Der Schatten-Boxer
- 08. Mai 2023
- Red. OLDTIMER PRAXIS
Die Korrosions-Eskapaden seines Vorgängers sind schon legendär: Deshalb tritt der neue Alfa 33 im Frühsommer 1983 kein leichtes Erbe an. Doch der kompakte Schrägheck-Viertürer kommt an. Vor allem, weil Alfa nach wie vor auf die technisch ausgereifte Sud-Basis vertraut, deren robuste Vierzylinder-Boxer nicht nur Alfisti begeistert… So mausert sich der kantige Trentatré, dessen Kürzel auf die Tipo-33-Prototypen für den Rennsport verweist, dank unbeirrter Modellpolitik zum Erfolgstyp. Der heute gleichwohl gerne unter ferner liefen abgehakt wird
Unzählige Streiks im süditalienischen Alfa-Werk Pomigliano d‘Arco, Produktionschaos und daraus resultierende Qualitäts- und Rostprobleme, die (leider) noch lange nachhallten: Der genial konstruierte Alfasud hatte in den Siebzigern einen schweren Start – und blieb lange ein gebranntes Kind. Doch seine von Krisen gezeichnete Karriere beendete der Sud zu Beginn der Achtziger allemal würdevoll. Denn mit rund 1,01 Millionen gebauten Einheiten ist die durchweg mit Vierzylinder-Boxern ausgerüstete Baureihe bis heute Alfas Bestseller!
1983 aber ist es Zeit für den Nachfolger, der mit knapp einer Million gebauter Exemplare fast genauso erfolgreich werden sollte: Der 33, der intern als Baureihe 905 anläuft, geht als erstes Alfa-Modell mit der neuen, schlicht auf Ziffern basierenden Typenbezeichnung an den Start und zeigt ganz im Stil seiner Zeit klare Kante. Die Formensprache mit nach hinten ansteigendem Profil, das bewusst Brüche und Winkel aufweist, hat Designer Ermanno Cressoni unter dem Label La Linea bereits 1977 bei der Giulietta umgesetzt. Hier wie da nicht ganz unumstritten…
Dennoch ist der Fortschritt, insbesondere in punkto Karosseriequalität, nicht von der Hand zu weisen. Immerhin 154 Milliarden Lire (heute zirka 85 Mio. Euro…) hat der Staatskonzern in die Neuentwicklung gesteckt – und dabei besonders die verbesserte, weil automatisierte Fertigung des Stahlblechaufbaus im Blick, die in Pomigliano d‘Arco unter anderem mit Hilfe von Computerhersteller Olivetti in die Tat umgesetzt wird. Stilistisch gesehen ein Neuanfang, steckt unterm Blech weitgehend bewährte Sud-Technik. Im Prinzip übernimmt der 33 das ausgereifte Frontantriebskonzept und dazu leicht abgewandelt auch das Fahrwerk. Vorn mit MacPherson-Federbeinen, die von Querlenkern und Schubstreben geführt werden (ein Stabilisator kommt erst bei späteren Versionen hinzu). Die leichte Hinterachse ist an einer Zug- und Schubstrebe pro Seite und einem Panhardstab geführt (später sind es zwei Zugstreben und Panhardstab).
Das Beste sind aber die bissigen, tief im Bug kauernden Boxertriebwerke mit Sud-Genen. Damit steht der 33 voll und ganz in der Tradition seiner Erbauer, denn auch dieser Alfa definiert sich in erster Linie durch sein Triebwerk; da wird so mancher Fauxpas gerne übersehen… Wo bei anderen Mittelklasse-Vertretern brummige Reihenvierzylinder demütig ihren Dient tun, hört der Pilot im 33 nur allzu gerne hin. Ist doch das charakteristische Boxer-Stakkato mit der Zündfolge 1-4-3-2 unnachahmlich. Dabei sind die (hierzulande lieferbaren) Boxermotoren zunächst noch nah dran am Vorgänger und mit Hubräumen von 1,3 und 1,5 Liter nicht eben üppig bemessen. 84 PS sind zum Start das höchste der Gefühle – aber wenn die Cavalli bei knapp 6000 Touren vollzählig antreten, sind schon reichlich Emozioni im Spiel: Einmal warmgefahren, geht das kurzhubige Boxerherz mit begeisternder Spontanität zu Werke; schon sanfte Streicheleinheiten fürs schmale Gaspedal erzeugen freudige Drehzahlsprünge. Wer den Boxer in den Ring schickt, sollte aber vor allem eines haben: Einen sensiblen Gasfuß, denn ein regelmäßiges Aufwärmprogramm ist Grundvoraussetzung für langen Atem. In den Vierzylindern zirkulieren rund 4,5 Liter Öl und bis zu sieben Liter Kühlwasser – viel für so „kleine“ Motoren. Da der 33 gerade seinem etwas flinkeren und fahraktiveren Vorgänger etwas hinterherhinkt, ergänzt Alfa die Baureihe alsbald um weitere leistungsstärkere Versionen mit bis zu 105 PS, die mittels erhöhter Verdichtung und zweier Weber-Doppelvergaser erzielt werden.
Darunter ist auch das speziell auf deutsche Alfisti zugeschnittene Sondermodell 1.5 Monte Carlo Quadrifoglio Verde mit leckeren Zutaten wie Zender-Front- und Heckschürze, 15 Zoll großen Zender „Turbo“-Alurädern mit 195/50er-HR-Bereifung und Koni-Dämpfern. Allen frühen Versionen gemeinsam ist das etwas zerklüftet wirkende Cockpit, das auf den zweiten Blick jedoch clevere Details offenbart und vor allem mit dem mitschwenkenden Instrumentenkombi verblüfft, welches ähnlich wie beim Porsche 928 mit der verstellbaren Lenksäule fixiert ist!
Ende 1983 kommt bereits der 33 1.5 4x4 mit zuschaltbarem Allradantrieb und erhöhter Bodenfreiheit dazu. Und nochmals ein Jahr später ergänzt der diesmal von Pininfarina prima durchgestylte Kombi das 33-Programm, der als Giardinetta ebenso wahlweise mit Front- oder Allradantrieb erhältlich ist.
Drei Jahre nach Markteinführung erhält der 33 eine erste Überarbeitung. Der neue Jahrgang zeichnet sich durch veränderte Räder, einen neuen Kühlergrill und ein neues Armaturenbrett aus, das den Wandel der Zeit dokumentiert und klarer gezeichnet und besser bedienbar ist. Verarbeitung und Qualität des Interieurs sind in diesem Zeitraum ausgereifter – Klappern gehört beim 33 aber immer zum Handwerk!
Mittlerweile hat die Konkurrenz leistungsmäßig aufgeholt. Alfa Romeo zieht nach und stellt den 33 1.7 QV mit neuem 1.7 Liter Boxermotor mit 114 PS vor. 1988 schließlich wird der Alfa 33 nochmals überarbeitet und erhält den neu entwickelten, 105 PS starken 1.7 IE mit Bosch L-Jetronic und geregeltem Kat. Der Giardinetta heißt nun Sport Wagon. In die Neunziger geht’s schließlich mit einem grundlegenden Facelift, bei dem die 33 das Kürzel 907 erhalten. Allein schon wegen ihres faszinierenden 1,7-Liter-Vierventilers ist diese Reihe jedoch ein Extra-Kapitel wert…