MOTORI ALLA BOLOGNESE
- 09. August 2023
- Peter Steinfurth
Italiens größte Oldtimer-Messe zieht um: von Padua nach Bologna. Weil dort die doppelte Ausstellungsfläche zur Verfügung steht. Das Tal der Motoren hat aber auch abseits der Messe einiges zu bieten, das eine Reise wert ist.
Der alljährliche Trip nach Padua gehörte stets zu den Höhepunkten des Jahres. Wo sonst fühlt sich ein Messebesuch so sehr nach Urlaub an, wie in Italien. Da ist einerseits das südländisch-lässige Flair der Auto e Moto d’Epoca, bei der ein Streifzug durch die Hallen ein besonderer Genuss ist, wenn man ein Herz für italienische Autos und Motorräder hat. Andererseits wartet im Anschluss an die Messe die mittelalterliche Stadt mit ihren Gassen und Arkaden, dem abendlichen Getümmel und einem Aperitif auf der Piazza.
Padua wird uns fehlen, denn in diesem Jahr findet die Auto e Moto d’Epoca zum ersten Mal in Bologna statt. Grund für den Umzug war der gestiegene Platzbedarf, denn Hallen und Freigelände in Padua drohten aus allen Nähten zu platzen. In Bologna stehen nun 250.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche zur Verfügung – rund doppelt so viel wie in Padua. Außerdem ist Bologna durch den eigenen Regionalflughafen auch für Besucher aus dem Ausland besser erreichbar. Messegelände und Airport liegen hier in Taxitauglicher Distanz.
Vom 26. bis zum 29. Oktober präsentiert sich die Auto e Moto d’Epoca auf dem 250.000 Quadratmeter großen Areal der Fiera di Bologna – Rot: Autohändler, Restauratoren, Gelb: Motorräder, Motorradhändler, Grün: Ersatzteile, Modelle, Automobilia, Orange: Privatanbieter, Autos, Automobilia, Grau: Autohersteller, Clubs, Rennställe, Museen, Blau: Themenausstellungen, Veranstalter, Institutionen
In Sachen Altstadtflair kann die Hauptstadt der Region Emilia Romagna noch eins draufsetzen: Der restaurierte mittelalterliche Stadtkern ist nicht nur einer der größten Italiens, Bologna hat auch die älteste Universität der Welt und rund 80.000 Studenten sorgen für ein äußerst quirliges Nachtleben.
Essen, trinken, feiern: Studenten bestimmen dasquirlige Nachtleben Bolognas.
Bologna ist die Hauptstadt des Valle di Motori. Im Tal der Motoren reihen sich die ersten Adressen des italienischen Automobilbaus aneinander, wie an einer Perlenschnur: Ferrari, Maserati, Lamborghini und Pagani bauen hier nicht nur einige der exklusivsten Automobile der Welt, sie bieten auch Werksführungen an und sind mit äußerst sehenswerten Museen vertreten. Hinzu kommen private Sammlungen, wie die des Fußballbilder- Königs Umberto Panini, die Maserati-Fans unbedingt gesehen haben sollten. Und weil dieses Überangebot an automobiler Klassik kaum an einem Messe-Wochenende zu bewältigen ist, entschlossen wir uns zu einer Vorab-Tour durch das Tal der Motoren.
Viele kleinere Museen liegen an der Strecke. Dieses befasst sich mit Landwirtschaft.
Das passende Reisgefährt stellte uns Ruote da Sogno, der große Oldtimerhändler in Reggio Emilia: einen Lancia Appia Convertibile von 1959 mit Vignale-Karosserie und dem typischen Prova-Kennzeichen. Unser erstes Ziel ist die legendäre Sammlung von Mario Righini, die sehr stilvoll im Castello di Panzano untergebracht ist. Massimiliano Stancaro, der Neffe des Sammlungsgründers, gibt uns – wie auch anderen Interessenten – nach vorheriger Absprache eine Führung durch das Gewölbe voller Raritäten.
