Gregor Schulz

Plätzetausch an der Spitze – Favoriten der Redaktion

Hochgeladenes Bild

Kindheitserinnerungen und Autoträume

In OLDTIMER MARKT 10/2020 küren wir die Top 100 der wichtigsten Autos aus Deutschland. Um so objektiv wie möglich zu bleiben, errechnet sich die Platzierung der Fahrzeuge aus deren Abschneiden in verschiedenen Kategorien, von Verkaufszahlen bis Design. Doch die Wichtigkeit eines Autos lässt sich nicht immer nur objektiv bewerten, nicht immer lässt sich die Leidenschaft für eine Blechkiste mit Zahlenwerk erklären. Deshalb verraten Ihnen die MARKT-Redakteure hier, welche ihre ganze persönlichen Favoriten sind.

Lesen Sie hier die Favoriten von Gregor Schulz

Hochgeladenes Bild

10. Adler Favorit

Dieses Auto prägte im wahren Wortsinn mein Bild vom Oldtimer. Es hing eingerahmt in der Wohnung meiner Eltern, in einem Nebenzimmer, in dem vor allem ererbte Möbel der Vorkriegszeit standen. Es zeigt einen Adler Favorit, das erste Auto in meiner Familie. Mein Urgroßvater, Bäckermeister in Bernburg an der Saale, gönnte sich den ochsenblutroten Vierzylinder 1929. Meine Oma erzählte mir von Ausflügen in den Harz, bei denen sie als Kind auf der ausklappbaren dritten Sitzreihe im Fond gesessen hatte. Automobilhistorisch ist der Adler interessant, weil er zu den ersten deutschen Serienwagen mit Ganzstahlkarosserie zählt. Die Aufbauten fertigte damals Ambi-Budd in Berlin. Ich begriff übrigens erst später, dass alte Autos auch anders aussehen können, als die Sechsfenster-Limousine.

Hochgeladenes Bild

9. Bugatti T13/T15

Als sich Ettore Bugatti 1909 in Molsheim bei Straßburg niederließ, um Autos unter eigenem Namen zu bauen, gehörte das Reichsland Elsass-Lothringen zum Deutschen Kaiserreich. Das nur als Erklärung, weshalb ein Bugatti in meiner Liste auftaucht. Für eine Geschichte zum 100-jährigen Gründungsjubiläum vertraute mir der Besitzer eines der ältesten Bugatti in Deutschland, eines T15 von 1913, das Auto für eine Fotofahrt an (der T15 war der große Bruder des bekannteren T13 mit 2,4 statt zwei Meter Radstand). Eine kleine Runde mit großen Folgen – für mich. Ich war von dem kleinen Sportwagen so begeistert, dass in mir ein gewisses Habenwollen aufkam. Da ein Bugatti natürlich außerhalb meines finanziellen Rahmens lag, entsann ich mich des „Bugatti des kleinen Mannes“ – der Marke Amilcar. Drei Jahre später kaufte ich den günstigsten, den in finden konnte, einen 5 CV oder Amilcar C von 1933, aus einer nordfranzösischen Scheune heraus. An ihm restauriere ich seit nunmehr acht Jahren herum. Dem einen oder anderen Leser mag das Auto (der Teile davon) in verschiedenen Technikgeschichten aufgefallen sein. Den Plan, ihn zum 100-jährigen Amilcar-Jubiläum 2021 fertig zu haben, habe ich längst begraben.

Hochgeladenes Bild

8. Porsche 908

Das Erfolgsgeheimnis des Porsche 908 erschloss sich mir erst ein paar Jahre, nachdem mir Willi Kauhsen sein Auto in Spa-Francorchamps anvertraut hatte. In Goodwood unterhielt ich mich mit Vic Elford, wie Kauhsen damals Werksfahrer für Porsche. Der Porsche 917 wäre eine Bestie, beherrschbar eigentlich nur von Profis, erklärte mir Elford aus eigener Erfahrung. Der 908 sei dagegen ein Rennwagen, mit dem jeder auf Anhieb schnell fahren könne – gutmütig und leicht beherrschbar. Kein Wunder, dass manche Exemplare bis weit in die Achtziger von Amateurrennfahrern eingesetzt wurden. Während der Plauderei mit dem Briten wurde mir schlagartig klar, warum ich nach sechs Runden Spa das Gefühl hatte, mich sofort bei den 24 Stunden von Le Mans anmelden zu können...

