Klassentreffen
- 05. Juni 2023
- Dirk Ramackers
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Erlaubt nur auf Privatgrund: Die junge Frau hat den A-1-Führerschein für 125er bis 15 PS. Die viel langsamere 175er DKW darf sie aufgrund des zu großen Hubraums nicht fahren
Frage: Was haben der aktuelle Moped-Roller Peugeot Tweet 50 und ein 1935er DKW-Leichtmotorrad gemeinsam? Antwort: Beide haben nicht mehr als drei Pferdestärken und laufen höchstens 45 Stundenkilometer. Was sie neben Offensichtlichem unterscheidet, ist der Hubraum – und das hat massive Konsequenzen: Die 50er-Fahrerlaubnis ist im Autoführerschein B (früher 3) enthalten, 16-Jährige benötigen die Lizenz der Klasse AM, die aktuell einen mittleren bis hohen dreistelligen Betrag kostet.
Peugeot Tweet 50: Der 50-Kubik-Motor könnte viel mehr als die für Führerscheinklasse AM erlaubten 45 km/h
Um sich hinter den DKW-Lenker zu klemmen, fordert der Gesetzgeber hingegen den kleinsten „richtigen“ Motorrad-Führerschein für Kräder der Klasse A 1 (maximal 125 Kubik, maximal 11kW (15 PS), Leistungsgewicht höchstens 0,1 kW pro Kilogramm). Die A1-Fahrerlaubnis kostet mindestens 1500, eher aber gut 2000 Euro. Für mindestens 25 Jahre alte Autofahrer wird es nicht ganz so teuer. Sofern sie seit mindestens fünf Jahren den Führerschein Klasse B oder 3 besitzen und neun Schulungsstunden à 90 Minuten ohne abschließende Prüfung absolvieren, wird ihnen das Kürzel „B196“ in die Lizenz zum Lenken eingetragen. Ist das passiert, dürfen auch sie Motorräder der Klasse A1 fahren, allerdings nur innerhalb Deutschlands.
Die ab 1934 gebaute DKW RT 100 ringt ihrem 98-Kubik-Motor mit Mühe 2,5 PS ab - mehr als 45 km/h sind damit nicht drin. Von den Leistungsdaten her müsste der 50er-Führerschein ausreichen, wenn nicht dessen Hubraumlimit wäre
Nächste Frage: Was haben eine aktuelle KTM 125 Duke und eine 1953er BMW R25/2 gemeinsam? Antwort: fast nix. Als A1-Bike schöpft die KTM die Leistungsobergrenze von 15 PS aus und beschleunigt 137 Kilogramm Eigengewicht und Fahrer auf 114 km/h. Die 142 Kilo schwere Bayerin schafft selbst bei liegendem Fahrer nur 105 km/h, zu mehr fehlt dem 12-PS-Eintopf der Dampf. Was zu der kuriosen Situation führt, dass selbst alte Fahrensleute bei gemeinsamen Touren mit ihren Sprösslingen nur deren Rücklichter sehen – den Nachwuchs legal aber nicht mit dem Oldie fahren lassen dürfen. Denn dazu muss der mindestens 18 Jahre alt und im Besitz eines „richtigen“ Motorradführerscheins sein, also dem heutigen Führerschein A oder A 2 für Motorräder bis maximal 48 PS. Kosten dafür: deutlich über 2000 Euro!
Traum vieler 16-Jähriger: Die KTM 125 Duke sieht nicht nur rasant aus, sondern ist es auch. 15 PS bei 137 Kilo reichen für 8,8 Sekunden von 0 auf 80 und 114 km/h Topspeed
Was die Beispiele zeigen: Die beabsichtigten Leistungsbeschränkungen hätte der Gesetzgeber auch ohne zusätzliche Hubraumgrenzen erreicht; an 45 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit gibt es genauso wenig zu deuteln wie an maximal 15 PS bei mindestens 110 Kilo Leergewicht. Was die Hubraumgrenzen allerdings wirkungsvoll verhindern, ist ein niedrigschwelliger Einstieg der Jugend in das Oldtimerhobby.
Beschleunigung nur in Kalendertagen messbar: Die betuliche BMW R25/2 schnauft mit 12 PS bei 145 Kilo Gewicht auf gerade mal 105 km/h - sofern der Fahrer liegt
Um diesen Missstand zu beseitigen, ergriff die starke Motorradsparte des Veteranen-Fahrzeug-Verbands (VFV) die Initiative und brachte im Parlamentskreis Automobiles Kulturgut (PAK) einen Vorschlag zu einer Gesetzesänderung ein. Demzufolge sollen „Motorfahrräder bis 98 ccm sowie pedalgestartete Motorfahrräder ohne Getriebe bis etwa Baujahr 1930 mit der 50er-Fahrerlaubnis Klasse AM gefahren werden dürfen und möglichst sogar über ein Versicherungskennzeichen zugelassen werden können.
Die Nachwuchsprobleme der Oldtimerszene sind auch den Hürden geschuldet, die junge Menschen vor allem finanziell bezwingen müssen, um die nötigen Führerscheine zu machen. Um diese 200er Zündapp fahren zu dürfen, sind über 2000 Euro fällig
Der aktuelle A1-Führerschein für 125er bis 15 PS soll nach dem Willen des VFV auf Motorräder bis 250 Kubik ausgeweitet werden, sofern diese ebenfalls maximal 15 PS und ein Leistungsgewicht von höchstens 0,1 kW pro Kilogramm aufweisen. „Dies trifft nach unserer Einschätzung auf nahezu alle klassischen Motorräder zu, die mit der bis 1954 gültigen Führerscheinklasse 4 für Autos und Motorräder bis 250 Kubik gefahren werden durften“, erklärt Heinz Kindler, VFV-Entsandter im Parlamentskreis Automobiles Kulturgut. Als Beispiele nennt der Prüfingenieur Maschinen wie „BMW R25, NSU Max, Victoria KR25, DKW RT 250 und weitere.“
In den Dienst der guten Sache gestellt: Die Veranstalter der Fahrt versprechen selbst für die ältesten Schnauferl geeignete Sträßchen entlang Nord-Ostsee-Kanal und Nordseeküste
Als Mitorganisator der „11. Internationalen Motorrad Veteranen Fahrt Norddeutschland“ vom 14. bis 17. Juli rund um Brokdorf rief Kindler zudem eine „Sonderklasse Leichtmotorräder bis 200 ccm steuer- und führerscheinfrei“ ins Leben, um auf die Initiative aufmerksam zu machen. „Außerdem geht es darum, jene gern vergessene Fahrzeuggattung in den Fokus zu stellen, mit der in Deutschland die bescheidene Massenmotorisierung begann“, betont er. Die Streckenführung auf verkehrsarmen Sträßchen entlang des Nord-Ostsee-Kanals und der Nordseeküste ist so gewählt, dass die Fahrer der Leichtmotorräder selbst dann auf ihren Spaß haben, wenn ihre Schnauferl keilriemengetrieben und klotzgebremst sind. Weitere Infos