Das tat kesseln!
- 15. Februar 2023
- Red. OLDTIMER MARKT
Als am 15. Februar vor exakt 100 Jahren die 15. Deutsche Automobilausstellung ihre Tore öffnete und sich Besuchermassen in die Halle am Berliner Kaiserdamm ergossen, dürfte nur wenigen sportbegeisterten Motorradfahrern der kleine Stand mit einer einzigen Maschine aufgefallen sein, die aus dem fernen Bad Homburg angereist war. Das rassige Modell mit dem fünf PS starken, kopfgesteuerten 250er Einzylinder trug den Namen Horex. Das klangvolle Kunstwort hatte Fritz Kleemann aus der ersten Silbe seines Heimatortes und dem Markenzeichen zusammengesetzt, unter dem sein Vater Friedrich weit verbreitete Einmachgläser produzierte.
Als Kopfsteuerung noch etwas Besonderes war: erste Horex 250, wie sie 1923 auf der Berliner Automobilausstellung stand
„Wirf dein Herz über das Hindernis...“
...und spring hinterher!“ Nach diesem Motto hatte der junge Fritz das neue Unternehmen aus der Taufe gehoben. Entflammt für das Motorrad, war er auf Triumph, Sunbeam, Sarolea erfolgreich bei Rennen an den Start gegangen. Doch am liebsten hätte er auf etwas Eigenem gesessen.
Dass Kommerzienrat Friedrich Kleemann um 1920 die kleine Columbus Motorenbau AG im nahen Oberursel gekauft hatte, die den Fahrrad-Hilfsmotor GNOM („Geht nicht ohne Mittreten“) produzierte, war der erste Schritt in die passende Richtung. Nach internen Querelen mit dem Firmenpatriarch übernahm Fritz Columbus und gliederte die Firma in die neue Horex-Fahrzeugbau AG ein, deren Direktor, Betriebsleiter, Ein- und Verkäufer und Werks-Rennfahrer Kleemann junior fortan war.
Teuer und beängstigend stark: Der Paralleltwin der Horex S 800 mit obenliegender Nockenwelle lieferte 30 PS
Die nächste Krise
Horex begann seine Produktpalette um Seitenventiler zu erweitern und hatte sich 1927 Hermann Reeb als Chefkonstrukteur gesichert, die Zukunft schien golden - bis am 24. Oktober 1929 die New Yorker Börse kollabierte und eine Schockwelle um den Globus schickte, der eine mehrjährige Rezession folgte. Die deutsche Regierung steuerte mit einer Notverordnung gegen, die 200er steuer- und führerscheinfrei machte. In Bad Homburg reagierte man schnell mit der sportlchen S 200, die sich ein schönes Stück am Kuchen der 200-Kubik-Klasse sicherte. Reeb zeichnete derweil schon an einem Paralleltwin mit oebenliegender Nockenwelle, der als 600er (S 600) und 800er (S 800) 1933 auf den Markt kam. Der große Durchbruch blieb den schweren, teuren Maschinen indes ebenso versagt wie später lancierten Vierventil-Einzylindern. Mehr Zuspruch erfährt die 1935 erschienene S 35 (später SB 35 - „B“ für Blockmotor) mit langhubigem 350er Eintopf.
Akustisch und optisch ein Genuss: Der Einzylinder-Blockmotor und das tolle Fahrwerk machten die Regina zeitweise zur meistgebauten 350er weltweit
Auf Basis dieses von Hermann Reeb und Richard Küchen entwickelten Motors gelang nach dem Krieg auch der Neustart: Als erster deutscher Hersteller darf Horex ab 1947 Motorräder mit mehr als 250 Kubik bauen. Auf die zunächst neu aufgelegte SB 35 folgte 1950 die mit Geradwegfederung und ölgedämpfter Teleskopgabel veredelte „Regina“. Sie avancierte zeitweise zur meistgebauten 350er der Welt und zum globalen Exportschlager.
Mehr Wetterschutz wollten die Käufer, nicht mehr Motorrad: Die Imperator war so innovativ wie glücklos
Doch der Homburger Höhenflug hatte nur begrenzte Tragweite. 1953 ging der Motorradmarkt in Sink-, ab 1955 in Sturzflug. Horex steuerte erneut mit einem großen Twin gegen, an dem Reeb bereits seit den frühen Fünfzigern gearbeitet hatte. Die Imperator sollte zum Star der 1952er Motorradausstellung IFMA avancieren, bis zum Produktionsbeginn vergingen freilich drei Jahre. Kurz nach Erscheinen wurde ihr der Regina-Nachfolger Resident an die Seite gestellt. Doch die Leute wollten nicht mehr Motorrad, sondern mehr Wetterschutz, kurz: ein Dach über dem Kopf. Für Horex begann damit die Zeit des Niedergangs, den auch verzweifelte versuche mit Rollern und 50ern nicht abwenden konnten. Am 1. Oktober 1960 erwarb Daimler-Benz das Horex-Werk, um darin fortan Fahrzeugkomponenten zu fertigen.
Werner - das Rennen: Wer dabei war, kann sich nicht erinnern, heißt es. Die Comicfigur verursachte einen Regina-Hype
Homburger Spätphase
Doch der gute Klang des Namens blieb – nicht zuletzt dank eines knollennasigen Comic-Helden, der ab 1981 mit einer gechoppten Regina über Buchseiten und Kinoleinwände bollerte. Als dessen leibliche Vorlage Rötger „Brösel“ Feldmann 1988 mit einer viermotorigen Horex gegen einen Porsche zum Dragrennen antrat, zog es über 100.000 Menschen zum Ort des Geschehens.
Deutsch-japanische Kooperation: Gerade mal drei Stück entstanden von der Horex 644 mit Honda-Dominator-Motor
1982 versuchten Motorrad-Tausendsassa Fritz Röth und der japanische Designer Kazuo Sasaki den Neustart. Dank Sasakis guten Kontakten zu seinem Ex-Arbeitgeber Honda durfte das Duo sogar einen Dominator-Motor verwenden, während Honda sonst auf einer Einheit aus Tank- und Motoremblem bestand. Doch das kühne Unterfangen balancierte von Anfang an am finanziellen Abgrund, nach nur drei Exemplaren kam der Absturz.
Missglückter Neustart, die Zweite: Horex-Enthusiast Clemens Neese stellte einen hochkomplexen und teuren V6 auf zwei Räder
Nach der Jahrtausendwende war es dann Enthusiast Clemens Neese aus Garching bei München, der sich an einer Wiederauferstehung versuchte - erstaunlicherweise mit einem hochkomplexen VR6-Modell statt einem schlanken Eintopf. Immense Entwicklungskosten und geringe Nachfrage führten 2014 zur Insolvenz und dem Verkauf der Markenrechte an den auf Carbon spezialisierten Automotive-Zulieferer 3C - Carbon Composite Company in Landsberg am Lech. Dieses Unternehmen stellte letztes Jahr auf der Intermot die einzylindrige Regina Evo vor, von der zum 100-Jährigen 500 Stück gebaut werden sollen...
Neustart, die Dritte: Auf der letztjährigen Intermot-Motorradmesse stand die Regina Evo. 500 Stück sollen dieses Jahr gebaut werden