Interview mit dem EU-Parlamentarier Bernd Lange

"Die Stimmung wird Oldtimer-kritischer"

E-Mobilität, Altautoverordnung, Bleiverbot und mehr – in jüngster Zeit sorgt die EU in der Altautoszene vermehrt für Schlagzeilen. Wir sprachen mit dem langjährigen Europa-Parlamentarier und Oldtimerfan Bernd Lange über die Hintergründe


Oldtimer-Markt: Wie oft musste der EU-Parlamentarier Bernd Lange schon gegen die Interessen des Oldtimerfahrers Bernd Lange abstimmen, Stichwort Transformation, die im Fall ihrer Umsetzung auch eine Bedrohung für Klassiker mit Verbrennungsmotoren darstellt?
Bernd Lange: Noch gar nicht. Mit der von mir gegründeten Arbeitsgruppe für historische Fahrzeuge, kurz HVG, haben wir schon früh versucht, den Gesetzgebungsprozess zu begleiten und Probleme bereits in dieser Phase anzugehen. So konnten wir bei der ersten europäischen Altautoverordnung eine Ausnahme für Oldtimer erwirken und damit auch die erste Definition dieser Fahrzeuge im Gesetz etablieren. Das hat uns dann auch später geholfen, etwa 2014 bei der Verordnung zur periodischen Fahrzeugüberwachnung und auch aktuell wieder bei der Neufassung der Altautoverordnung.

Oldtimer-Markt: Danke für das Stichwort. Zuletzt haben die Pläne des EU-Parlaments zu dieser Neufassung der EU- Altautoverordnung in der Szene für viel Aufregung gesorgt. Oldtimer sind zwar explizit ausgenommen, aber manche Passagen lassen zumindest die Interpretation zu, dass Youngtimer und Gebrauchtfahrzeuge unter bestimmten Umständen zwangsweise zu Schrott erklärt werden könnten. Wie sehen Sie die Chancen, dass sich der Entwurf auf jüngere und nicht als Oldtimer zugelassene Fahrzeuge ausweiten lässt?
Bernd Lange: Die Reaktion auf den Neuentwurf war meines Erachtens over the top. Nicht zu leugnen ist aber, dass sich die Stimmung in den europäischen Gremien eher zum Ungunsten von Klassikern entwickelt hat. Entsprechend harte Diskussionen wurden um die Neufassung geführt. Ich rate daher, lieber vorsichtig zu sein und die Stimmung nicht zum Kippen zu bringen. Von daher vermute ich, dass eine Ausweitung der Ausnahmen auf Youngtimer eher nicht zustande kommen wird. Ohnehin wird die Sache nicht mehr in dieser Legislaturperiode entschieden.

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Oldtimer-Markt: Im Zuge der Diskussion über den EU-Altauto-Entwurf räumten auch Politiker wie der CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Müller ein, dass die EU-Definition des Oldtimers zu eng gefasst sei, nämlich kurz gesagt als „von historischem Interesse“, vor „mindestens 30 Jahren hergestellt oder erstzugelassen“, ferner „nicht mehr in Produktion“ und „historisch erhalten, im Originalzustand bewahrt und in den Hauptbauteilen nicht wesentlich verändert“. Wie ließe sich eine weiter gefasste Definition erarbeiten und verankern? Gäbe es dafür überhaupt eine parlamentarische Mehrheit?
Bernd Lange: Nein. Schon die heute gültige Definition zu etablieren, war ein langer Prozess. Auf Ausnahme-Tatbestände wie Oldtimer-Interessen schauen alle immer besonders kritisch, von daher sehe ich wenig Chancen, die Definition auszuweiten.