Scheunen-Atmosphäre mit automobilen Schätzen: Den Alfa Romeo 8C 2300 fuhr einst Tazio Nuvolari bei der Targa Florio 1933 zum Sieg. Der Auto Avio Costruzioni 815 gilt als ältester „Ferrari“ der Welt. Am Steuer: Massimiliano Stacaro, der Neffe von Mario Righini
Besonders interessant: Der Auto Avio Costruzioni 815, der als ältester Ferrari der Welt gilt – gebaut, noch bevor Enzo Ferrari die Firma mit seinem eigenen Namen gründete. Oder: der Alfa Romeo 8C 2300 mit dem Tazio Nuvolari die Targa Florio 1933 gewann. Hinter jedem der schweren Holztore erschließt sich eine neue Welt, eine andere Ära des Automobilbaus. Massimiliano Stancaro erzählt: „Mein Onkel begann eigentlich als Schrotthändler. Es gab nach dem Zweiten Weltkrieg eine staatliche Direktive, alte Autos zu verschrotten, um das Altmetall zu verwerten. Bei vielen besonders schönen Exemplaren, brachte er es aber nicht über Herz und behielt sie einfach. Das war der Anfang der Sammlung. Dann ging es weiter mit dem Verkaufen und Tauschen seltener Ersatzteile. Die stärkste Fraktion ist eindeutig Alfa Romeo, eine Marke, für die Mario Righini von Jugend an geschwärmt hat. Es gibt aber auch Exponate, die ihn einfach durch ihre historische Bedeutung fasziniert haben, wie zum Beispiel der 1926er Isotta Fraschini 8A, der einst dem italienischen Königshaus gehörte.
Königlich: Der Isotta-Fraschini A8 trägt seine 97-jährige Patina mit Würde
Die Limousine hat im Fond eine Drucktasten- Fernsteuerung, mit der König Vittorio Emanuele III dem Fahrer signalisieren konnte, ob dieser nach links oder rechts, schneller oder langsamer fahren sollte. Eine direkte Kommunikation war offensichtlich nicht vorgesehen…“
Nur 100 Meter vom Castello di Panzano entfernt findet sich die Trattoria da Bollo, die für eine andere Spezialität der Region bekannt ist: Tagliatelle Bolognese. Das traditionelle Ragout hat nur wenig mit dem gemeinsam, was in Deutschland als Bolognese-Soße verkauft wird, und wer einmal das Original gekostet hat, wird es hierzulande schmerzlich vermissen. Dazu trinkt man vorzugsweise gekühlten Lambrusco,den es hier in einem Dutzend Variationen gibt. Apropos essen: In Bologna wurden auch die Tortellini erfunden, die entweder in Hühnerbrühe (Brodo) oder in Sahnesoße serviert werden. In der Altstadt gibt es einige Restaurants, in denen man fleißigen Händen bei der Zubereitung der gefüllten Teigkringel zusehen kann, die sich dann wenige Minuten später auf dem Teller wiederfinden.
Insider-Tipp: Die Trattoria da Bollo serviert Tagliatelle Bolognese nach Originalrezept
Abseits der Museen laden die nördlichen Ausläufer des Apennin auf kurvigen Landstraßen zu sportlicher Fahrweise ein, wobei sich der Engwinkel-VMotor der offenen Appia mit nur 1100 Kubik erstaunlich gut behauptet. Denn wir wollen hinauf zur malerischen Abtei von Monteveglio, die einen grandiosen Panorama-Ausblick über die sanften Hügel des Umlandes bietet. Die Ursprünge der Abtei reichen zurück ins Jahr 1092, und Historiker finden in den Annalen der benachbarten Burg ein ständiges Auf und Ab von Belagerungen und Machtgeplänkel zwischen Klerus und Adel.
Fahrspaß auch mit 1100 Kubik: Die offene Appia überzeugt mit sportlicher Straßenlage.