Hochgeladenes Bild

7. Schlörwagen "Göttinger Ei"

"Es gibt Formen, die man nicht verbessern kann". Mit diesem Slogan warb VW in den Sechzigern für den Käfer und zeigte als Anzeigenmotiv ein Ei. Das wahre Ei auf vier Rädern entstand 1938 zeitgleich mit den ersten seriennahen Volkswagen etwa 115 Kilometer südlich von Wolfsburg in Göttingen. Der Schlörwagen, auch „Göttinger Ei“ genannt, gehört bis heute zum Aerodynamischsten, was je auf unseren Straßen unterwegs war, denn er hat einen cw-Wert von nur 0,15. Als Basis diente Ingenieur Karl Schlör an der Aerodynamischen Versuchsanstalt Göttingen das Fahrgestell eines Mercedes-Benz 170 H mit Heckmotor. Ein besonderer Clou ist die Mittellenkung – ähnlich wie über 50 Jahre später im McLaren F1. Warum hat eigentlich noch niemand den Wagen nachgebaut, dessen Spur sich in den späten Vierzigern verliert? Inzwischen werden doch alle möglichen verschollenen Raritäten rekonstruiert. Ein 170 H als Teileträger sollte doch zu bekommen sein. Vielleicht sollte ich ein Crowdfunding anstoßen?

Hochgeladenes Bild

6. Josef Ganz' Maikäfer

Dieses Auto steht ziemlich weit oben auf meiner Wunschliste der Autos, die ich einmal fahren möchte, und das nicht erst, seit ich bewegte Fahraufnahmen davon aus den Dreißigern gesehen habe. Die Geschichte von Konstrukteur und Auto-Schreiber Josef Ganz (hier hinter dem Steuer) ist ebenso spannend wie faszinierend, und ganz zweifellos ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein gewisser Ferdinand Porsche zumindest in Ganz’ Richtung schielte, als der den Volkswagen konstruierte. Inzwischen habe ich mit dem Besitzer des Einzelstücks Kontakt aufgenommen und mit etwas Glück geht mein Wunsch in Erfüllung. Der Besitzer muss sich übrigens keine Sorgen machen: Ich werde brav auf der Straße bleiben und von Lkw Abstand halten – anders als Josef Ganz selbst in besagtem Film. Der Maikäfer wird im nächsten Jahr schließlich 90 Jahre alt.

Hochgeladenes Bild

5. Porsche 959

Vor ein paar Jahren nannte ich den Porsche 959 in einer Titelgeschichte "den wahren Hausfrauen-Porsche". Keineswegs möchte ich mir auf die Fahne schreiben, Erfinder dieser Formulierung zu sein, auch wenn ich sie vorher nirgendwo gelesen hatte. Doch nach einem Tag mit dem 959, den mir das Porsche Museum zu treuen Händen überlassen hatte (übrigens einen von nur 29 gebauten 959 S mit 515 PS und 335 km/h Spitze) kam ich zu diesem Schluss. Das Auto ist unglaublich leicht zu bedienen und vermittelt zumindest den Eindruck ungeheurer Sicherheit – Eigenschaften, die italienische Autos aus dieser Zeit mit vergleichbaren Fahrleistungen eher vermissen lassen. Mein Porsche 924 ist bei viel niedrigerem Tempo bei weitem nicht so leicht zu fahren, wie der 959. Und dabei wird doch der VW-motorisierte 924 seit jeher als Hausfrauen-Porsche verfemt, was – nebenbei bemerkt – inzwischen nicht einmal mehr gendergerecht ist. Was der 959 alles kann, hat mich angesichts seines Baujahrs beeindruckt. Schlicht und einfach.

Hochgeladenes Bild

4. Mercedes-Simplex

"Am deutschen Wesen mag die Welt genesen" – eine Zeile des Dichters Emanuel Geibel, die im Wilhelminischen Deutschland sehr beliebt war und oft fälschlich Kaiser Wilhelm II. zugeschrieben wird. Warum schreibe ich das? Kein anderes Automobil hinterließ weltweit einen solchen Nachhall wie der Mercedes-Simplex, der 1902, also während der Regierungszeit des letzten Deutschen Kaisers, erschien. Der Simplex vereinte viele Innovationen: längs eingebauter Vierzylinder-Reihenmotor vorn, Wabenkühler vor dem Motor, Hinterradantrieb, schrägstehende Lenksäule, Pedalbetätigung der Kupplung in Kombination mit einem Wechselgetriebe, dazu ein Leiterrahmen aus Stahl, in dem der Antrieb für damalige Verhältnisse tief eingebaut war. Binnen kürzester Zeit wurde dieses von Wilhelm Maybach erdachte Prinzip, so Autos zu bauen, weltweit kopiert. Das deutsche Wesen – genauer gesagt der Erfindungsreichtum eines württembergischen Konstrukteurs – hat die Welt zumindest mobil gemacht.

