Revolutionär, aber zu schwer für schwere Zeiten...
- 27. Oktober 2021
- Red. OLDTIMER MARKT
Herbst 1931: Das hellgelbe Sportcabrio vom Typ 670 verlieh dem Horch-Stand ein eigenes Gravitationsfeld und zog die Besucher des Pariser Salons in seinen Bann. Unter der aufgeschlagenen Haube leuchtete in Chrom und glänzendem Schwarz das technische Meisterwerk des neuen Konstrukteurs Fritz Fiedler: ein sechs Liter großer Zwölfzylinder-V-Motor, der bei 3000 U/min 120 Pferdestärken auf die schwingungsgedämpfte Kurbelwelle wuchtete. Im Gegensatz zu Horchs Reihenachtzylinder hatte der V12 zwar keine im Kopf hängenden, sondern seitlich stehende Ventile, dennoch geizte der Motor nicht mit technischen Finessen: Über Düsen wurden die Zylinderwände nach Einschalten des Anlassers noch vor dem ersten Verbrennungstakt mit Spritzöl geschmiert. Zwischen Ventilen und Nockenwellen lagen ölgefüllte Ausgleichskolben – vermutlich die ersten Hydrostößel der Automobilgeschichte.
Die Kurbelwellen wurden mit einem neuen Verfahren, dem Nitrieren, gehärtet, deren Lager mit Diamant-Werkzeugen auf fünf tausendstel Millimeter genau bearbeitet, andere Bauteile poliert. All das diente zwei Zielen: höchster Haltbarkeit und Laufruhe. So prüften Kontrolleure in schallisolierten Abhörkabinen die Laufgeräusche der Differentiale und Achsen. Eine ganz pragmatische Neuerung war der integrierte Wagenheber, der das Fahrzeug im Pannenfall hydraulisch anheben konnte.
So war der "Horch 12" durchaus ein innovativer Technologieträger – nur eins war der 2,3 Tonnen schwere Wagen nicht: das richtige Auto für die Weltwirtschaftskrise. Lediglich 81 Stück verließen bis 1935 das Zwickauer Werk, das da längst seine Eigenständigkeit verloren hatte und mit DKW, Audi und Wanderer zur Auto Union verschmolzen worden war.
90 Jahre später sind noch vier überlebende Zwölfzylinder bekannt. Eines davon, ein gelbes Sportcabrio, entfaltet sein Gravitationsfeld heute im Audi-Museum in Ingolstadt, ein weiteres steht im ZeitHaus der Wolfsburger Autostadt.
Foto: AutoStadt