British Leyland

Maestro-Leistung

Maestro

Ob Chevrolets nagelneue Corvette C4, der taufrische Peugeot 205 oder auch Audis Aerodynamik-Raumwunder namens 100 Avant: Wer im Frühjahr 1983 über den Genfer Salon schlenderte, fand hier reichlich frische Ware, für die sich leicht eine rosige Zukunft ausmalen ließ. Eine weitere Weltneuheit fiel dagegen von Beginn an fast völlig durchs Raster – obwohl doch British Leyland mit dem Maestro die europäische Kompaktklasse ordentlich aufzumischen gedachte! Als Nachfolger so unglücksseliger Vorgänger wie Allegro (OLDTIMER MARKT 12/202) und Maxi konzipiert, zog der zugegeben eher konservativ gestylte Brite zunächst kaum die Blicke auf sich. Der SPIEGEL steigerte sich im Rahmen seiner Genf-Rückschau in Ausgabe 11/1983 gar zur Behauptung, Leylands neuer Anti-Golf schiebe „einen Schmerbauch wie aus der DDR-Wartburg-Produktion in Eisenach vor sich her.“

Doch wenn auch die Proportionen nicht ganz so missglückt sind wie seinerzeit kolportiert und zum Beispiel die flache Front mit den „Homofocal Halogen Headlamps“ durchaus zeitgemäß erscheint: Ein echter Konkurrent für Golf & Co. ist der Maestro außerhalb Großbritanniens nie geworden. Dabei hatte der Hatchback durchaus das Zeug zu mehr: eine hochentwickelte, verwindungssteife Fahrgastzelle, ordentliche und variable Raumaufteilung, große Fensterflächen, und nicht nur Frontantrieb mit Fahrwerksauslegung à la Golf – von VW bezog British Leyland aus Kostengründen tatsächlich auch passende Getriebe für die quer eingebauten Motoren!

Der für Kontinentaleuropäer etwas undurchsichtigen Marken-Philosophie der Briten folgend, offerierte Leyland den Hoffnungsträger sowohl als Austin wie auch als MG. Die besser ausgestatteten Versionen, speziell der noble Austin Vanden Plas und der sportliche MG 1600, kamen darüber hinaus erstmals in dieser Klasse mit lackierten Kunststoff-Schürzen daher. Als i-Tüpfelchen gab’s ein digitales Cockpit – das sogar mit einem spektakulären Sprachmodul ausgerüstet war und dem Piloten mit Ansagen wie „Fasten seat belt“ oder „Low Fuel Level“ assistieren sollte! Zumindest theoretisch.

In der Praxis erwies sich das Ganze schnell als Reinfall – genauso wie die sensiblen, offenbar mies gefertigten Schürzen, die bei niedrigen Temperaturen zu Rissen neigten. Hinzu kam, dass der energische, als GTI-Jäger auserkorene 1600er MG zwar mit zwei Weber-Doppelvergasern daherkam. Die Adaption an den Vierzylinder der R-Reihe war aber kaum mehr als eine Notlösung. Denn anders als in Sachen SU-Vergaser fehlte es schlicht an seriösem Know-how für die italienischen Gemischfabriken – mit deren Abstimmung hernach jedenfalls kaum eine Werkstatt klarkam.

Quasi auf den ersten Metern seiner Karriere geriet der Maestro insofern bereits ins Stolpern. Doch ungeachtet diverser Kuriositäten und Reinfälle warf ihn das nicht unmittelbar aus der Bahn – was wiederum für seine Qualitäten spricht. Immerhin hielt es ihn so lange auf dem britischen Markt, bis Austin Rover 1994 im Zuge des BMW-Deals die Reißleine zog.