Zündstoff

EU-Wahnsinn: Oldtimer-Führerschein demnächst erforderlich

Hochgeladenes Bild Bald häufiger im Straßenverkehrz zu sehen: 1939er Admiral mit Fahrschulschild

Klasse gemacht

Jeder zweite Neuwagen ist bereits mit einem Automatikgetriebe ausgestattet. E-Autos haben gar keine Kupplung. Beim Rückwärtsfahren piept es, bevor es knallt und irgendwann droht das autonome Fahren. Die EU spricht deshalb dem gemeinen Autofahrer die Fähigkeit ab, überhaupt noch Oldtimer bedienen zu können...

Die von Bundesverkehrs- und Mautminister Andreas Scheuer laut angedachten Erleichterungen in Bezug auf § 17 VI der Fahrerlaubnisverordnung zur vereinfachten Umschreibung von Automatikführerscheinen haben die ansonsten tief schlafenden Hunde in Brüssel geweckt: "Die vorangaloppierende Entwicklung auf dem Automarkt, höherer Bedienkomfort und die in Zukunft folgende, staatlich durchgesetzte Etablierung des E-Autos beziehungsweise das autonome Fahren führen bei uns zu der Sorge, dass es demnächst für Verkehrsteilnehmer immer schwerer werden wird, einen archaischen Oldtimer sicher zu führen", so László Anderstiering, Vorsitzender der EU-Verkehrssonderkommission Historic Drive Bureaucrazy. "Um die Gefahren, die von diesen manuell gesteuerten, antiken, ventiltickernden Zeitbomben ausgehen, auf ein vertretbares Minimum zu begrenzen, wurde bereits im vorigen Jahr eiligst die Einführung der Führerscheinklasse H einstimmig beschlossen und verabschiedet", so der überzeugte Liegeradfahrer weiter. Wer also auch nach dem 31. Juni 2020 einen Oldtimer im Straßenverkehr bewegen möchte, der muss demnach erneut eine Führerscheinausbildung antreten, selbst dann, wenn er beispielsweise 1949 auf einem Dreißiger-Jahre-Auto seine Prüfung bestanden hat. So will es das EU-Recht. Der Hammer: Um die speziellen Eigenheiten historischer Fahrzeuge kennenzulernen, müssen Fahrschulwagen zwingend aus dem Baujahreszeitraum 1886 bis 1945 stammen. "Selbst, wenn sie später nur ihren Golf II mit H-Kennzeichen bewegen wollen, ist es erforderlich, auf wirklich historischer Technik gelernt zu haben", so Anderstiering am Telefon. "Der Umgang mit Seilzugbremsen, unsynchronisierten Getrieben oder vielleicht sogar das Anlassen via Kurbel bildet eine Grundlage. Nur so ist es plausibel möglich, danach Inhabern der Führerscheinklasse H die generelle Inbetriebnahme von historischen Autos zu erlauben. Immerhin überlassen wir es aus Gründen des dünnen Angebots den Fahrschulen, welches Vorkriegsfahrzeug sie jeweils anschaffen, sodass es Abweichungen bei der technischen Ausstattung naturbedingt geben wird."

Hochgeladenes Bild Die Doppelbedienung im Spannungsfeld von betriebswirtschaftlichem Irrsinn und Originalität

Was unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Gefahrenabwehr im Verkehr vielleicht noch logisch klingt, stellt Fahrschulen vor ganz neue Herausforderungen. "Mit Vergaserautos hatten wir eigentlich bereits in den Achtzigern abgeschlossen", zuckt Frank Ockstadt, Fahrschulinhaber aus Rüsselsheim, mit den Schultern. Seit neuestem gehört ein Opel Admiral von 1939 zu seinem Fuhrpark, der ansonsten nur aus modernen Opel Insignia besteht. "Auch wenn die Zahl der Fahrschüler bisher gering ist, die den neuen Oldtimer-Führerschein erwerben wollen, so müssen wir ihn anbieten. Nicht zuletzt wegen der fast 500.000 als Oldtimer zugelassenen Pkw in Deutschland, die ja auch in Zukunft bewegt werden wollen. Klar, die meiste Zeit steht der Admiral – entweder vor der Fahrschule oder in der Werkstatt. Denn entweder ist erneut eine Kleinigkeit an der über 80 Jahre alten Technik zu reparieren, oder das Wartungsintervall von gerade einmal 2500 Kilometern ist mal wieder erreicht. Ganz zu schweigen von einer historisch korrekten Nachrüstung einer Doppelbedienung der Pedalerie vor Indienststellung."

Hochgeladenes Bild Von wegen, in der Zukunft würde das Leben immer einfacher werden: Der Führerscheinklassen-Dschungel wächst und wuchert weiter

Für Ockstadts Fahrschülerin Susanne Stopp ist die neue Verordnung nicht weniger wahnsinnig: "Unser Zweitwagen ist ein Mercedes W124, den meine Eltern schon seit den Achtzigern besitzen und der seit zwei Jahren ein H-Kennzeichen hat. Wenn mein Vater mal wieder mit unserem Alltagsauto beruflich unterwegs ist, steht nur der Mercedes in der Garage. Und wie ein Oldtimer fährt sich der 230E nun echt nicht. Ich mag Oldtimer eigentlich gar nicht, muss jetzt aber Fahrstunden auf einem Auto von 1939 absolvieren, nur, um dann ab nächstem Sommer mit einem Youngtimer fahren zu dürfen. Dabei habe ich erst vor drei Jahren den Führerschein für Pkw gemacht", so die 21-Jährige.

Händler begrüßen steigendes Interesse

Die einzige wirklich frei aufatmende Fraktion in diesem Verwaltungsdrama sind die Oldtimer-Händler. Jens Seltrecht von der Garage 11 in Hamburg erleichtert: "Vorkriegsfahrzeuge waren zuletzt echte Ladenhüter, sofern es sich nicht um Blower Bentley oder Bugatti-Rennwagen handelte. Aber seit Bekanntgabe der neuen EU-Verordnung ist das Lager leer. Sogar meine Bestände an Apollo Piccolo und Presto 9/30 PS sind restlos ausverkauft."

Hochgeladenes Bild Die neue Regelung stellt Fahrschulen vor Herausforderungen. "Mit Vergaserautos hatten wir eigentlich bereits in den Achtzigern abgeschlossen", sagt Fahrlehrer Frank Ockstadt

Doch es gibt einen interessanten Ausweg aus dem Irrsinn: "Die Führerscheinklasse H bezieht sich auf die Zulassungsart, nicht aufs Fahrzeugalter. Das bedeutet, ein regulär zugelassener Pkw dürfte ohne H-Kennzeichen ungeachtet seines Alters ganz konventionell mit der Führerscheinklasse B beziehungsweise 3 gefahren werden", erklärt Verkehrsexperte Dieter Kansiwilnich vom TÜV Deppmold. "Prüf- sowie Zulassungsstellen, die weitab von Umweltzonen liegen, bereiten sich deshalb bereits auf einen Ansturm zur Umschlüsselung und Ummeldung von Klassikern durch all jene vor, die nicht noch einmal zur Schule möchten..." (ng)

Hochgeladenes Bild Für viele eine Traumfahrt, für Susanne Stopp nur eine Pflichtveranstaltung: Fahrstunde im Oldtimer"