Youngtimer als Fallstrick für H-Kennzeichen-Regelung?
- 04. April 2024
- Jan Skibinski
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Der BMW E36 ist mit 12% Überlebensrate noch bei den Gewinnern. Cabrios und Top-Motorisierungen werden deutlich häufiger aufgehoben – die Diesel hingegen aufgefahren
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Der Nasenbär – Noch vor einigen Jahren an jeder Ecke, wurden die meisten dank ihres hohen Nutzwertes in den vergangenen 15 Jahren aufgebraucht und abgewrackt.
Inzwischen kommen immer mehr Autos der Neunziger Jahre ins H-Kennzeichen-Alter. Fast täglich sieht man noch Golf III, Audi B3 und BMW E30 im Straßenbild. Die Hersteller unternahmen im letzten Jahrzehnt vor dem neuen Jahrtausend erhebliche Anstrengungen, um ihre Fahrzeuge langlebiger zu machen, was die Überlebenschancen deutlich steigerte. Auch sind die Fahrleistungen, Komforteinrichtungen und die Gebrauchssicherheit dieser Fahrzeuge schon so weit fortgeschritten, dass ein problemloser Alltagsbetrieb auch heute noch gewährleistet ist. Die Verwendbarkeit der Fahrzeuge in Innenstädten und Umweltzonen ist zudem oft noch durchaus gewährleistet, denn in den Neunzigern waren Drei-Wege-Katalysatoren und einige Abgasreinigungssysteme durchaus bereits etabliert, und ermöglichen bei Ottomotoren häufig die grüne Plakette.
Daraus entstand nun die Sorge, dass große Bestände dieser Fahrzeuge unter dem Deckmantel des H-Kennzeichens und dem Prädikat „Automobiles Kulturgut“ als normale Alltagsfahrzeuge weiter genutzt werden könnten. Die derzeitige Regelung zum H-Kennzeichen ließe dies durchaus zu, woraufhin Stimmen laut wurden, die eine Gesetzesänderung zum H-Kennzeichen fordern, um genau dies zu verhindern.
Um Licht in dieses Dickicht zu bringen, gab der DEUVET e.V. (Bundesverband Oldtimer-Youngtimer e.V.) nun eine Bestandsanalyse in Auftrag, die aus Basis von KBA (Kraftfahrt-Bundesamt) unvoreingenommen aufzeigen sollte, ob diese Bedenken gerechtfertigt sind. Verglichen wurde der Bestand von jüngeren Old- und Youngtimern aus den Neunzigern in den Jahren 2007 und 2023.
Passat B3 und B4 scheinen mit die größten Verlierer. Von deren Bestand gingen in den letzten 15 Jahren über 95% verloren
Die Analyse kommt zu folgendem Fazit (Zitat):
• Die Selbstreinigungsmechanismen des Marktes werden – wie bei Fahrzeugen aus den 70er-und 80er-Jahren –auch bei den 90er-Jahre-Fahrzeugen greifen: nur wenige begehrte Fahrzeugmodelle behalten oder erreichen einen Marktwert, der einen langfristigen Erhalt wirtschaftlich rechtfertigt.
• Bestandszuwächse sind daher wie in den vergangenen Jahrzehnten überwiegend als Cabrio, Hochmotorisierung sowie in den oberen Fahrzeugsegmenten zu erwarten. Diese Modelle wurden und werden üblicherweise nicht als Alltagsfahrzeuge genutzt.
• Da bei diesen Modellen die Neuwagen-Stückzahlen gering waren gegenüber dem Gros der verkauften Fahrzeuge, ist auch weiterhin nicht mit einer signifikanten Nutzung von 90er-Jahre-Fahrzeugen im H-Kennzeichen-Bestand im Alltagsverkehr zu rechnen.
Auch vom Opel Vectra A existieren nurnoch geringe Mengen. Von über 300.000 Exemplaren im Jahr 2007 sind noch knapp 7.000 übrig
Dass auch der Bestand an Fahrzeugen der neunziger Jahre massiv abgenommen hat, verdeutlichen folgende Zahlen: 2007 gab es vom VW Passat B3/B4, der zwischen 1988 und 1997 verkauft wurde, einen Bestand von knapp 570.000 Fahrzeugen in Deutschland. 2023 waren davon nurnoch 12.900 Stück zugelassen. Die Überlebensrate in Prozent betrug letztes Jahr also lediglich knapp 2,3 Prozent. Diese Zahlen schwanken zwar stark, also haben beispielsweise in Prozent deutlich mehr BMW E36 und Audi A4 B5 überlebt als Passat, die 20 Prozent-Marke knacken aber nur Modelle der Oberklasse, deren absolute Verkaufszahlen im Vergleich zu Volumenmodellen marginal sind. Ausgehend von diesen Entwicklungen wird angenommen, dass sich wenige solcher Fahrzeuge in Liebhaberhänden über einen langen Zeitraum im Verkehr halten werden, und somit ihr Beitrag zur Umwelt- und Verkehrsbelastung auch in Zukunft als gering betrachtet.
Einige Stimmen in der Politik nehmen an, dass ein großer Teil der Diesel-Bestandsfahrzeuge, aufgrund ihrer nach wie vor exzellenten Eignung für den Alltag, im Straßenverkehrsbild verbleiben und somit die Verkehrswende verlangsamt und die Umwelt weiterhin belastet wird. Die Zahlen scheinen aber eine andere Sprache zu sprechen: Traut man den vorgelegten Zahlen des Deuvet e.V., so haben stark motorisierte Sport- und Oberklasse Fahrzeuge mit Ottomotor eine deutlich höhere Überlebenschance als die dieselnden Helden der Arbeit. Vom 1.7 Liter Turbodiesel Fiat Punto, hergestellt zwischen 1994 und 1998 sind seit 2007 scheinbar 99,46% den Weg alles weltlichen gegangen. Von 933 zugelassenen Fahrzeugen, sind lediglich sechs verblieben.