Rasende Aufsitz-Mäher
- 24. Juni 2025
- Jan Skibinski
Zwischen dem 20. und dem 22. Juni, also am vergangenen Wochenende, gab es im kleinen pfälzischen Dorf Sembach nahe Kaiserslautern Motorsport in klassischer Manier. Es war mal wieder Zeit für den Großen Preis von Sembach. Warum das in ein Oldtimer-Magazin gehört? Weil das Spektakel, organisiert durch den Rasentrecker Neuhemsbach e.V., wohl den großen Rennen der schwarz-weißen Vorzeit näherkommt als so mancher aktueller Hochglanz-Rennzirkus.
Das Industriegebiet eines verschlafenen Pfälzer Dorfs – ehemals war das Gelände ein Militärflughafen der Amerikaner. Der Tower und einige graue Hangars aus Beton erinnern noch daran. Am Ende der langen Straße, die einmal die Startbahn war, steht an diesem heißen Juni-Sonntag eine Staubwolke. Es ist der zweite Tag des großen Preises von Sembach, einem Rasentraktor-Rennen. In verschiedenen Klassen wird auf einer Erdpiste, gesäumt von Flatterband und einigen Heuballen echter Rennsport betrieben. Und das sehr volksnah; es ist quasi der Gegenentwurf zur Formel 1 in Monaco. Volksfestcharakter hat die Veranstaltung ohnehin: Der Eintritt ist frei, es gibt Eis, eine Ausstellung klassischer Lastwagen, Wurst, Fritten mit Mayo, eine Hüpfburg, und, pfalztypisch, natürlich Wein im halben Liter.
Mit Le-Mans-Start beginnt "das Prototypen-Endurance-Race". Anschnallen können sich die Fahrer auf ihren Mähern ohnehin nicht
Beim Näherkommen hört man das Knallen wenig gedämpfter, träger Einzylindermotoren, deren ursprünglicher Zweck das Rasenmähen war. Die „technischen Daten“ der Boliden lesen sich dabei fast so wie die Werbeanzeige eines NSU-Motorfahrrades von 1901: Eine direkt angetriebene Hinterachse über einen Riemen ist gängig; das Anfahren erfolgt durch Spannen desselben. Der Fahrersattel ist das einzige gefederte Teil des Fahrzeugs, von den Reifen mal abgesehen, Pendelachsen sind aber zulässig. Motortechnisch sind die Mäher allerdings schon etwas fortschrittlicher, denn mit Schnüffelventil fährt hier niemand mehr. Hängende, oder seitlich stehende Ventile sind der gängige Standard So hoppeln sie mit Handgas über die Piste, mühen sich, die Hände am Lenkrad zu halten, während es im Drift oder Sprung um die engen Kehren und Schikanen des ca. 800 Meter langen Kurses geht.
Nachdem Damen- und Herrenklassen mit unterschiedlich arg frisierten Aufsitzmähern in Sprintrennen um Plätze fuhren, folgt mit dem 90 Minuten „Endurance-Race“ der Prototypenklasse der krönende Abschluss. Richtig echt mit Le-Mans-Start, Boxengasse, Reparaturen am Wegesrand und Fahrerwechsel. Wem also im nächsten Jahr die Karten für die 24 Stunden von Le Mans oder Spa, oder für das 1000km Rennen am Nürburgring zu teuer sind, und er oder sie dazu gerne noch guten Wein gegenüber Bier aus Plastikbechern bevorzugt, dem legen wir einen Besuch des Großen Preises von Sembach ans Herz.