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Die Katastrophe, die die Motorsportwelt veränderte

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Start Le Mans 1955: Pierre Levegh (20), Lance Macklin (26)

Bremsmanöver mit Folgen

Die Katastrophe kam am 11. Juni 1955 um genau 18.26 Uhr: Gut zwei Stunden läuft das 24-Stunden-Rennen von Le Mans, als der in Führung liegende Brite Mike Hawthorn mit seinem Jaguar D-Type den Austin-Healey-Pilot Lance Macklin überrundet, plötzlich knapp vor ihm wieder einschert und stark bremsend in Richtung Box abbiegt. Macklin steigt voll in die Bremsen und zieht nach links um einen Zusammenstoss mit dem bereits über Scheibenbremsen verfügenden D-Type zu verhindern. Der von hinten mit seinem Mercedes 300 SLR herannahende Franzose Pierre Levegh kann nicht mehr ausweichen und kracht ins Heck des Austin-Healey. Dessen flach abfallende Heckpartie wirkt auf den Supersportwagen aus Untertürkheim wie eine Sprungschanze, so dass der SLR direkt abhebt und in einen Erdwall, der zum Schutz der Zuschauer aufgeschüttet war, schleudert.

Feuerball in Richtung Zuschauer

Der Einschlag ist heftig, so dass der Tank aufreißt und den Mercedes in einen Feuerball aufgehen lässt, während er sich weiter überschlägt. Teile des Autos wie Motor und Vorderachse werden herausgerissen und fliegen ebenso wie der Rennwagen in Richtung Zuschauerbereich. Dort stehen die Menschen dicht gedrängt und nah an der Strecke um möglichst viel vom Rennen mitzubekommen. Durch die umherfliegenden Trümmer sterben 82 Zuschauer, hunderte werden verletzt. Pierre Levegh stürzt aus dem Cockpit des Mercedes und erliegt noch vor Ort seinen schweren Verletzungen. Ein weiter Zuschauer stirbt beim Einschlag des Austin-Healey von Lance Macklin in die Streckenbegrenzung.

Inhaltsbild Kein Rennabbruch

Der Schock ist groß, und die Streckenposten versuchen den lichterloh brennenden 300 SLR zu löschen. Da dessen Karosserie jedoch aus einerleichten Magnesiumlegierung besteht führen die Löschversuche mit Wasser nur zu einer Verschlimmerung des Problems. Der Brand sollte letztlich einige Stunden lodern. Die Rennleitung entscheidet sich unterdessen das Rennen nicht abzubrechen, damit die Rettungskräfte einfacher ihrer Arbeit nachgehen können und nicht durch abreisende Zuschauer behindert werden. Die verbliebenen Piloten nehmen lediglich auf der Start- und Zielgeraden den Fuß vom Gas, um zwischen den Wracks hindurchzusteuern. Geschockt über die schlechten Nachrichten beschließt die Firmenleitung von Mercedes-Benz den sofortigen Rückzug aus dem Rennen.

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Das Wrack von Leveghs Mercedes-Benz 300 SLR

Der Unfallverursacher gewinnt

Bei Jaguar hingegen fühlt man sich nicht für den Unfall verantwortlich und behält die Wagen im Rennen. Mangels ernstzunehmender Gegenwehr gewinnen Mike Hawthorn und Ivor Bueb das Rennen überlegen. Wenig taktvoll lässt sich Hawthorn - der zeitlebens jegliche Verantwortung zum Unfall ablehnt - nach seinem Sieg den Champagner schmecken. Wofür er von der Presse anschließend hart kritisiert wird. Auf eine überschwängliche Siegesfeier verzichtet man jedoch angesichts der Ereignisse.

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Mike Hawthorn (links) und Ivor Bueb nach dem Sieg

Folgen bis ins Jetzt

Als Reaktion auf das Geschehene werden anschließend einige Motorsportveranstaltungen in Europa abgesagt. In der Schweiz kommt es gar zu einem Verbot für Rundstreckenrennen, das bis heute Bestand hat. Auch in punkto Sicherheitsstandards wird einiges verbessert. Die Zuschauer kommen fortan nicht mehr so nah an die Strecken, die teilweise auch zusätzlich entschärft werden. Häufig wird überdies kolportiert Mercedes-Benz zog sich Ende 1955 aufgrund der Katastrophe in Le Mans vom Motorsport zurück. Tatsächlich war der Rückzug aber schon am Anfang der Saison beschlossen worden.