Hochgeladenes Bild

3. Opel Patentmotorwagen "System Lutzmann"

Tschuck-tschuck-tschuck-tschuck-tschuck. So ähnlich klingt der liegende Einzylinder im Opel Patentmotorwagen "System Lutzman"– nicht nur im Leerlauf. Als 1899 erste Prototypen dieses Autos entstanden, war sein Konstruktionsprinzip eigentlich schon veraltet. Andernorts gab es schon Frontmotoren und Kardanantrieb, beim Lutzmann stellte noch ein Lederriemen die Verbindung zwischen Motor und Getriebe her. Trotz seiner einfachen Technik legte der Lutzmann den Grundstein zur bald größten Automobilfabrik Deutschlands. Heute gehört Opel zu den ältesten Automarken, die überlebt haben, auch wenn die Selbstständigkeit längst verloren ging. Mit dem 1900 gebauten Auto aus der Rüsselsheimer Werkssammlung bestritt ich 2011 den London-Brighton-Run für Autos bis Baujahr 1904 – ein unvergessliches Erlebnis und die Bestätigung, dass Autos nicht schnell sein müssen, um Spaß zu machen, denn der Lutzmann läuft höchstens 35 km/h. Die Faszination rührt von der Einfachheit und von der Andersartigkeit der Bedienung her, die so anders ist, als man es von späteren Autos gewöhnt ist.

Hochgeladenes Bild

2. Mercedes-Benz 300 SL

Ich gebe zu, dass ich damals das Bburago-Modell im Maßstab 1:18 hatte. Und ich kann mich genau daran erinnern, wie ich als Kind die ersten 300 SL in natura sah – sowohl an den Roadster als auch an den Flügeltürer. Hätte es damals bereits ein H-Kennzeichen gegeben, beide Autos wären noch zu jung dafür gewesen, doch der 300 SL war angesichts seiner Seltenheit und Raffinesse bereits im fortgeschrittenen Gebrauchtwagenalter ein gesuchtes Liebhaberstück. Später widmete ich dem 300 SL kaum Aufmerksamkeit. Zu viel Klischee, zu viel Brimborium und natürlich viel zu viele Stellen vor dem Komma, um zum Kaufen in Frage zu kommen. Und dann das Gerücht von der gefährlichen Pendelachse, die schnelles Fahren quasi unmöglich machen würde. Dann hatte ich 2017 und 2018 das große Vergnügen, bei der Mille Miglia 300 SL aus der Werkssammlung fahren zu dürfen. Seitdem steht der Flügeltürer ganz oben auf meiner Liste der teutonischen Traumwagen – Rennwagen einmal ausgeklammert – auch wenn er dort bleiben wird, denn längst ist eine Stelle vor dem Komma dazu gekommen.

Hochgeladenes Bild

1. VW 1200 Export "Käfer"

Seit 28 Jahren habe ich den Führerschein, 22 davon besitze ich einen Käfer. Seit ich denken kann, gehört ein Käfer zur Familie. Erst der meiner Oma, dann der meiner Mutter, und schließlich der Zweitwagen meines Vaters, der sich 1985 einen der letzten zinngrauen Jubiläumskäfer in die Garage stellte. Meine ersten Fahrerfahrungen sammelte ich auf einem Käfer, im gleichen Wald, in dem bereits mein Vater 30 Jahre vorher illegale Fahrten unternahm – mit einem Kübelwagen. Ich gehöre zur letzten Generation derer, für die der Käfer ein billiges Verbrauchsauto war, eine Alternative zum gebrauchten Polo oder Golf. Günstig in Anschaffung und Unterhalt. Auffahren und wegwerfen. Allerdings kann ich von mir behaupten, keinen Käfer auf dem Gewissen zu haben, im Gegensatz zu Mitschülern in der Oberstufe. Vielleicht fällt es mir deshalb bis heute immer noch schwer, den Käfer als Oldtimer zu akzeptieren. Da die meisten das inzwischen anders sehen, ist das einst so gute Preis-Leistungs-Verhältnis etwas aus den Fugen geraten. Dafür ist man mit einem Käfer heute überall gut angezogen – individuell und doch unauffällig im Alltag und akzeptiert bei Klassik-Events auch neben Hochkarätern. Der Käfer ist wieder so klassenlos wie einst. Meine optischen Favoriten sind übrigens die "Dickholmer" der Jahrgänge 1959 bis 1962, bereits mit der großen Heckscheibe aber noch mit der kleinen Nummernschildbeleuchtung, geschlüsseltem Zweispeichenlenkrad und – ganz wichtig – Wolfsburg-Wappen auf der Kofferraumhaube. Nie war der Käfer ästhetischer wie in diesen Jahren.

Ihre Meinung ist gefragt!

Für unsere Jubiläumsausgabe haben wir stundenlang Listen gepaukt und diskutiert – herausgekommen ist eine spannende, manchmal überraschende, aber auf jeden Fall umfangreiche Liste. Doch was meinen Sie? Nennen Sie uns hier Ihre persönlichen Favoriten!