Oldtimer-Markt: Als EU-Abgeordneter erhalten Sie dieses Jahr sozusagen das H-Kennzeichen: Seit 1994 sitzen Sie mit einer kurzen Unterbrechung im Straßburger Parlament. Hat sich in den Jahren eine Gruppe Gleichgesinnter zusammengefunden, die das Hobby Oldtimer pflegt?
Bernd Lange: Absolut! Das ist ein schöner Zusammenschluss von 25 bis 30 Menschen über Partei- und Staatszugehörigkeiten hinweg! Wir treffen uns viermal im Jahr, bisweilen auch im Rahmen von Veranstaltungen. Aus diesem Zirkel rekrutieren sich zudem die Teilnehmer der HVG.

Oldtimer-Markt: Ist das Thema Oldtimer überhaupt im Bewusstsein der EU-Parlamentarier und Kommissionsmitglieder präsent? Etwa besagte HVG als europäisches Pendant zum deutschen Parlamentskreis Automobiles Kulturgut (PAK), in dem Sie ja auch Mitglied sind?
Bernd Lange: Es war jedenfalls nicht präsent, bis die HVG die Oldtimer-Definition etabliert hat. Die war beispielsweise maßgeblich für den Erfolg, bei Verhandlungen zum gemeinsamen europäischen Zolltarif Klassiker als Sammlungsstücke zu definieren – mit entsprechend niedrigeren Zoll- und Einfuhrumsatzsteuersätzen.

Oldtimer-Markt: Treten Institutionen wie der Oldtimer-Weltverband FIVA, Automobilclubs wie der ADAC oder Verbände wie der VDA als Interessenvertreter unseres Hobbys in Erscheinung?
Bernd Lange: Die FIVA ist als Interessenvertretung wahrnehmbar und auch Teil des HVG-Kreises. Der ADAC tritt eigentlich nur in Person von Herrn König in Erscheinung.

Oldtimer-Markt: Von außen betrachtet wirkt es, als habe die Auto-Lobby in den vergangenen Jahren stark an Einfluss verloren. Können Sie das bestätigen, und sehen Sie einen Zusammenhang zum Diesel-Skandal?
Bernd Lange: Ja, ganz klar! Ich war verantwortlich für den Entwurf der Euro-3 und -4-Richtlinie, und in der steht explizit ein Verbot von Abschaltvorrichtungen. Dann kam der Skandal, und ein Untersuchungsausschuss wurde eingesetzt. Vor dem Eklat traten die Vertreter der Autoindustrie eher fordernd auf. Inzwischen wirken sie wie Bittsteller, etwa wenn es im Zuge der Transformation um Batteriezellen geht.

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Oldtimer-Markt: Stichwort Transformation und das damit einhergehende Verbot neuer Verbrenner ab 2035: Die Stromnetze in vielen ländlichen Gegenden Ost- und Südeuropas schaffen gerade mal eine Basisversorgung und wären von E-Auto-Ladestationen überfordert. Auch Stromnetze im urbanen Raum, in dem immerhin 75 Prozent aller EU-Bürger leben, könnten einen E-Auto-Ansturm nicht bewältigen. Wie kommt es dennoch zu solchen Entscheidungen, die viele Bürger verstören?
Bernd Lange: Einspruch: Es wird ab 2035 lediglich ein Verbot für lokal erzeugtes CO2 geben…
Oldtimer-Markt: …was ja auf ein Verbrennerverbot rausläuft...
Bernd Lange: …aber die Tür für Wasserstoff-Lösungen offen lässt. Fakt ist: Wie übrigens in China und den USA auch, hat der EU-Verkehrssektor ein Problem mit steigendem statt sinkendem CO2-Ausstoß aufgrund höherer Kilometerleistungen und ständig größer werdender Autos. Da muss also was passieren, und das wird mittelfristig ohne Verbot für neu zugelassene Verbrenner nicht gehen.

Oldtimer-Markt: Eine Zulassung von mit E-Fuels betriebenen Verbrennern über 2035 hinaus hätte auch der Oldtimerszene langfristige Verfügbarkeit von Kraftstoff garantiert. Wieso hat das EU-Parlament diesbezüglich regelrecht gemauert? Wieso keine Technologie-Offenheit?
Bernd Lange: Man sollte meines Erachtens nicht eine Technologie fördern. Man kann ja E-Fuels produzieren und damit fahren. Aber warten wir doch mal ab. 2027 kommen die Beschlüsse auf den Prüfstand. Dann wird man sehen, welche Fortschritte gemacht wurden, und dann kommt auch eine Lebenszyklus-Betrachtung batterieelektrischer Fahrzeuge (BEV) hinzu, die es derzeit noch nicht gibt.

