Eine für immer
- 21. September 2023
- Red. OLDTIMER MARKT
Stößchen! Dirk Ramackers feiert den 70. Geburtstag seiner BMW R25/2
Alles Gute zum Geburtstag, altes Mädchen! Mannomann, 70 Jahre alt bist du jetzt, das ist schon was! Und mehr als die Hälfte davon sind wir schon zusammen, nämlich 36 Jahre! Dass wir mal Smaragdhochzeit feiern würden, hätte sich der 18-jährige Spund 1987 auch nicht träumen lassen…
Erstzugelassen wurde die BMW am 19.9.1953, wiederzugelassen ist sie seit Mitte 1987 – ununterbrochen
Tatsächlich warst du damals ja eher eine Notlösung. Eine „große“ BMW mit 27 PS konnte ich mir als Führerscheinneuling nicht leisten, und so kamst du ins Spiel. Gefallen hast du mir allerdings auf Anhieb! John Irving hatte Motorräder wie dich in meinem Lieblingsbuch „Lasst die Bären los!“ wunderbar beschrieben: „Es war ein altes, barbarisch aussehendes Motorrad ohne sanfte Konturen und ausgefüllte Zwischenräume; zwischen seinen Einzelbestandteilen gab es Spielräume, eine Lücke, wo ein Wirrkopf vielleicht versucht hätte, einen Werkzeugkasten unterzubringen…“
Ein Bild aus frühen Tagen. Damals hockte der Schüler Ramackers in jeder freien Minute auf dem Einzylinder (und öfter auch dann, wenn er besser gelernt hätte)
1100 Mark hast du als nahezu kompletter, aber halb zerlegter Teileträger gekostet. Beim Zusammenbau konnte man sehen, dass du ein Mädchen mit Vergangenheit warst. Dein Rückgrat hatte mal jemand mit einer Kette und einem Wagenheber grob gerichtet, dein Motor war mindestens schon der dritte und auch nicht mehr taufrisch, wie ich nach endlosen Scherereien mit den Halbgöttern des TÜV und der schließlich doch erfolgreichen Zulassung feststellte. Aber ein Übermaßkolben später war auch dein unmäßiger Öldurst abgestellt.
Der erste feste Job Anfang der Neunziger. Die Wochenend-Pendelei zwischen Mannheim und Rheinland machte die R25 klaglos mit, hier am Rhein bei Worms
Und dann sind wir nur noch gefahren, in jeder freien Minute und bei jedem Wetter. An meinem eher mäßigen Abitur-Durchschnitt hattest du erheblichen Anteil, geschenkt. Als ich dann flügge wurde, ging es auf dir in die Welt: zur Bundeswehr in den tiefsten Westerwald, zur Ausbildung nach Köln, dann zum ersten festen Job nach Mannheim. Die 230 Kilometer am Rhein entlang sind wir oft sonntagsnachts gependelt, weil du dich mit deinen zwölf PS zunehmend schwer tatst, im Verkehr auf Bundes- und Fernstraßen mitzuschwimmen. Weswegen wir auf Spaß- und Urlaubstouren kleine und kleinste Landstraßen nutzten.
Querverkehr: Ihren Status als Ganzjahresfahrzeug hat die BMW bis heute, bei Schnee ist sie dank tiefen Schwerpunkts und niedrigen Gewichts erste Wahl
Dabei sind wir gut herumgekommen: ganz Deutschland, Benelux, Österreich, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Slowenien, Griechenland… Und nur zweimal hast du mich nicht heimgebracht. Einmal unverschuldet aus dem Elsass, das andere Mal aus dem Badischen, als wieder mal die chinesische Zündspule abgeraucht war. Keine schlechte Bilanz für geschätzt sicher 200.000 Kilometer; genau lässt sich das nicht sagen, weil dein Zählwerk schon vor vielen Monden die Arbeit einstellte.
Auch auf dem Stilfser Joch war sie schon, anlässlich unserer Alpenreportage in OLDTIMER MARKT 3/2010
Klar musstest du dir den Stall irgendwann mit anderen teilen, aber die kamen und gingen, während du bliebst. Abgemeldet warst du nie, nicht nur im Wortsinn. Und als Familie und Hausbau die Prioritäten verschoben und du oft monatelang nicht gefahren wurdest, reichten maximal drei Tritte, um dich zu bollerndem Leben zu erwecken mit diesem tief entspannten Ruhepuls, den dir deine sieben Kilo schwere Schwungscheibe beschert.
Entspannung pur: Es gibt kaum etwas Schöneres, als mit dem dumpf bollernden Einzylinder über kleinste Straßen wie hier in Griechenland...
Diese Zuverlässigkeit ist Resultat deiner unglaublichen Qualität. Nichts an dir ist billig oder schlecht gemacht, fast alles aus Metall in solider Dimension und höchster Materialgüte. Die blank gescheuerten hinteren Ecken deines Tanks setzen auch nach drei Monaten in der feuchten Scheune keinen Rost an, nicht mal oberflächlich. Und als wir wegen eines Montagefehlers von mir mal deinen Rahmen schweißen mussten, war der Schlosser begeistert von der Legierung deiner Rahmenrohre. Zweimal habe ich deinen Motor machen lassen, erst neulich brauchte das Getriebe erstmals neue Lager, dein Endantrieb war bei mir noch nie offen. 1987, als mir 18-Jährigem das Leben noch endlos schien, hätte ich niemals geglaubt, dass man mit ein und demselben Motorrad bis in die Kiste fahren kann.
...oder den Julischen Alpen Sloweniens zu streunen. Nur zweimal kam die BMW nicht aus eigener Kraft heim
Genau so wird es kommen. Denn auch nach all der Zeit und den vielen Kilometern bekomme ich sofort gute Laune, wenn ich mit dir lostuckere. Deshalb warst du nicht nur mein erstes, sondern wirst auch mein letztes Motorrad sein. Auf die nächsten 36 Jahre, mein Mädchen.