Das Machtwort
- 31. März 2023
- Dirk Ramackers
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Leistung am oberen Rand: 225 PS beschleunigten den 450er auf 210 km/h, die 100er-Marke fiel nach 10,5 Sekunden
Päpste und Potentaten, Diktatoren und Demokraten, Fußballstars und Filmregisseure, GSG9 und Gesindel: Der im März 1973 auf dem Genfer Salon präsentierte Mercedes-Benz 450 als Top-Modell der S-Klasse-Baureihe schickte sich schnell an, ein klassenloses Auto zu werden. Mit dem 4,5-Liter-V8 stellte Daimler-Benz die natürliche Ordnung im automobilen Oberhaus wieder her und verwies die Emporkömmlinge aus München mit ihren schnellen sechszylindrigen BMW-Limousinen auf die Plätze.
Ölkrise und die Antwort Untertürkheims
Wenig später hätten die Verantwortlichen in Untertürkheim auch gern die Über-Version ihres Flagschiffs präsentiert, den 450 SEL 6.9 mit einem knapp sieben Liter großen V8, der auf dem Motor der Staatskarosse 600 basierte, dem mächtigen M100.
Sag einfach M100: Der knapp sieben Liter große V8 liefert schon bei 3000 U/min über 500 Newtonmeter und schlenzt kerngesunde 286 Pferde bei lässigen 4300 Touren raus
Doch dann kam es zum Jom-Kippur-Krieg gegen Israel, in dessen Folge die arabischen Länder als Strafmaßnahme gegenüber dem Westen die Ölförderung drosselten und so einen starken Preisanstieg verursachten. Was die arabischen Vertreter nicht bedacht hatten: Dadurch schnitten sie sich als eine der wichtigsten Käufergruppen von der Versorgung mit Sechsneunern ab, dessen Präsentation Daimler-Benz auf Mai 1975 verschob.
Mehr ist mehr: Der 6.9 trumpfte nicht nur mit 237 km/h Topspeed auf, sondern auch mit Raffinessen wie hydropneumatischer Federung
Das alles war längst Geschichte, als der französische Regisseur Claude Lelouch im Sommer 1976 mit Freude feststellte, dass nach Drehende seines Werks Ein Hauch von Zärtlichkeit noch eine Filmrolle übrig war. Er ließ daraufhin eine Kamera an der Frontstoßstange eines Mercedes-Benz 450 SEL 6.9 montieren und ballerte höchstselbst in knapp neun Minuten wie ein Berserker durch das frühmorgendliche, gerade erwachende Paris, übrigens zur Klangkulisse eines Ferrari. Der Streifen C’était un rendez-vous endet als Liebeserklärung, als der Fahrer im Licht der Scheinwerfer seine Angebete in die Arme schließt. Wer hätte gedacht, dass der teutonische Über-Benz dank hydropneumatischer Federung sogar als Romantiker reüssierte…