300 Kilometer Vollgas übelnehmen. Beim zweiten Triebwerk habe ich den Drehzahlbegrenzer dann dringelassen. Nicht nur wegen der spektakulären Wertentwicklung bedauere ich heute noch, meinen Helsinki verkauft zu haben. Aber ich war jung und ich brauchte das Geld...
2. Mercedes-Benz 280S (W108)
Fragt man in sozialen Netzwerken nach den besten Autos oder Motoren, posten die meisten Menschen Bilder ihrer eigenen Klassiker. Eigentlich ist das natürlich Unsinn, denn objektiv betrachtet bleibt da fast immer noch Luft nach oben. Trotzdem schließe ich mich hier dem Trend an und singe ein Loblied auf meinen 108er, der mich seit 28 Jahren und rund 160.000 pannenfreien Kilometern begleitet. Natürlich wäre ein Coupé oder ein 6.3er attraktiver und blaue Stoffsitze samt Kurbelfenstern sind definitiv nicht das Ende der Fahnenstange. Aber so ein treuer Begleiter wächst einem über die Jahre so sehr ans Herz, dass man sich ein Leben ohne ihn einfach nicht mehr vorstellen kann. Und genau deshalb verstehe ich alle Brüder und Schwestern im Geiste, die auf die Frage nach dem besten Auto der Welt mit „meins“ antworten.
1. Opel Ascona A Irmscher (Walter Röhrl/Jochen Berger)
1999 feierten Opel und die Tour de France de l'Automobile ihre 100. Geburtstage (ja, die Auto-Tour ist älter als die Fahrrad-Tour, durfte ihren Namen aber trotzdem nicht behalten). Das Doppeljubiläum zelebrierten wir im Opel Ascona, mit dem Walter Röhrl und Jochen Berger 1974 Europameister geworden waren. Ich fuhr und Jochen Berger war Beifahrer. Unvergesslich bleibt mir der Moment, als wir in der Sonderprüfung Burzet aus Versehen die Zeiten der Competition-Klasse ins Auto gereicht bekamen, obwohl wir mit dem Ascona in der Gleichmäßigkeit unterwegs waren. Wir trollerten gemütlich durch den Ort, bis Jochen erschreckt feststellte, dass wir schon 500 Meter hinten lagen. Er sagte dann aus dem Gedächtnis jede Kurve samt optimalem Gang an, und wir schossen just in time durchs Ziel. In der Competition-Klasse hätte unsere Zeit trotz des vermasselten Starts noch für einen Platz im Mittelfeld gereicht. Der Ascona mit dem Irmscher-Querstrom-Zylinderkopf hatte 180 PS, ein ZF-Fünfganggetriebe und eine extrem kurze Hinterachse, mit der maximal 150 km/h drin waren. Aber auf der kurvigen Bergstrecke konnten wir damit ganz lässig die Ferrari abhängen. Ein Moment für die Ewigkeit!
Für unsere Jubiläumsausgabe haben wir stundenlang Listen gepaukt und diskutiert – herausgekommen ist eine spannende, manchmal überraschende, aber auf jeden Fall umfangreiche Liste. Doch was meinen Sie? Nennen Sie uns hier Ihre persönlichen Favoriten!