Der Herr Mercedes
- 12. Dezember 2025
- Red. OLDTIMER MARKT
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Beim Bergrennen Nizza–La Turbie am 29. März 1901 siegte Wilhelm Werner in der Klasse der zweisitzigen Rennwagen auf dem Mercedes 35 PS
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Der tödliche Unfall seines Fahrers Wilhelm Bauer in Nizza im hochbeinigen Phönix lieferte Emil Jellinek den Anlass, von Daimler ein moderneres Auto zu fordern
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Kühler vor Motor und Getriebe, dann Hinterradantrieb. Hatte es alles schon gegeben, doch Wilhelm Maybach perfektionierte das Prinzip und senkte den Schwerpunkt
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Erfolgreicher Unternehmer und Lebemann: Der gebürtige Leipziger Emil Jellinek (1983-1918)
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Mércèdes (1889-1929) stand Patin, zunächst für das Pseudonym ihres Vater, wenn der Rennen fuhr
Wer weiß, wie die Automobilgeschichte ohne diesen ebenso polyglotten wie umtriebigen Geschäftsmann verlaufen wäre? Emil Jellinek, 1853 im sächsischen Leipzig mit mährischem k.u.k.-Hintergrund geboren, galt in seiner Jugend als schwarzes Schaf einer erfolgsverwöhnten jüdischen Familie. Er tingelte durch Europa und Nordafrika, stets auf der Suche nach neuen Geschäftsideen. Schließlich verschlug es ihn nach Nizza. An der Côte d’Azur handelte er mit Automobilen – was keineswegs so bodenständig war, wie es heute klingt, denn dieser damals noch jungen Erfindung sagten nicht alle Zeitgenossen eine große Zukunft voraus.
In Frankreich war man Ende des 19. Jahrhunderts etwas weiter als hierzulande. Das moderne Automobil mit der bis heute gängigen Anordnung von Kühler, Motor und Getriebe sowie Kardan- oder Kettenantrieb auf die angetriebenen Hinterräder war in Frankreich erfunden worden und allgemein als „Système Panhard“ bekannt. Von den deutschen Herstellern konnte am ehesten die Daimler-Motorengesellschaft mit den Franzosen mithalten – und genau deren Produkte vertrieb Emil Jellinek. Motorsport war damals ein probates Mittel der Werbung.
Am 30. März 1900 starb Rennfahrer Wilhelm Bauer, als sein hochbeiniger Daimler Phönix aus Jellineks Rennstall verunglückte. Jellinek schrieb daraufhin an Chefkonstrukteur Wilhelm Maybach und drängte darauf, ein Auto nach den modernen Prinzipien zu bauen – allerdings mit einem entsprechend langen und breiten Fahrgestell, um einen niedrigen Schwerpunkt und damit höhere Fahrsicherheit zu gewährleisten. Maybach machte sich ans Werk, auch weil Jellinek in Aussicht gestellt hatte, mindestens drei Dutzend Exemplare dieses neuen Modells abzunehmen.
Neben den technischen Vorgaben knüpfte er seine Bestellung an eine weitere Bedingung: Das neue 35-PS-Modell müsse den Namen seiner Tochter tragen.
Am 22. Dezember 1900, also vor 125 Jahren, machte sich der erste Mércèdes per Bahn auf die Reise nach Nizza. Bei den Rennen von Nizza 1901 waren die neuen Wagen so dominant, dass sich Paul Meyan, Generalsekretär des Automobile Club de France, zu der Aussage hinreißen ließ: „Nous sommes entrés dans l’ère Mercédès.“ – „Wir haben die Mercedes-Ära betreten.“
Text Gregor Schulz Fotos Mercedes-Benz
