Aus OLDTIMER MARKT 12/2013

Das Beste aus 40 Jahren – Abwicklung eines Sammler-Lebens

Hochgeladenes Bild Fahren? Nein fahren geht nicht. Dafür stehen die Klassiker viel zu dicht beisammen

Werfen Sie mit uns anlässlich der Jubiläen von OLDTIMER MARKT (40 Jahre) und OLDTIMER PRAXIS (30 Jahre) einen Blick zurück auf die schönsten Geschichten aus beiden Magazinen! In OLDTIMER MARKT 12/2013 schrieb Peter Steinfurth über die Abwicklung eines Sammler-Lebens. 286 Autos hat der Andorrander Antoni Riba in 40 Jahren zusammengetragen, der Ausverkauf, kurz vor seinem Tod, dauerte nur wenige Stunden...

Hochgeladenes Bild So erschien der Artikel erstmals in OLDTIMER MARKT 12/2013

Zu viel ist nicht genug

In Andorra hat Antoni Riba binnen 40 Jahren 286 Autos zusammengetragen. Jetzt hat er sie auf einen Schlag verkauft – Tragik eines Sammlerlebens

Alfa Romeo Montreal, Ford Bronco, Citroën SM, Mercedes 220 SEb Coupé – wo ist nur der verdammte Toyota-Schlüssel? Die silberne Celica muss als Nächstes raus aus der Halle, sonst geht nichts mehr. Antoni Riba durchwühlt die karge Holzkiste, in der 286 kleine Plastikschildchen sein Leben erzählen. 40 Jahre hat er gebraucht, um diese riesige Sammlung zusammenzutragen. Eine Sammlung, deren Konzept sich nicht auf den ersten Blick erschließt. Was, bitteschön, hat ein Renault 4 mit einem AMC Eagle und einem Fiat Tempra gemeinsam? "Alles Allradler", grinst Antoni, und ein Blick unter den Renault offenbart, dass es sich tatsächlich um eines der wenigen Exemplare handelt, die bei Sinpar geländetauglich gemacht wurden.

Hochgeladenes Bild Allrad kann sehr unterschiedlich aussehen: Sahara-Ente, DKW Munga und Willys Jeep in Ruhe vereint

"Irgendetwas Besonderes hat jedes meiner Autos, und wenn es nur eine ganz persönliche Erinnerung ist, die mich damit verbindet" erzählt der 62-Jährige, der mich mit einem unscheinbaren 3-Liter-Lupo zu seiner nächsten Garage chauffiert: "Hier müssten so um die 30 Autos stehen", erzählt er, als das blecherne Rolltor quietschend hochfährt. Doch ich sehe nur einen Lancia Appia, einen Porsche 924 Turbo, einen Oldsmobile Cutlass, einen alten amerikanischen Armeelaster und einen Renault Clio, der sich bei näherem Hinsehen als seltenes Williams-Sondermodell entpuppt. Neben dem Clio, der auf ungehobelten Holzbohlen steht, führt eine wacklige Hühnerleiter in einen dunklen Keller, der nur von einer funzeligen Glühlampe erhellt wird. Schemenhaft tauchen rund 25 Autos auf, die allerdings unerreichbar sind, weil zwischen ihren Stoßstangen und Türklinken kaum ein paar Millimeter Platz bleiben. Ganz hinten: ein Karmann Ghia Typ 34, ein Lancia Gamma Coupé, ein Mercedes G-Modell... Aber wie kommt man da dran? "Zuerst müssen die Autos oben raus aus der Garage, dann entferne ich die Holzbohlen und fahre zuerst den Triumph TR7 mit der Hebebühne nach oben. So geht das weiter bis zur letzten Reihe. Eigentlich ganz einfach", grinst er und weiß zugleich, dass das hoffnungslos untertrieben ist.

Hochgeladenes Bild Bei so vielen Schlüsseln kann man schon mal den Überblick verlieren: 286 Autos verteilten sich bei Antoni Riba auf fünf Hallen und Großgaragen

Ein paar kräftige Helfer vorausgesetzt, würde dieser ganz einfache Vorgang vermutlich mehrere Tage dauern. Aber diese Autos bewegen sich schon lange nicht mehr – zumindest nicht aus eigener Kraft. Antoni hat schon vor Jahren aufgehört, seine Sammlung zu bewegen.
Aber wozu hat man 286 Fahrzeuge, die man nicht fahren kann? Antoni lächelt in sich hinein: "Es ist ein Archiv der schönen Erinnerungen, ein Speicher der vergangenen Jugend – und natürlich denkt man, man würde ewig leben. Zumindest lang genug, um jedes einzelne Stück wieder hervorzuholen, in Schuss zu bringen und damit in den Sonnenuntergang zu fahren..."

