Dreier-Jubiläum: Wie BMW vor 30 Jahren den Glatten machte…
- 21. Dezember 2020
- Dirk Ramackers
Eine aerodynamisch angeschrägte Front mit Glasbausteinen statt der für die Marke markanten Doppelscheinwerfer. Die quaderförmigen Doppel-"Nieren" eingebettet in eine vorstehende Blechnase. Und einen windschlüpfig erhabenen Steiß, in dessen großen Blechflanken der elegante "Hofmeister-Knick" am C-Säulen-Fuß nahezu unterging: Als BMW im Oktober 1990 das Resultat des Entwicklungsauftrags 36 (E36) präsentierte, nämlich die dritte 3er-Baureihe, waren weiß-blaue Fans einigermaßen konsterniert.
Vom Winde verweht: Der dritte 3er opferte im Windkanal einen Teil der BMW-DNA wie Doppelscheinwerfer und senkrechte Front zugunsten verbesserter Aerodynamik
Wer sich dennoch für die seit November 1989 gebaute, viertürige Limousine entschied, bei dem schlug Irritation nicht selten in Verärgerung um. Denn die Frühwerke litten unter massiven Qualitätsproblemen der Karosserie, die sich in Klapper- und Windgeräuschen ebenso äußerten wie in nicht mehr zeitgemäßen Spaltmaßen. Wer vom ziegelsteinartig soliden Vorgänger E30 umgestiegen war, fühlte sich verraten.
Verlängerte Front, flachere Windschutzscheibe: Tatsächlich gibt es zwischen Coupé und Limousine blechseitig kaum Gleichteile
BMW besserte ebenso eilig wie erfolgreich nach und bohrte die Modellpalette in den kommenden Jahren konsequent aus. So erschien Anfang 1992 das zweitürige Coupé, bei dem nahezu kein Karosserieteil mit der Limousine identisch war. Im November desselben Jahres folgte das Cabrio, das sich gegen Aufpreis erstmals mit einem herausschnellenden Überrollbügel ordern ließ. 1994 schob BMW den Golf-Konkurrenten Compact nach, unter dessen um 20 Zentimeter verkürztem Heck die alte Schräglenker-Hinterachse des E30 saß, die weniger Bauraum (und damit Kofferraumvolumen) fraß als die Doppelquerlenker-Konstruktion der restlichen Baureihe. Auf den gern als "Yuppie-Laster" verspotteten Kombi namens Touring mussten Käufer bis Mitte 1995 warten.
Frischluft-Spaß für die ganze Familie: Zwei Sitzplätze im Fond machten das Cabrio auch für Eltern nicht zu großer Kinder attraktiv
Compact quer treiben: Der gekürzte E36 brachte nicht nur das aus der Nullzwo-Reihe bekannte Kürzel ti zurück, sondern als Sechszylinder mit 170 PS auch unbeschwertes Drift-Vergnügen
Noch vielfältiger als die Karosserievarianten war der Motorenreichtum, der vom anorektischen 1600er Vierzylinder mit 100 PS bis zum 2,8-Liter-Sechsender mit 193 Pferdestärken (ab 1995) reichte. Wem 7,3 Sekunden auf 100 wie eine Ewigkeit vorkamen und 236 km/h gemächlich erschienen, griff ab November 1992 zum M3 Coupé mit 286 PS starkem Hochdrehzahl-Reihensechser. Wenig später folgten M3 Cabrio und erstmals auf Wunsch auch viertürige Limousinen. Zu einsamen Höhen stieg das stets british-racing-grüne Homologationsmodell M3 GT (295 PS, 350 Stück) auf, bevor BMW der M3-Reihe im Sommer 1995 einen von drei auf 3,2 Liter vergrößerten Motor spendierte, der trotz verlängerten Hubs 7400 Umdrehungen verkraftete und dabei 321 PS an ein Sechsganggetriebe weiterreichte.
Einst Homologationsmodell, heute der begehrteste E36: Der nur 350-mal gebaute M3 GT hatte neben Spoilerwerk auch neun PS mehr unter der flachen Haube
Am südlichen Ende der Antriebspalette warteten drei Selbstzünder auf verbrauchsbewusste Vielfahrer, wobei der vierzylindrige Einstiegs-Diesel die markentypische Längsdynamik vermissen ließ, während die Sechszylinder dank 115 (325 td) bis 143 PS (325 tds mit Ladeluftkühler) adäquaten Vortrieb lieferten, sobald man die ausgeprägte Anfahrschwäche überwunden hatte.
Feinster Motorenbau: Nicht nur blieben den Vierventil-Sechszylindern der M-Reihe Einzeldrosselklappen vorbehalten, auch BMWs Nockenwellen-Verstellung VANOS debütierte in diesem Motor
So scheibchenweise, wie er gekommen war, verabschiedete sich der dritte 3er auch wieder. Den Anfang machten Ende 1998 die Limousinen, von denen die Werke München und Regensburg über 1,5 Millionen Exemplare produziert hatten. Sechs Monate später folgten Touring und Coupé, im September 1999 schließlich das Cabrio. Insgesamt waren in neun Jahren Bauzeit knapp 2,75 Millionen Stück entstanden – über 400.000 mehr als vom ebenfalls sehr erfolgreichen Vorgänger. Dass der E36 bis heute zum Verkehrsbild zählt, sagt zudem einiges über seine Steher-Qualitäten aus, auf die wir in einer Kaufberatung in der Februar-Ausgabe der OLDTIMER MARKT näher eingehen werden.
Eiliger Vater: Bei der E36-Baureihe konnte der M3 erstmals auch als Viertürer geordert werden - und dergestalt auf der Autobahn für Verblüffung sorgen