Premiere vor 70 Jahren in Paris

Wagners Alptraum – Stevens’ Walküre

Bevor sich Brooks Stevens (1911-1995) mit seinen retro-gestylten Excalibur-Sportwagen als Automobilhersteller betätigte, hatte er sich in den Vereinigten Staaten bereits als Industriedesigner einen Namen gemacht: Die Harley-Davidson Hydra-Glide von 1949 stammte etwa aus seiner Feder, der Evinrude-Außenborder oder das Wienermobile von Würstchenfabrikant Oscar Mayer. Um seinen Namen auch in Europa bekannt zu machen, entwarf er ein chromblitzendes Luxusauto mit US-Technik für die Alte Welt, als Geldgeber fungierte Immobilienmagnat Irwin Metzenbaum. Stevens zeichnete einen Hardtop-Zweitürer mit V-förmiger Ornamentik an der Wagenfront, einem Kuhfänger gleich. Für den Aufbau sorgte die deutsche Firma Spohn, vorm Zweiten Weltkrieg für ihre Maybach-Karosserien bekannt. Das Chassis mit 3,38 Meter Radstand und der 5,4-Liter-V8 mitsamt Automatik stammten von Cadillac. Auf der Pariser Autoschau im Oktober 1954 feierte „Die Valkyrie“ (ein Sprachgemisch aus dem deutschen bestimmten weiblichen Artikel und dem englischen Wort für Walküre) Premiere. Heinz-Ulrich Wieselmann, Chefredakteur von Das Auto, Motor und Sport, fällte seinerzeit ein eindeutiges Urteil über das Ausstellungsstück: „Der junge Farina stand ganz betreten davor, ging dann kopfschüttelnd weiter. Die Walküre, leider nicht mehr ungeschehen zu machen, war Deutschlands Beitrag zum Kontingent der Spezialkarosserien auf dem Pariser Salon.“ Ähnlich sahen es wohl auch andere, denn aus der von Metzenbaum erträumten 100er-Serie wurde nichts, nur zwei Exemplare wurden gebaut. Einen der beiden Wagen schenkte Stevens seiner Frau. Weitere exaltierte Entwürfe des Designers folgten: 1955 der Gaylord Gladiator, 1959 die Scimitar-Prototypen. Seriöser gerieten der Studebaker Gran Tursimo Hawk oder der Jeep Wagoneer.