Citroën SM – Seine Majestät oder Sado-Maso?
- 12. März 2020
- Red. OLDTIMER MARKT
Grand Complication
"Eine der schnellsten Möglichkeiten, Geschmack zu beweisen", warb Citroën für den SM. Doch schlechte Betreuung und falsch verstandene Legenden verdarben manchen Käufern schon bald den Coupé-Geschmack.
Es lief von Anfang an nicht rund: Der stromlinienförmige SM, von Citroën selbst sprachvirtuos als "viersitziges Gran Tourisme Coupé" bezeichnet, wurde am 10. März 1970 auf dem Genfer Salon im Pop-Art-Ambiente der Öffentlichkeit präsentiert. Von der ersten Stund' an litt der von allen Seiten glattflächige und schon im Stand "schnell" aussehende Wagen unter den falschen Käufern. Seit das von Robert Opron gezeichnete Coupé mit seiner Glaskuppel-Front am 26. August 1970 in den Verkauf kam, stand auch die deutsche Citroën-Filiale vor dem Problem, wem sie diesen Wagen verkaufen sollte? Und als was, bitteschön? Technisch basierte der SM, lautmalerisch mit "Sa Majeste" übersetzt, auf der berühmten DS. Vermögenderen D-Modell-Kunden des Hauses hätte man den zweitürigen SM nun anbieten können, doch das Coupé kostete mit seinem Preis von 31.620 Mark (Januar 1971) das Doppelte einer DS 21 Pallas. Die Citroën-Verkäufer mussten also eine noch betuchtere Kundschaft von ihrem Luxus-Coupé überzeugen. Doch wer von diesen dann einen rasanten Sportwagen erwartete, wurde ob der eineinhalb Tonnen Gewicht nicht ganz so heftig wie erhofft von den 163 PS des 2,7-Liter-V6 beim Ampelstart in die Polster gedrückt.
Der SM war wegen seiner bahnbrechenden Aerodynamik und langen Übersetzung dennoch stets ein schneller Reisewagen, in dem Fernstrecken wie im Fluge vergingen und die Höchstgeschwindigkeit von 220 km/h und mehr mühelos und ermüdungsfrei gehalten werden konnte. Von den insgesamt knapp 13.000 Einheiten des nur bis 1975 vertriebenen Zweitürers blieb fast die Hälfte im Mutterland, wo sich 5.509 Käufer für den schnellsten Fronttriebler der damaligen Zeit entschieden.
Doch die Sterne waren dem SM nicht hold: Ende 1972 wurden die drei Weber-Doppelvergaser durch eine Bosch D-Jetronic (wie in der DS seit 1970 verwendet) abgelöst. Das brachte mit 172 beziehungsweise 175 DIN-PS (hierzulande schwankten die Angaben) mehr Leistung und eine höhere Endgeschwindigkeit bei ruhigerem Lauf und besserem Startverhalten. Doch Meldungen von kapitalen Motorschäden hatten schon die Runde gemacht, und im Jahr darauf kam die Ölkrise, der Absatz leistungsstarker Wagen brach ein. Das Haus Citroën, seit 1934 zu Michelin gehörend, kam Ende 1974 schließlich in die Hand des erfolgreichen Privatunternehmens Peugeot SA. Ein Opfer dieser Übernahme wurde der SM, dessen Fertigung noch 1974 an die Sportwagenschmiede Ligier übertragen wurde und 1975 ganz auslief. Auch das legendäre Haus Maserati passte nun nicht mehr in die "Löwen-Pläne" und wurde im selben Jahr an De Tomaso verkauft.
"Wer Anfang der Siebziger mit seinem SM beim freundlichen Enten-Händler seines Vertrauens auf den Hof rollte, konnte nicht mehr erwarten als einen Ölwechsel. Die haben meist nur die Haube geöffnet und geguckt, ob der Motor noch drin ist."
Volker Hammes, Citroën-SM-Experte, in OLDTIMER MARKT 12/2007
Neben dem Injection-Motor (ab September 1972) gab es nur eine weitere nennenswerte Modellentwicklung in der SM-Geschichte: Für den nordamerikanischen Markt, der nach dem dort üblichen Automatikgetriebe verlangte, wurde ab Oktober 1972 eine auf knapp drei Liter Hubraum vergrößerte Version angeboten mit dem gleichen Motor, der auch den Maserati Merak beflügelte. Ab 1971 hatten sich die Motorpannen gehäuft, doch die vom Werk aus wohl überlegten "Updates" wurden in Deutschland oft nicht ausgeführt. So hatte der SM bereits Mitte der siebziger Jahre seinen Nimbus als Sorgenkind weg.
Wer heute einen gut erhaltenen SM kaufen möchte, sollte mit Kosten in Höhe von 45.000 Euro und mehr rechnen – erhält dafür aber auch eines der mutigsten und spannendsten Couopés der Automobilgeschichte. Zum fünfzigsten Geburtstag widmen wir dem Citroën SM gemeinsam mit dem gleichaltrigen Konzernbruder GS in OLDTIMER MARKT 5/2020 (erscheint am 30. April 2020) ein großes Fahrzeugporträt im Zeichen des Doppelwinkels. Wer bis dahin nicht warten kann, dem bieten wir außerdem bieten wir außerdem eine Kaufberatung an, damit die "Grand Complication" nicht ins Uferlose gleitet.