Der Kanzler fährt Benz – Adenauers "Großer Mercedes"
- 08. Dezember 2021
- Red. OLDTIMER MARKT
"Klockner, jeben Se Jas!"
Fast 500.000 Besucher kamen zu Fuß, per Bahn oder Fahrrad nach Frankfurt zur ersten Internationalen Automobilausstellung nach dem Krieg, um sich anzuschauen, was sie sich womöglich niemals würden leisten können: den neuen Opel Kapitän, den opulenten BMW 501, vor allem aber den wortwörtlichen Star, den neuen "Großen Mercedes" vom Typ 300. Leichtmetall-Dreiliter-Sechszylinder, 115 PS, 160 km/h Spitze und ein Preis von 19.900 D-Mark waren Daten wie von einem anderen Stern zu einer Zeit, da der Wirtschaftswundermotor gerade erst losstotterte, die deutsche Durchschnitts-Lohntüte 350 Mark im Monat enthielt und Zigaretten noch einzeln gekauft wurden. Dennoch füllten sich die Auftragsbücher von Mercedes in jenen Apriltagen 1951, wer zauderte, riskierte lange Wartezeiten.
Konrad Adenauer zögerte nicht. Wenige Tage nach dem IAA-Besuch traf eine Order des Bundeskanzleramts in Stuttgart ein, und vier Wochen nach Produktionsbeginn erhielt der Kanzler am 8. Dezember vor 70 Jahren als einer der ersten seinen Mercedes. Fortan begleitete der 300 den Kanzler im Alltag ebenso wie zu Auslandsbesuchen, wo er neben den prunkvollen amerikanischen und russischen Staatskarossen bescheiden, aber selbstbewusst wirkte. Adenauer und sein Mercedes wurden ein Stück DNA der noch jungen Republik.
Neben dem Repräsentieren ging es dem "Alten" ums Rasen. "Jeben Se Jas", wies er Fahrer Willy Klockner so oft an, dass der Spruch im Politbetrieb zum geflügelten Wort wurde. Auch zum Schnellfahren war der 300 einsame Spitze, dem BMW 501 ging bei 135 km/h die Luft aus. Es war also nicht die Sache mit dem Hut, der Adenauer beim Besteigen des BMW angeblich vom Kopf fiel und ihn zum Mercedes greifen ließ. Der 501, erklärte Klockner Jahre später, habe nie zur Debatte gestanden.
Auch heute gibt es einen Kanzler-Benz
Wie die meisten seiner Vorgänger wird der Regierungschef auch 2021 in einem Mercedes chauffiert. Die Staatskarosse von Olaf Scholz, der exakt siebzig Jahre nach der Übergabe des Adenauer-Benz als Bundeskanzler vereidigt wurde, kommt trotz ihrer 4,2 Tonnen Leergewicht flott vom Fleck – 600 PS unter der Haube machen es möglich. Die gepanzerte Karosserie macht das Auto schwer, hält aber auch dem Beschuss durch Sturmgewehre stand. Ausgestattet mit viel Luxus im Innenraum kostet der Mercedes-Benz S 680 Guard rund 550.000 Euro.
Im Vergleich: Oben der Adenauer-Benz, unten die S-Klasse, in der der neue Bundeskanzler Olaf Scholz künftig durch Berlin chauffiert wird