Meilensteine

Vor 40 Jahren: Das Auto, das Volvo rettete

Hochgeladenes Bild Als 1982 der erste 760 erschien, sollen sich manche Betrachter der Legende nach an den runden Rädern gestört haben...

Der Volvo 740/760 ist alltagtauglich, praktisch und (fast) unzerstörbar. Klar, dass der große Teil des Bestands längst seinen Wee in Liebhaberhände gefunden hat. Ob trotz oder wegen seines Designs? Urteilen Sie selbst...

Volvo selbst bezeichnet den 1982 erstmals gebauten 760 heute als Retter-Fahrzeug. Zwar hat sich der schwedische Autobauer durch die Ölkrise manövriert, doch qualitative Probleme beim 240 und finanzielle Schwierigkeiten setzten dem Konzern zu. Der Fabrikstandort in Torslanda erwies sich als zu teuer und Stand einem profitablen Export im Weg. Eine Generation kleinerer Autos war bereits in Planung, doch es fiel schwer, vorherzusehen, wonach die Autokäufer der frühen Achtizgern sich tatsächlich sehnten – ein Bestseller musste her, und der erste Schuss dafür gleich sitzen.

Hochgeladenes Bild Kult-Klotz: Volvo-Chefdesigner Jan Wilsgaard schuf 1982 den eckigsten aller Göteborger Pkw

Die Markterforschung gab die Richtung für den 760 vor: Verbrauchsarm sollte er sein, zuverlässig und wartungsfreundlich. Fahrleistung und Design standen zunächst hinten an. Passend dazu erschien ein Auto, das konsequent auf alle lieblichen Rundungen verzichtete: Eckigkeit bis zum Exzess. Und dennoch war es gerade jene Linienführung, die das Markenbild lange prägte.

Schon bald nach der Premiere erhielt das neue Sechszylinder-Spitzenmodell aus Göteborg den Spitznamen "Swedish Brick" – schwedischer Backstein. Die Amerikaner tauften den Wagen so, und bei ihnen verkaufte er sich auch von Anbeginn prächtig. In Europa war die Kundschaft vom üppig motorisierten Container auf Rädern indes nicht so begeistert und hielt zunächst der alternden 200er-Baureihe die Treue.

Hochgeladenes Bild Der Vierzylinder-Kombi war in Deutschland ein Bestseller, im Ausland war die Limousine häufiger. Späte Ausführungen sahen fast wie die Nachfolgemodelle 940/960 aus

Erst 1984 änderte sich dies, als der 740 mit Vierzylinder-Motor erschien. Fortan stießen sich auch die Europäer nicht mehr an den Ecken und Kanten des Siebenhunderters, der bald darauf auch als Kombi erschien. Der Volvo-Bestseller, der in überarbeiteter Form als 940/960 (ab 1992) bis Ende der neunziger Jahre weiterleben sollte, war der letzte Hecktriebler des Hauses. Heute sind frühe Exemplare rar und selbst späte Siebenhunderter befinden sich schon überwiegend in der Hand von Fans.

So geht es oft: Wer in seiner Jugend nicht schön war, kann im Alter umso mehr aufblühen! Der kantige Skandinavier hat sich auf dem Weg vom Verbrauchsgut zum Liebhaberfahrzeug auf die Überholspur begeben.

Hochgeladenes Bild Keine Überraschung: Auch der Innenraum folgt dem Designprinzip der heiligen Vierkantigkeit

"Irreparabel ist an diesen Autos eigentlich nichts", erklärte uns Volvo-Experte Uwe Amthauer schon in unserer Kaufberatung in OLDTIMER MARKT 8/2008, in der wir den Schwachstellen der Baureihe auf den Grund gehen wollten. So steht der Volvo 740 für eine ganze Fahrzeuggeneration der (späten) achtziger Jahre, die durch beste Verarbeitung, überschaubare Elektronik und geregelte Katalysatoren zeitgemäße Fahrleistungen und erschwinglichen Unterhalt bietet. Auch der Winterbetrieb muss bei entsprechender Blechpflege nicht reuen.

Klar, das kastenförmige Design des großen Göteborgers muss man mögen. Aber das fällt vierzig Jahre später nicht schwer, denn der kantige Wagen prägte das bis heute gültige Markenbild der Schweden, das gern mit dem Slogan eines Schokoladenherstellers umrissen wird: Quadratisch, praktisch, gut. Und den zu Tode genutzten Begriff "Kult" darf man in Anbetracht der kompromisslos zur Schau gestellten Kantigkeit des von Jan Wilsgaard geschaffenen Blechkleids ausnahmsweise straffrei anwenden.

Hochgeladenes Bild Für das Coupé 780 hat Bertone die klare Linienführung attraktiv proportioniert. Offiziell gab es das 780 Coupé nicht in Deutschland, doch schon in den Achtzigern wurden einige importiert