Porsche Boxster: Beginn einer neuen Ära in Zuffenhausen
- 14. September 2021
- Red. OLDTIMER MARKT
Porsche-Retter
Ein Strategiewechsel soll Porsche in den neunziger Jahren aus der finanziellen Schieflage führen. Erstes Modell der neuen Zeitrechnung war der Boxster, dessen Verkaufsstart nun ein Vierteljahrhundert zurückliegt
Anfang der Neunziger hängt Porsche finanziell am Fliegenfänger. Ein schwacher Dollar hat die Zuffenhausener Sportwagen auf dem wichtigen US-Markt brutal verteuert und die Verkäufe einbrechen lassen: Im Geschäftsjahr 1991/92 verkauft das Unternehmen gerade mal 23.000 Fahrzeuge – und legt bei jedem im Schnitt 10.500 Mark drauf. Gesamtverlust: 240 Millionen Mark.
Das Platzangebot für die Insassen ist Roadster-typisch knapp, aber ausreichend. Die Sitze bieten guten Seitenhalt. Das Leder-Interieur gab es nur gegen Aufpreis
Der Strategiewechsel kommt 1993 mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden Wendelin Wiedeking und lautet kurz gesagt: Programmstraffung und -erneuerung, weg von der Manufakturmethode hin zu moderner Großserienfertigung und eine möglichst hohe Anzahl von Gleichteilen zwischen den künftigen Baureihen.
Zum Tragen kommen soll die neue Marschrichtung erstmals beim Einsteigermodell Boxster, dessen Studie Porsche im Januar 1993 auf der Detroit Motor Show einem begeisterten Publikum gezeigt hat. Der offene Mittelmotor-Zweisitzer zitiert technisch den legendären 550Spyder und wörtlich den berühmten Speedster, der die zweite Silbe des Namens beisteuert.
10.000 Bestellungen sollen bei Porsche binnen weniger Wochen nach Präsentation eingegangen sein, die das Werk ab 1996 mit Anlaufen der Boxster-Produktion abarbeitet. Für die ungewohnte Massenfertigung haben sich die Stuttgarter im Vorfeld Unterstützung bei den Großmeistern der Großserie geholt: Toyota.
Der Mittelmotor-Sportler war der erste Vertreter mit dem neuen Wasserboxer: ein Sechszylinder mit 24 hängenden Ventilen, die von je zwei verstellbaren, kettengetriebenen obenliegenden Nockenwellen über Hydrostößel betätigt werden, siebenfach gelagerte Kurbelwelle und Bosch Motronic
Der Boxster ist der erste Vertreter mit Porsches neuem Wasserboxer, der außer dem Stichmaß (Zylinderabstand) von 118 mm nichts mehr mit den Luftgekühlten gemeinsam hat. Lean production, schlanke Produktion auch hier: Die Ingenieure haben die Zahl der Bauteile von 480 auf 408 reduziert – trotz Vierventiltechnik! Anfangs 2,5 Liter groß, stockt Porsche die Basismotorisierung 1999 auf 2,7 Liter auf und lanciert zudem den Boxster S mit 3,2 Litern und Sechsganggetriebe, während ansonsten fünf Gänge serviert werden oder auf Wunsch die ebenfalls fünfstufige Automatik "Tiptronic", im Volksmund als "Tippse" verspöttelt.
Drei Runduhren drängen sich überlappend im Cockpit. Der Drehzahlmesser thront an zentraler Stelle und macht den sportlichen Anspruch unmissverständlich klar
Mit Uusikaupunki kommt neben Stuttgart ab 1997 ein weiterer Boxster-Produktionsstandort dazu, fortan wird den Fahrgestellnummern der finnischen Modelle ein "U", den deutschen ein "S" vorangestellt. 2004 läuft der Ur-Boxster aus, den Schlussakkord bildet die auf 1953 Stück limitierte Sonderserie "50 Jahre 550 Spyder". Binnen knapp acht Jahren hat der Typ 986 es auf 109.000 Exemplare gebracht und Porsche vom Übernahmekandidaten zu einem der profitabelsten Hersteller der Welt gemacht.
Ersteres sorgt heute für ein breites Angebot an Gebrauchten, die oft schon für vierstellige Beträge zu haben sind. Zweiteres führt dazu, dass man die Gebrauchten intensiv unter die Lupe nehmen sollte, da Profitabilität und Qualität miteinander korrelieren. Unsere Kaufberatung in OLDTIMER MARKT 8/2016 hilft Ihnen, gut erhaltene Modelle zu erkennen. (dr)
Nicht völlig problemlos: Der kompakte dohc-Boxer ist clever konstruiert, weist aber auch echte konstruktive Mängel auf