Oldtimer-Markt: Autokäufer verweigern sich dem politisch gewünschten Umstieg auf reine E-Autos, mit dem Ende der Förderung Anfang dieses Jahres ist deren Absatz eingebrochen. Sehen Sie in der Politik die Bereitschaft, dem BEV womöglich mit Zwangsmaßnahmen auf die Sprünge zu helfen, was zweifellos auch Folgen für die Oldtimerei hätte?
Bernd Lange: Nein, es wird keine Zwangsmaßnahmen geben. Der Umstieg muss organisiert werden und für die Bürger finanzierbar sein, das reicht.

Oldtimer-Markt: Ein weiteres Thema, das die Oldtimerszene und speziell die Restaurierer umtreibt, ist das Blei-Verbot im Rahmen der REACH-Verordnung, was für Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals steht. Stand heute kommt das Bleiverbot für manche Menschen einem Berufsverbot gleich.
Bernd Lange: Blei ist giftig und darf nicht unkontrolliert in die Umwelt gelangen. Und dabei geht es gar nicht um KFZ, sondern vor allem um Jagdmunition und Anglerbedarf. Grundsätzlich ist der Ansatz der EU richtig, die Schädlichkeit von Stoffen zu prüfen und deren Verbreitung gegebenenfalls zu begrenzen, anstatt nach 30 Jahren mit den Folgen zu leben. Was REACH angeht, wird es eine Revision geben, bei der es auch um Ausnahmen gehen wird und eine generelle Vereinfachung, denn aktuell ist REACH ein bürokratisches Monster.

Oldtimer-Markt: Herr Lange, wie und wann kamen Sie zur Oldtimerei, was begeistert Sie an alten Fahrzeugen? Welche Erlebnisse verbinden Sie mit ihnen?
Bernd Lange: Meine Eltern betrieben in Varel eine Tankstelle, wodurch ich schon in frühester Jugend mit Fahrzeugen in Kontakt kam. Mein erster eigener Wagen war übrigens ein Mercedes 190 SL – als Tretauto. Später streiften wir Jungs dann durch die Dörfer und zogen für 50 Mark Mopeds und Motorräder aus Scheunen, machten sie fahrbereit und verkauften sie wieder. Bei einer dieser Testfahrten hat mich mal die Polizei erwischt – ohne Zulassung, Versicherung und Führerschein! Aber der Jugendrichter war gnädig und brummte mir nur ein paar Stunden Verkehrsunterricht auf. Durch den Umzug nach Hannover begann ich mich für Hanomag zu interessieren, was zu diesem 1958er 1,3 Liter führte. Außerdem schlägt mein Herz für Motorräder. Neben einer aktuellen BMW besitze ich schon sehr lange eine der ersten R50 und eine AWO 425T mit Stoye-2-Beiwagen, die mir kurz nach der Wende angeboten wurde.

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Oldtimer-Markt: Da drängt sich die kurze Frage förmlich auf: Auto oder Motorrad – was lieben Sie mehr?
Bernd Lange: Beim Motorrad verspüre ich auch große Fahrfreude. Beim Auto ist es eher das Schrauben, das mich begeistert, die Befriedigung, Dinge mit den eigenen Händen fertigzustellen. Leider lässt mir mein Beruf mit dem Pendeln zwischen Hannover, Straßburg und Brüssel sehr wenig Zeit für mein Hobby.

Oldtimer-Markt: Herr Lange, ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Europawahl am 6. Juni.
Bernd Lange: Vielen Dank.

Interview Dirk Ramackers
Fotos Volker Rost
d.ramackers@oldtimer-markt.de