Der Hightech-Methusalem
- 10. November 2017
- Red. OLDTIMER MARKT
Vier Zylinder, zwei obenliegende Nockenwellen, 16 Ventile, 112 PS – was zunächst nach den Eckdaten eines beliebigen modernen Motors klingt, sind nur einige Eigenheiten des letzten überlebenden Peugeot-Rennwagens von 1913! Doch der Reihe nach: Die Geschichte des atemberaubenden Peugeot-Motors beginnt 1912. Denn in jedem Jahr gewann Georges Boillot, ein Mitglied der legendären Rennfahrertruppe "Les Charlatans" den französischen Grand Prix auf einem 7,6-Liter-Peugeot mit bereits ebenjenen vorgenannten Features. Das erstaunliche daran war seinerzeit, dass die Konkurrenz auf wesentlich großvolumigere Triebwerke setzte und man dem kleinen Peugeot dementsprechend im Vorfeld keinerlei Siegchancen eingeräumt hatte. Der Zweitplatzierte ging immerhin mit einem 14,1-Liter-Fiat an den Start.
Wegweisendes Konzept
Der Peugeot-Motor war schlicht ein Volltreffer, wegweisend und seiner Zeit weit voraus. In den folgenden Jahren verfeinerten die Peugeot-Techniker das Konzept, beispielsweise indem sie die Anzahl der Hauptlager reduzierten und die Reibung zu minimieren. Zum 1914er Grand Prix in Lyon gingen so neue, bereits im Vorjahr fertigestellte Renner an den Start, die gemäß des neuen Reglements nur noch 4,5 Liter Hubraum aufweisen durften. Drei der kompakten und leichten Rennwagen mit Trommelbremsen an allen vier Rädern (damals keine Selbstverständlichkeit) sollten den Sieg im eigenen Land sicherstellen.
Doch es kam anders. Drei Mercedes-Benz beendeten das als besten Grand Prix seiner Epoche geltende Rennen auf den ersten Plätzen, gefolgt von Jules Goux auf Peugeot L45. Die Konkurrenz hatte sich bereits die Konstruktionsprinzipien des Peugeot-Motors zu Eigen gemacht. Das hier zu sehende Fahrzeug war seinerzeit der nicht zum Einsatz gekommene Ersatzwagen. Doch während sich die Geschichte der übrigen Grand-Prix-Wagen von Peugeot weitgehend verliert, ging sie für dieses Exemplar noch weiter.
Neuer Anlauf in der neuen Welt
1916 ging Peugeot beim damals prestigeträchtigsten Autorennen, den 500 Meilen von Indianapolis an den Start. Drei Jahre zuvor konnten die Franzosen das seinerzeit höchstdotierte Autorennen schon für sich entscheiden. Zwei Werkswagen und ein privat eingesetzter L45 sollten die Trophäe auf dem "Brickyard" nach Frankreich holen. Es gewann Dario Resta auf einem der Werkswagen vor einem Duesenberg – und auf dem dritten Platz folgte Ralph Mulford mit dem privaten L45, eben jenem Ersatzwagen des Frankreich-Grand-Prix von 1914.
Anschließend ging der L45 durch mehrere Hände, ehe er 1949 für den Kaufpreis von 2500 US-Dollar beim Auto-Sammler Lindley Bothwell landete. Dieser behielt den einzigen übriggebliebenen Grand-Prix-Peugeot, ließ ihn restaurieren und stets im voll rennfähigen Zustand erhalten. Bothwell starb 1986 und seine Kollektion (in der sich unter anderem ein 1908er Benz befindet, der an der Prinz-Heinrich-Fahrt teilnahm) wird am 11. November vom Auktionshaus Bonhams auf Bothwells Ranch in Los Angeles versteigert. Der Schätzpreis für den über hundert Jahre alten Hightech-Renner liegt bei 2,6 bis 4,3 Millionen Euro.