Ein weiterer Höhepunkt der Spritztour – und zwar im wahren Sinne des Wortes – ist der Passo della Futa, Drehund Angelpunkt der historischen Mille Miglia. Das Restaurant auf der Passhöhe ist seit fünf Generationen im Besitz der Familie Poletti und der Küchenchef verweist stolz auf seinen offenen Grill aus dem Jahr 1890: „Der war auch schon in Betrieb, als Tazio Nuvolari hier vorbeikam – leider hatte er nie Zeit für einen Imbiss“, scherzt Claudio Poletti. In der Schankstube hängen Schwarzweißfotos der berühmtesten Fahrer aus der goldenen Ära der 1000 Meilen.
Das „nationale“ Motorradmuseum im Badeort Rimini hat sich keineswegs nur auf italienische Zweiräder spezialisiert. Es zeigt, teilweise dicht gedrängt, eine bunte Mischung von Renn- und Rekordfahrzeugen bis zum Vespa-Gespann.
Und wenn die aktuelle Oldtimer-Mille die Passhöhe passiert, ist der Laden bis zum letzten Platz gefüllt und auf dem Parkplatz bekommt man kaum ein Bein an die Erde. Im Restaurant treffen wir Simone Marchioni, der mit einem Lancia Aurelia B20 GT eine Probefahrt macht. Der Profi-Restaurator zeigt uns bereitwillig die Technik des berühmten Coupés mit V6-Motor und Transaxle-Antrieb und wir setzen uns uns noch zusammen auf ein Glas Chianti und eine Salsiccia vom berühmten Grill.
Zurück in Bologna bleibt noch Zeit für ein kurzes Sightseeing-Programm. Denn natürlich muss man den Neptun-Brunnen gesehen haben, auf dem der Meeresgott den berühmten Dreizack in der Hand hält, der später zum Markenzeichen von Maserati wurde. Ebenso sehenswert: die beiden schiefen Türme von Bologna, die Torri Gentilizie, die sich gefährlich einander zuneigen. Die benachbarte Kathedrale San Pedro wirkt von außen beinahe karg, entfaltet innen jedoch eine bombastische Pracht.
Die Abtei Monteveglio bietet einen herrlichen Rundumblick über die umgebende Hügellandschaft.
Zum Abendessen treffen wir uns mit Silvia Marini vom Messeveranstalter Intermeeting. Wir möchten wissen, wie die Umzugsplanung von Padua auf das doppelt so große Messegelände in Bologna bisher läuft. Marini: „Wir haben zunächst begonnen, einzelne Hallen und Themenbereiche zu besetzen. Es hat sich schnell gezeigt, dass wir immer wieder weitere Hallen hinzu nehmen mussten. Einige Bereiche sind schon komplett ausgebucht. Eine wesentliche Neuerung ist die große Halle für Motorradhändler.
Dafür hat es in Padua an Platz gemangelt und wir können der Zweiradszene nun einen deutlich attraktiveren Bereich anbieten. Am meisten hinzugewonnen haben aber die Präsentationsflächen für Autohändler und Restauratoren, die nun nicht mehr so verstreut sind, wie das noch in Padua der Fall war. Wie man auf dem Hallenplan sehen kann, belegt die Auto e Moto d’Epoca schon die meisten, aber noch nicht alle Pavillons des Messegeländes – das bedeutet ja vor allem, dass wir noch wachsen können!“ OLDTIMER MARKT wird vom 26. bis zum 29. Oktober wieder mit einem Stand auf Italiens größter Oldtimermesse vertreten sein. Und wenn Sie auch Lust auf einen Messe-Urlaub haben, sagen wir: Arrivederci a Bologna!
Sehenswürdigkeiten im Tal der Motororen
Modena
- Maserati: Die Marke mit Neptuns Dreizack im Logo residiert seit 80 Jahren in Modena. Werksbesichtigungen können online gebucht werden
- Museo Enzo Ferrari:Der Altbau im Mittelpunkt ist mutmaßlich das Geburtshaus von Enzo Ferrari in Modena, in dem sein Vater eine Werkstatt betrieb. Ein stylischer Neubau umrahmt das Ganze.
