Jubiläum

Jaguar E-Type: Der Jahrhundert-Sportwagen wird sechzig

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Wir schreiben das Jahr 1961. An einem Abend im März bricht ein sensationelles neues Auto von Coventry in Richtung Schweiz auf. Sein Name: Jaguar E-Type. Sein Ziel: der Genfer Salon. Sein Auftrag: die Sportwagenwelt im Sturm erobern. Ein nächtlicher Parforceritt liegt vor dem gerade fertig gewordenen Coupe mit der Zulassung 9600HP, denn am nächsten Morgen muss es am Ziel sein. Es schafft die Strecke gerade noch rechtzeitig, um grob gereinigt werden zu können, ehe der Salon die Tore öffnet. Schon am Tag darauf rät die Daily Mail dringend, Jaguar-Aktien zu kaufen...

Fachleute und Laien bewundern auf dem Genfer Salon einen schlanken, beinahe zierlichen Sportwagen mit runden Linien und einer nicht enden wollenden Motorhaube. Doch das neue Auto mit dem schlichten Namen E-Type beeindruckt keineswegs nur durch seine (in der Zeit der aufkommenden Trapezlinie umstrittene) Außenhaut. Es sind vielmehr die nüchternen Fakten, die beeindrucken. 265 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von 240 Kilometern pro Stunde versprechen die Autobauer aus Coventry. Der Motor ist zwar ein alter Bekannter aus dem XK 150, die Gesamtkonstruktion mutet aber außerordentlich modern an. Die Karosserie ist selbsttragend ausgelegt, ein verschraubter Hilfsrahmen nimmt den Motor und die aufwendig konstruierte vordere Einzelradaufhängung auf. In einer ebenfalls verschraubten Hilfsrahmenkonstruktion ist die gesamte Hinterachse mit allen Aufhängungsteilen samt Differential und innenliegenden Scheibenbremsen zusammengefaßt. Die Ferrari, die ein paar Stände weiter zu sehen sind, sind zu dieser Zeit noch mit hinteren Starrachsen unterwegs!

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Am verblüffendsten ist aber der Preis. Umgerechnet 26.000 Mark rufen die Engländer für ihr neues Auto auf. Die italienischen Sportwagenhersteller fordern für Vergleichbares das Doppelte, das Porsche-356-Cabriolet kostet rund 16.500 Mark - und bietet nominell 190 PS weniger! Bei solchen Zahlen verwundert es nicht, daß sich der E-Type vom Start weg hervorragend verkauft - einer bekannt schlechten Verarbeitung zum Trotz.

Die Evolution des E-Type

Der britische Supersportwagen erfuhr im Laufe seiner 15 Produktionsjahre eine beachtliche Evolution. Schon in frühen Tests wird das eingeschränkte Platzangebot von Coupe und Roadster bemängelt, im Juni 1962 reagieren die Konstrukteure. Eine abgeänderte Bodengruppe sorgt nun für mehr Kopf- und Fußfreiheit und einen größeren Verstellbereich der Sitze. Die Ur-Modelle werden heute mit dem Zusatz "Flat-floor" versehen und sind berüchtigt für ihr knappes Platzangebot für Personen jenseits einer Körpergröße von 175 Zentimetern. Mehr Neues tut sich zwei Jahre später. Bei gleichem Hub wird der Motor von 3,8 auf 4,2 Liter Hubraum gebracht. An der Leistungsangabe von 265 PS ändert sich nichts, nur das Drehmoment nimmt so noch einmal zu. Im Innenraum sorgen neue Sitze für mehr Komfort, und das Armaturenbrett erhält einen schwarzen Kunstlederbezug.

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Es dauert weitere zwei Jahre, ehe eine ganz neue Variante des Sportwagens in den Schauräumen steht. Eine geänderte Bodengruppe sorgt für einen 23 Zentimeter längeren Radstand. Gemeinsam mit einer steileren Frontscheibe und einer um sechs Zentimeter höheren Dachlinie wird so eine Rücksitzbank möglich. Das großzügigere Platzangebot macht dieses Modell besonders interessant für alle, die etwas größer geraten sind, und für die, die vielleicht einmal einen Kindersitz montieren wollen. Dieses 2+2-Coupe ist dann erstmals auch mit Automatikgetriebe lieferbar – ein Zugeständnis an den amerikanischen Markt.

Eine Katze für Amerika

Als Reaktion auf gesetzliche Anforderungen in den USA verschwinden im Juli 1967 die Glasabdeckungen der Scheinwerfer. Von der Serie 1,5 ist ab diesem Zeitpunkt die Rede. Im Oktober 1968 kommt schließlich die Ablösung in Form der Serie 2. Die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale: eine größere Kühleröffnung in der Motorhaube, größere Rück- und Bremsleuchten und eine flacher angestellte Windschutzscheibe beim 2+2-Coupe. Das Gravierendste hatte sich unter der Motorhaube der US-Modelle getan. Mit anderer Vergaserbestückung und neuer Abgasrückführung hat die einst stolze Raubkatze allenfalls noch das Temperament eines kastrierten Stubenkaters. Seit den letzten Autos der Serie 1,5 leistete der US-E-Type nur noch 170 PS. Über die solcherart gestutzten Krallen konnte auch die ab 1971 als Extra lieferbare Servolenkung nicht hinwegtrösten.

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In dieser Form war der "E" dann auch jenseits des Atlantik, auf seinem wichtigsten Markt, kaum noch konkurrenzfähig. Die Autobauer in Coventry wagten die Flucht nach vorn und lancierten die Serie 3. Äußerlich an einer breiteren Spur, breiteren Rädern und noch einmal größerem Lufteinlaß einfach zu erkennen, fand sich die eigentliche Sensation unter der Haube. Dort fand sich ein aus dem Motor des Rennprototyp XJ 13 weiterentwickelter V 12-Motor, der in Sachen Laufkultur und Leistungsabgabe erneut Maßstäbe setzte. Das zweisitzige Coupe war nun nicht mehr lieferbar, und auch der Roadster wurde mit langem Radstand gebaut, was dem Fahrverhalten einiges seiner ursprünglichen Spontanität raubte.

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Innenbelüftete Scheibenbremsen und Servolenkungen waren Standard – 20 Liter Benzinverbrauch auch. Angesichts der nahenden ersten Ölkrise nicht ganz zeitgemäß möchte man meinen, und wirklich: 1975 endet die Fertigung des Jaguar E-Type nach 72.507 Exemplaren. Ein passend zum Anlaß schwarz lackierter Roadster markierte den Endpunkt eines epochalen Sportwagens.

Hohe Marktwertsteigerung

Und heute? Die Preise sind für Cabrios am höchsten. Top-Autos kratzen mittlerweile an der 200.000-Euro-Grenze. Den günstigsten Einstieg bietet der Serie 3 Roadster: Fahrbereite Exemplare notieren laut Classic Data unter 40.000 Euro (Zustandsnote 3). Gerade im Mutterland des Jaguar und jenseits des großen Teichs versuchten sich ganze Murkser-Generationen an der Verschlimmbesserung des E-Type. Solche Jugendsünden gehen richtig ins Geld, weshalb der bessere Wagen meist der bessere Kauf ist. Vorsicht also bei einer ausgiebigen Probefahrt: Die macht süchtig – und nicht nur, weil man sich dabei ein wenig wie in geheimer Mission fühlen darf.


Mehr zum Jaguar E-Type

  • In BRITISH CLASSICS 3/2012 deckt Experte Hermann-Josef Adams Schwachstellen des E-Type auf und erklärt, worauf beim Kauf zu achten ist.

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