Meilensteine

Zackiger Gigolo: 40 Jahre Maserati Biturbo

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Für viele Zeitgenossen war der Biturbo ein Angebot, das sie nicht ablehnen konnten - und so griffen sie zu. Doch die Euphorie währte nicht lange. Denn der Maserati per tutti laborierte an Kinderkrankheiten, die zwar kuriert wurden, aber den Ruf ruinierten. Halbgares Image, hoher Wertverlust und horrende Ersatzteilpreise ergeben nicht die besten Voraussetzungen für die Erhaltung komplexer Mechanik.

Wer über Steuern nachdenkt, ist entweder Steuerberater oder ärgert sich. So wie die Italiener, die in den Siebzigern für Automobile mit mehr als zwei Liter Hubraum 38 Prozent Mehrwertsteuer berappen sollen. Also implantieren die Sportwagenbauer schwachbrüstige Zweilitermotoren in ihre Bestseller. Als Steuersparmodelle für reife Playboys geraten Lamborghini Urraco und Maserati Merak zu Karikaturen und verkaufen sich nur mühsam. Maserati-Boss Alessandro de Tomaso plagen weitere Sorgen: Das Unternehmen leidet unter mangelnder Auslastung, antiken Fertigungsmethoden und Schwund im Kundenstamm. Hoflieferant diverser Königshäuser zu sein rentiert sich nicht in Zeiten, in denen Umstürze an der Tagesordnung sind.

Hochgeladenes Bild Die Baureihe wurde permanent modernisiert – wovon nicht zuletzt der attraktive Spyder profitierte. Rund 3100 offene Biturbo verließen das Werk

Maserati peilt das bürgerliche Lager an und entwickelt eine neue technische Basis, denn für die Massenproduktion sind die vorhandenen Komponenten untauglich. Den neuen Markenauftritt behandelt der Argentinier als Chefsache. Es ist kein Zufall, dass der im Dezember 1981 vorgestellte Biturbo weder nach einem wüsten Wind noch nach einer Rennstrecke benannt ist, sondern nach seinen beiden Abgasturboladern. Nebenbei ist der V6 auch ein Pionier der Mehrventiltechnik.

Hochgeladenes Bild Maseratis kompakter Keil brachte Alessandro de Tomasos kleines Reich wieder in die Gewinnzone - freilich nicht ohne zuvor ausgiebig an Kinderkrankheiten laboriert zu haben

Zwar rotiert über den leichtmetallenen Zylinderbänken nur je eine Nockenwelle, doch betätigen sie gleich drei Ventile pro Zylinder. 180 PS holen die zwei Lader aus zwei Litern, 255 Newtonmeter Drehmoment verdichten den Standardsprint auf sieben Sekunden. Gelobt wird die noble Innenausstattung, eine Komposition aus Samtvelours und Lederimitat, gerügt werden die harschen Lastwechselreaktionen und die rüden Trinksitten, Tribut an den antiquierten Vergaser. Sein diskreter Auftritt macht den piccolo Maserati zur Alternative für den Bänker, der sich keinen roten Merak hinstellen will. 2500 Bestellungen treffen binnen weniger Wochen ein, der Biturbo avanciert zum Symbol des neuen Selbstbewusstseins zwischen Börse und Barolo. Im Sommer 1983 legen die Modeneser nach: Zwei Ladeluftkühler kennzeichnen den 205 PS starken Biturbo S, immer noch mit Zweilitermotor, immer noch mit Doppelvergaser. Kurz darauf folgt die Exportversion, 2,5 Liter stellen 185 PS und 299 Newtonmeter bereit. Dieser Motor ist auch im neuen Viertürer zu haben, der neben mehr Platz eine neue Innenausstattung bietet.

Hochgeladenes Bild Die Innenausstattung des Maserati Biturbo ist so opulent, wie man es von einer italienischen Supersportwagenschmiede in den achtziger Jahren erwarten konnte

Edle Missoni-Stoffe oder echtes Leder und eine güldene Uhr sorgen für gediegenen Luxus. Der Biturbo wird seriös - jedenfalls beinahe. Denn Maseratis Hoffnungsträger erweist sich als unausgereift. Zwar bekommen die Techniker um Aurelio Bertocchi die Probleme in den Griff (mit der 1986 erfolgten Einführung der Einspritzmotoren und der wassergekühlten Turbolader wird der Biturbo zuverlässig), aber die Verkaufszahlen profitieren zunächst nicht von den Verbesserungen.

Hochgeladenes Bild Maseratis Dreizack ist der des römischen Gottens Neptun und geht auf die Fontana del Nettuno in Bologna zurück. Dort wurde die Firma, die seit 1926 Autos baut, im Jahr 1914 gegründet

1988 lässt Maserati den Namen Biturbo fallen und verwendet fortan Ziffernkombinationen. Vierzig Jahre später ist gehört er zu den Träumen, die auch ohne Lottogewinn wahr werden können: Gut erhaltene Exemplare im Zustand 2 liegen laut Classic-Data-Marktwertspiegel bei unter 15.000 Euro für Coupé und Limousine, für Spyder (ca. 25.000 Euro) und das Flaggschiff Karif (ca. 32.000 Euro) muss man allerdings tiefer in die Tasche greifen. Am teuersten wird der Shamal gehandelt. Der böseste aller Biturbo erhielt einen völlig neuen Vierventil-V8 und eine von Marcello Gandini modifizierte Karosserie. Marktwert heute: gut 65.000 Euro.

Hochgeladenes Bild Der böseste aller Biturbo: Der auf dem Karif basierende Shamal erhielt einen völlig neuen Vierventil-V8, die Karosserie kreierte Marcello Gandini