Die Tolle Kiste wird 40 – und droht zu verschwinden
- 27. Februar 2020
- Red. OLDTIMER MARKT
Einst war der Fiat Panda als Kulturfolger des Menschen in weiten Teilen Europas heimisch. Heute schwindet sein Bestand rasch.
Bären-Dienst
Zu gern würde man Giorgetto Giugiaro in den Kopf gucken in jenem Frühjahr 1976, als er mit dem Entwurf des Tipo Zero begann, eines potenziellen Nachfolgers für den Fiat 126. Zu diesem Zeitpunkt war der Meister schon 17 Jahre im Geschäft und schaffte es trotzdem, Bekanntes und Bewährtes vollständig beiseite zu schieben und ein dermaßen radikal vereinfachtes Auto zu Papier zu bringen, dass selbst den massenmotorisierungserprobten Managern in Turin die Spucke wegblieb. Das Tonmodell des Zero war wie mit der Maurerkelle geformt: plane Scheiben und Flächen allenthalben, minimale Wölbungen und Sicken nur da, wo sie aus Stabilitätsgründen unvermeidbar waren.
1983 kam der 4x4, der sich bis heute großer Beliebtheit erfreut. Die Marbella getaufte Variante von Seat kam 1985 und basierte auf dem Ur-Panda
Innen setzte sich der Minimalismus fort. Die wenigen Bedieninstrumente waren in einem brotkastenartigen Instrumententrägers zusammengefasst, der Rest bestand quasi aus Hängematten. Wie das aus Stoff zu einer Rinne geformte, offene Handschuhfach. Wie die Sitze aus mit Stoff bespannten Rohrrahmen. Oder jene Matte zwischen zwei Rohren, die sich an verschiedenen Punkten einhängen ließ und so wahlweise eine Rückbank, eine Babyschale oder eine Matratze (zusammen mit den Frontsitzen) bildete. Mit zwei Handgriffen entnommen, passte das Teil noch in die kleinste römische Mansardenwohnung und machte den Fond des Autos für Kühlschränke und derlei Sperrgut frei. Perfektion als die Unmöglichkeit, noch mehr weglassen zu können – hier war sie zweifellos erreicht!
Gegen die trockene Sachlichkeit des Panda wirken selbst Ikonen des Pragmatismus wie der Renault 4 verspielt.
OLDTIMER-MARKT-Autor Stefan Heins in Ausgabe 1/2007
1980 stand der maximalsachliche Zero bei den Händlern, bizarrerweise unter dem plüschigen Modellnamen Panda, und die Leute rissen sich um "die tolle Kiste". Der Slogan stammte wie die dazugehörige, bald preisgekrönte Werbekampagne von der Agentur Michael Conrad&Leo Burnett. Vielleicht war auch sie ein Grund, dass der Panda bei aller Nüchternheit reihenweise Herzen brach, oft sogar zweimal: beim Kauf und spätestens beim zweiten TÜV-Termin. Denn anders als in der Werbung behauptet, enthielt er keineswegs "mehr Konservierungsstoffe als eine deutsche Currywurst"; die Selbstversiegelung durch Ölverlust der betagten ohv-Motoren reichte selten bis in den rostrelevanten Schweller- und Heckbereich.
Die oft freche Werbekampagne des Panda kam Mitte der Achtziger gut an
Die Problemzonen beseitigte Fiat mit dem 1986er Facelift nachhaltig, spendierte dem Panda neben Konservierungsstoffen auch neue ohc-Motoren, die in Turin komplett von Robotern gefertigt wurden, worauf das Wörtchen FIRE (Fully Integrated Robotized Engine) stolz hinwies. Mit der Modellpflege ging freilich auch der Verlust der charmanten Hängematten-Architektur einher, es gab innen "richtige" Sitzmöbel und außen Kunststoff-Wucherungen inklusive eines Allerwelts-Kühlergrills.
'Schieb’ mir mal den Aschenbecher rüber' – im Panda kein Problem, das Plastikschälchen ist auf der Ablageschiene stufenlos verstellbar
Retten Sie einen Panda
Im heutigen Umfeld gestalterischen Brustgetrommels wirkt die Nüchternheit des Panda wie eine Wohltat. Bescheidener Auftritt und nutzoptimiertes Konzept passen zudem perfekt in unsere Zeit und nehmen hysterischem Auto-Bashing jeglichen Wind aus den Segeln. Aber nicht deshalb raten wir: Retten Sie einen Panda! Der wahre Grund ist: Er macht einfach höllisch viel Spaß.
Dazu haben wir in unserer Kaufberatung ganz genau hingesehen! Wo die Schwachstellen der kantigen Kiste liegen und wie Sie dennoch glücklicher Panda-Retter werden steht in OLDTIMER MARKT 2/2020.