- Museo Ferrari: Motorsport, allem voran Formel 1, Technik und aktuelle Entwicklungen stehen im Mittelpunkt des Ferrari-Museums in Maranello. Es gibt Kombi-Tickes für beide Ferrari-Museen
- Museo Stanguellini: „Ein Schaufenster der besten Jahre des Motorsports in Modena“ will das Museum sein. Tickets unter: www.stanguellini.it.
- Museo Pagani: Einblicke in Geschichte und Fertigung der Supersportwagenschmiede: www.pagani.com/guided-tours/
- Umberto Panini Motor Meseum: Sicher eines der sehenswertesten Automobilmuseen Italiens: Die Sammlung des Fußballbildchen-Königs Umberto Panini, der einst große Teile des Maserati-Werksfundus’ kaufte.
Reggio Emilia
- Piccolo Museo Moto Bariaschi: Die Massenmotorisierung zwischen 1945 und 1965 steht im Fokus dieses gar nicht so kleinen Motorradmuseums. Informationen unter: www.piccolomuseodellamoto.it
- Ruote da Sogno: Räder zum Träumen gibt es im Showroom dieses großen Händlers – seien es zwei oder vier. Die Ausstellung wechselt naturgemäß, ist aber immer sehenwert. Näheres unter: www.ruotedasogno.com
Region Bologna
- Automobili Lamborghini: Das Werksmuseum in Sant’Agata Bolognese bietet nicht nur eine Zeitreise durch 60 Jahr Automobilbau, es gibt auch Werksbesichtigungen, die im Museum starten. Wer sich vor allem für die aktuellen Supersportwagen vom Huracán Performante bis zum Aventador SVJ interessiert, ist hier richtig. Ein Fahrsimulator ermöglicht ein interaktives virtuelles Erleben der ausgestellten Fahrzeuge. Weitere Informationen unter:www.lamborghini.com/de-en/museum#val-tab
- Museo Ferruccio Lamborghini: Wie der Name schon vermuten lässt, konzentriert sich dieses Museum auf Leben und Werk des Firmengründers. Dazu gehören auch die bekannten Traktoren. Näheres unter: www.museolamborghini.com
- Collezione Bruno Nigelli: Über 100 Motorräder von 84 Herstellern umfasst diese bemerkenswerte Sammlung.
- Collezione Pasquale Mest: Italjet ist das bestimmende Thema der Privatsammlung des früheren Werks-Kurators. Weitere Informationen unter www.motorvalley.it.
- Ducati: Neben der großen Ausstellung bietet das Werksmuseum auch Führungen durch die Produktion an: www.ducati.com.
- Collezione Moto Poggi: Es muss nicht immer italienisch sein: Hier geht es vor allem um Rennmaschinen von Yamaha: www.collezionemotopoggi.com
- Collezione Battilani: Der Schwerpunkt dieser Motorradschauliegt zwischen 1900 und 1945, reicht aber bis in die 2000er Jahre.
- Collezione Pollini: Anhand von Automobilia, Modellen und Werbung zeichnet Giovanni Pollini ein Bild der italienischen Auto-Kultur.
Forli – Cesenna
- Museo Automobile Bandini: Kleines, aber feines Familienmuseum mit allen Rennwagen, die Bandini jemals gebaut hat.
- Collezione Guzzi Brunelli: Weit mehr als nur Moto Guzzi zeigt dieses Zweiradmuseum. Mehr unter: www.collezioneguzzibrunelli.it
Ravenna
- Collezione Vespa Mauro Pascoli: Vespa-Teilehändler Mauro Pascoli betreibt in Ravenna auch ein kleines Museum. Weitere Infos unter www.mauropascoli.it
Ferara
- Museo Moto Glorie Italiane: Die Glorie Italiens manifestiert sich hier vor allem in Geländemaschinen und Rollern. Weitere Informationen unter www.motorvalley.it
Rimini
- Museo Nazionale del Motociclo: Das „nationale“ Motorradmuseum im Badeort Rimini hat sich keineswegs nur auf italienische Zweiräder spezialisiert. Es zeigt, teilweise dicht gedrängt, eine bunte Mischung von Renn- und Rekordfahrzeugen bis zum Vespa-Gespann. www.museomotociclo.it