Kommentar: Bauchgefühl statt Fakten

Gedanken zur Klimawandel-Diskussion

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Aktivisten zünden Autos an – für den Klimaschutz, versteht sich. Kippt das gesellschaftliche Klima? Und ist eine Rückkehr zur Sachlichkeit noch möglich?

"Und in Zeiten des Klimawandels ist uns allen mittlerweile klar: Wir müssen auf den Diesel verzichten und weniger Fleisch essen!" Dieser Satz, im Brustton der Überzeugung vorgetragen, diente in einem morgendlichen Hörfunkbeitrag des Regionalsenders hr1 als Einleitung ins allgegenwärtige Thema Fridays for Future. Mir wäre fast das Croissant in den Kaffee gefallen. Stickoxide und Feinstaub-Emissionen mag man dem gebeutelten Selbstzünder ja vorwerfen, aber in Sachen CO₂-Ausstoß ist er wegen seiner überragenden Effizienz der Musterknabe unter den Verbrennungsmotoren. Also was um Himmels Willen bringt eine Moderatorin dazu, solchen Unsinn zu erzählen?

Es ist die Verkettung gefühlter Fakten, die zurzeit überall um sich greift. Seit die Deutsche Umwelthilfe (DUH) den Diesel als automobile Massenvernichtungswaffe gebrandmarkt hat, glaubt jeder zu wissen, dass alles andere besser sei als der nagelnde Kostverächter. Dass die Automobilindustrie inzwischen enorme Fortschritte bei Stickoxid- und Feinstaubemissionen gemacht hat, ist kaum eine Meldung wert, während Greta Thunberg über den Atlantik gesegelt wird. Denn erstens: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Und zweitens: Unser Bauchgefühl weiß doch längst, dass der Diesel böse ist. Wer dann die nüchterne Rechnung aufmacht, dass die CO₂-Emissionen unmittelbar mit dem Kraftstoffverbrauch zusammenhängen und dass der Diesel da ziemlich gut abschneidet, weil er eben sehr wenig Kraftstoff verbraucht, bleibt ungehört.

Was das alles mit Oldtimern zu tun hat? Natürlich gibt es auch unter den Klassikern einen gewissen Diesel-Anteil, aber der ist, verglichen mit heutigen Zahlen, relativ gering. Alarmierend ist hingegen, dass mittlerweile auch Oldtimer ins Visier der Verbots-Kultur geraten. Schließlich handelt es sich ja bei den alten Stinkern auch um Dreckschleudern, die dem Klimaschutz im Wege stehen – oder? Es ist zwar nicht zu leugnen, dass Klassiker ohne Katalysator mehr Schadstoffe ausstoßen als die folgenden Fahrzeuggenerationen mit Katalysator. Nur hat das mit der CO₂-Emission und dem Klimawandel rein gar nichts zu tun. Fakt ist: Wenn etwas verbrannt wird, entsteht CO₂. Das gilt für Grillfeuer ebenso wie für den Stoffwechsel von Mensch und Tier oder Kohlekraftwerke, die derzeit noch das Gros der deutschen Stromversorgung – und damit auch der Elektromobilität – sicherstellen. Der entscheidende Faktor in Sachen Auto und Klima ist also allein der Spritverbrauch. Und der ist bei Oldtimern tendenziell niedriger als bei heutigen Fahrzeugen. Das liegt vor allem am wesentlich geringeren Gewicht der Klassiker und deren durchschnittlich kleineren Hubräumen. Wie OLDTIMER MARKT schon im Mai 2007 in einem Praxis-Test bewies, gelang es keinem der Neuwagen, die Werte seines historischen Vorgängers zu unterbieten. Ganz nebenbei haben wir es selbst bei zahmster Fahrweise nicht geschafft, die ehrgeizigen Verbrauchsangaben der Hersteller zu bestätigen.

Der größte Klima-Bonus von Oldtimern ist jedoch ihre Nachhaltigkeit. Denn bezogen auf die durchschnittliche Kilometerleistung im Laufe eines Autolebens entstehen je nach Fahrzeugklasse zwischen einem Viertel und einem Drittel der CO₂-Emissionen schon bei der Herstellung des Fahrzeugs. Ein bereits existierendes Auto ist also per se besser als eines, das noch gebaut werden muss. Diese Argumente werden vermutlich ebenso ungehört verhallen wie die objektiv vorhandenen Klima-Vorteile des modernen Diesels. Denn der eigentliche Klima-Wandel hat in den Köpfen der Menschen stattgefunden. Es reicht oft schon ein diffuses Bauchgefühl, um die Verbotskeule zu entfesseln. Wenn Emotionen die Oberhand gewinnen, müssen Fakten eben weichen. Und im Bewusstsein moralischer Überlegenheit zünden die ersten „Aktivisten“ SUVs an – alles fürs Klima, versteht sich. Oldtimerbesitzer und Dieselfahrer müssen eine sachliche Auseinandersetzung zum Thema CO₂-Ausstoß nicht fürchten. Angesichts der aufgeheizten Stimmung wird es allerdings immer fraglicher, ob eine faktenbasierte Diskussion überhaupt noch möglich ist…

Dieser Kommentar von Peter Steinfurth stammt aus OLDTIMER MARKT 11/2019.