Paul Frère – Sieger auf Teilzeit
- 25. Juni 2020
- Gregor Schulz
Heute vor 60 Jahren gewann ein ganz besonderer Mann die 24 Stunden von Le Mans und beendete anschließend seine Karriere: Paul Frère (1917-2008), der rennfahrende Journalist.
Der technikinteressierte Frère, studierter Wirtschaftsingenieur, begann unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg über Autos zu schreiben und Rennen zu fahren. Ab Mitte der fünfziger Jahre konzentrierte er sich immer mehr aufs Schreiben, obwohl seine Qualitäten als Pilot außer Frage standen. 1956 war er eigentlich als Berichterstatter zum belgischen Grand Prix nach Spa gereist. Ferrari hatte ein Auto übrig, bot es Frère an und der wurde prompt Zweiter – heute unvorstellbar.
Seine große Liebe galt den 24 Stunden von Le Mans, insgesamt acht Mal war er bei dieser harten Prüfung für Mensch und Maschine am Start. 1960 bat er Enzo Ferrari um ein Cockpit. Würde sich sein Lebenstraum vom Sieg an der Sarthe erfüllen, würde er seine Rennfahrerkarriere auf Teilzeit endgültig beenden. Der Ferrari 250 TR/60 mit Fantuzzi-Karosserie war für dieses Vorhaben das vielversprechendste Auto am Start. Der Commendatore willigte ein, Partner war Frères Landsmann Olivier Gendebien.
Der Plan gelang: Die beiden Belgier gewannen das teils verregnete Rennen, nachdem die beiden anderen, vielversprechender besetzten Ferrari bereits in der Frühphase des Rennens ausgefallen waren – die Scuderia Ferrari hatte sich mit dem Spritverbrauch verkalkuliert. Auch die von den amerikanischen Privatteams Camoradi und Cunningham an den Start gebrachten Maserati und Jaguar fielen aus, Vorjahressieger Aston Martin konnte nicht mehr mithalten. So ganz konnte Paul Frère das Rennfahrern anschließend aber doch nicht sein lassen, allerdings beschränkte er sich später darauf, seriennahe Autos im Renneinsatz zu testen.
Den 24 Stunden blieb er als Berichterstatter bis zu seinem Tod treu. Seit 2008 erinnerte für mehrere Jahre eine Messingplakette im Pressezentrum an Paul Frère. Sie war an dem Schreibtisch angebraucht, an dem er stets seinen Stammplatz hatte. Bei einer Renovierung vor einigen Jahren verschwand sie.