Vorkriegs-Van-Life

Vermutlich dürfte dieses 20 PS starke Wohnmobil auf Basis eines Ford-T-Models von 1914 weltweit das älteste seiner Art sein. Am 10. September kam es für sensationelle 63.250 Pfund, umgerechnet etwa 72.990 Euro, beim Auktionshaus Bonhams unter den Hammer – und erzielte damit mehr als das Doppelte von dem, was die Initiatoren kalkuliert hatten.

Bereits vor Ausbruch des Ersten Weltkrieg hatte ein Mitglied der Gründerfamilie der britischen Kaufhaus-Dynastie Bentall, die renommierten englischen Firmen Baico und Dunton of Reading mit dem Bau beauftragt. Fahrzeugspezialist Baico kümmerte um Verlängerung und Verstärkungen des T-Model-Fahrwerks, Dunton of Reading zimmerte die schmucke, hölzernen Wohnkabine, wie das Auktionshaus Bonhams recherchierte.

Die Ausstattung ist absolut authentisch, es gibt noch die typischen Accessoires jener Tage, kunstvolle Messinglampen, zeitgenössische Pfannen und Töpfe und sogar einen Briefkasten an der Außenwand. Die Vollholz-Konstruktion soll Experten zufolge hervorragend isolieren. Der Boden besteht aus poliertem Kiefernholz, an den Fenstern schützen grüne Samtvorhänge vor neugierigen Blicken. Hochmodernes Van-Life bietet die als Sofa nutzbare, drehbare Fahrersitzbank aus dem Cockpit.

Im eigentlichen Wohnbereich gibt es einen Herd zum Kochen und Heizen, einen Klapptisch und Holzschränke als Stauräume. Krönung sind vier Schlafplätze in einem gemütlichen Doppelstockbett im Heck. Die 1914 installierte Ford-Erstmotorisierung, ein wassergekühlter 2,9-Liter Reihenvierzylinder, soll laut Bonhams noch immer unter der vorderen Haube seinen Dienst tun. Matching Numbers also...

Doch schon in den zwanziger Jahren verliert sich die Spur des Globetrotter-Mobils. Erst Jahrzehnte später taucht es in den siebziger Jahren in Shepperton wieder auf, wird von Leo Smith und Robin Tanner restauriert, die erfreut feststellen, dass die hölzerne Wohnkabine die Jahre gut überstanden hat und fast komplett weiterverwendet werden kann. Nach vierjähriger Restaurierungszeit rollt das üppige T-Model 1976 glanzvoll und direkt mehrfach preisgekrönt beim London-Brighton-Run mit.

Ab jetzt steht der Ford im Rampenlicht, auch bei Caravan-Messen folgen nun Auftritte und Prämierung. Dennoch überraschte der Auktionserfolg auch die Profis. Sie hatten mit einem Erlös zwischen umgerechnet 23.350 und 35.000 Euro gerechnet – doch das letzte Gebot endet bei sagenhaften 72.990 Euro. Wohnmobile boomen eben... (ajo)