Meinung

Müsst Ihr denn alles nachmachen?

Vor exakt 60 Jahren startete bei MZ in Zschopau die Kleinserien-Fertigung der MZ ES 125/G(5). Fast alle der für den Geländeeinsatz produzierten Maschinen gingen in den Export. Vor allem in die UdSSR und nach Finland, wurden dort in Grund und Boden gefahren und verschwanden. Heute werden es freilich wieder mehr…

Die MZ-Lehrwerkstatt war mit im Boot, als es darum ging, die wackere MZ ES 125 für Feldwege und leichteres Gelände fit zu machen. Neben Verstärkungen am Rahmen, einem neuen Heckrahmen, einem 21-Zoll-Vorderrad, einer dafür entsprechend geänderten vorderen Schwinge sowie einem leicht hochgelegten Auspuff gab es viele kleine Detailverbesserungen. Obwohl im Werk ausgeführt, hatte die Mehrzahl der Umbaumaßnahmen tatsächlich handwerklichen Charakter oder bediente sich in den Ersatzteilregalen anderer MZ. Beides ist nicht zuletzt der Grund dafür, dass Geländesport-Fans heute mit kalkulierbarem Aufwand eine Straßen-ES-125 in eine GS-Replika verwandeln können. In OLDTIMER-PRAXIS 08/23 – ab dem 13 Juli am Kiosk – präsentieren wir ein gelungenes Beispiel für einen solchen Umbau.

Die Geländesport-Variante des ES 125 entstand mit handwerklichen Mitteln.

Wie viele ES 125/G(5) einst entstanden ist nicht hundertprozentig klar. Mal liest man von 557 gebauten Exemplaren, mal von rund 800. Noch unklarer ist, wie viele originale Maschinen überlebt haben, die sich recht gut an ihrem Fünfganggetriebe erkennen lassen, für das eigens das Motorgehäuse geändert werden musste. Eine Änderung, die für Replika-Bauherren eine kaum zu überwindende Hürde ist – sie belassen es in der Regel bei vier Gängen.

Es gibt Originalitäts-Fans, die grundsätzlich den Kopf über Repliken schütteln, für die heute nicht sein darf, was einst nicht war. Und in Zeiten, in denen ganz aktuell über nachgebaute Mercedes-300-SL-„Neuwagen“ mit alten Fahrgestellnummern diskutiert und vor Gericht verhandelt wird, stellt sich die Frage danach, wieviel „künstlerische Freiheit“ heute denn erlaubt sein darf.

Wenn die Originale verschwinden, bekommen Repliken einen Bildungsauftrag

Eine ES-125/G-Replika ist in aller Regel als solche zu erkennen, somit geht es nicht um Betrug oder Fälschung. Klar, gut gemacht hat sie ihren Preis – einen Preis, der deutlich über dem einer Serienmaschine liegt. Es steht aber dennoch nicht zu befürchten, dass demnächst keine originalen Straßen-ES-125 mehr zu finden sein werden. Vor allem aber geht es anders als bei den 300 SL nicht um „Zulassungsbetrug“, nicht um den Bau von Neufahrzeugen, die mit alten Chassisnummern an allen Zulassungsvorschriften vorbei auf die Straße gebracht werden. Hier werden alte Originale weitgehend so umgebaut, wie es einst auch das MZ-Werk und dessen Lehrwerkstatt machte.

Mal ganz davon abgesehen, dass auch seinerzeit schon Motorradfans ihre Maschinen ganz nach persönlichem Gusto umbauten – auch in der DDR gab es Chopper, Café Racer, Enduros und einiges mehr. Wenn die Originale fast oder ganz verschwunden sind, hat eine richtig gut gemachte, authentische Replika ihre ganz besondere Daseinsberechtigung. Dann ist es nämlich sie, die von dem erzählt, was einst war. Als „nachempfundene“ ES-125/G bestenfalls bei historischen Geländesportveranstaltungen. Wir freuen uns über jede die wir dabei erleben dürfen.