Hochgeladenes Bild Unter so mancher Staubschicht versteckt sich ein Juwel

Dass sein Leben dafür nicht ausreichen könnte, wurde dem 62-Jährigen schlagartig bewusst, als ihm die Ärzte vor einem Jahr die niederschmetternde Diagnose stellten: Krebs. Mittlerweile hat er die achte Chemotherapie hinter sich und fühlt sich "den Umständen entsprechend ganz gut". Aber im Krankenhaus hatte er viel Zeit zum Nachdenken: "Weißt du, mein Sohn Toni wollte schon immer mal den roten Lancia Delta Integrale fahren und ich hab’ ihn jedes Mal wieder vertröstet. Das ging ja nicht, weil der Delta mittendrin steht, in der großen Halle – rund herum zugestellt mit all den anderen Autos. Da wurde mir bewusst, dass es an der Zeit ist, ein bisschen aufzuräumen und wieder mehr zu fahren. Das macht nämlich wirklich Spaß hier, auf den kurvigen Pyrenäen-Straßen rund um Andorra!"

Hochgeladenes Bild Krude Mischung: ein Gelber Adenauer, ein blaues Cremeschnittchen und eine Yamaha Vmax. Um die Ecke warten Ferrari Testarossa und BMW Z8

Und weiter geht es mit dem Lupo zur nächsten Garage. Hinter einem quietschgelben Mercedes 300 Adenauer und einem blauen Cremeschnittchen verstecken sich zwei Porsche 911, ein Ferrari Testarossa, ein BMW Z8 und eine undefinierbare Anzahl von Motorrädern. "Das müssen so ungefähr 120 Stück sein", schätzt Antoni. Den Überblick hat er auch hier längst verloren.

Hochgeladenes Bild Motorräder und Roller? Das müssen so um die 120 Stück sein. Auch bei den Zweirädern hat Antoni längst den Überblick verloren

Doch im Gegensatz zu den Motorrädern, die auch Sohn Toni gern behalten würde, hat er inzwischen fast alle Autos verkauft. Ein deutscher Unternehmer aus dem Sauerland hatte von der sagenumwobenen Pyrenäen-Sammlung gehört und kam gerade rechtzeitig, als Antoni Riba beschlossen hatte, reinen Tisch zu machen. Wichtig war ihm nur eins: Entweder alle oder keins – für einen mühsamen Einzelverkauf fehlte ihm schlicht die Zeit.

Hochgeladenes Bild Eins von drei Autos, die Antoni Riba behalten hat: Porsche 993 Turbo

Der Sauerländer Oldtimerfreund, der sich sonst überhaupt nicht mit Autohandel befasst und auch nicht genannt werden will, kaufte die Katzen zwar günstig, aber mehrheitlich im Sack: "Die meisten Autos waren nicht zugänglich und die Beschreibungen eher vage. Ob am Ende ein Geschäft daraus wird, steht noch in den Sternen. Bei einem solchen Angebot kommt schon so etwas wie Goldgräberstimmung auf.

Hochgeladenes Bild Dicht an dicht stehen die Autos im Keller. Wer bis zur letzten Reihe vordringen will, muss entwerder drüberklettern oder eins nach dem anderen herausfahren

Da muss man entweder über den eigenen Schatten springen oder sich später über die vertane Chance ärgern!" Auf über 50 Autotransport-Lkw traten die 286 Autos schließlich die Reise nach Deutschland an. Nun werden sie aufbereitet und von Wolfgang Braukhaus, einem befreundeten Oldtimerhändler in Menden, zum Kauf angeboten. Der Showroom der kleinen Firma (www.braukhaus.de) ist allerdings viel zu klein, um alle Klassiker aufzunehmen, deshalb sind die Autos auch im Sauerland auf mehrere Standorte verteilt.

Hochgeladenes Bild Auf über 50 Autotransportern treten die Oldtimer die Reise nach Deutschland an. Der Glas V8 braucht Schiebehilfe

Und Antoni? Er hat einen Porsche 993 Turbo, einen Porsche 911S 2,4 und einen Mercedes 280 SL Pagode für sich behalten. Sohn Toni fährt den Lancia Delta Integrale, Tochter Angels einen Morgan Plus 8 und Ehefrau Carmen einen BMW Z3 M-Coupé – das muss für Ausflüge im engsten Familienkreis reichen. Und dann wollte ich noch wissen, wie es ihm geht, nachdem die Autos abtransportiert und die Garagen ausgefegt sind. Die Antwort macht nachdenklich: "Ein wenig traurig, das ist doch klar. Aber vor allem fühle ich mich frei!"

  • Text und Fotos Peter Steinfurth

Anmerkung der Redaktion: Antoni Riba starb kurz nach der Erstveröffenlichung des Artikels

Hochgeladenes Bild Zwischen Oldsmobile Cutlass und Nash Rambler Custom Convertible hindurch, am US-Army-Truck vorbei bis zum Clio Williams. Der kleine Franzose steht auf Holzbohlen, unter denen sich eine Hebebühne verbirgt. Und schon ist der Keller mit den übrigen 25 Klassikern zugänglich

Das Beste aus 40 Jahren

Wir meinen, dass ein Wiedersehen mit einigen unserer Storys Freude machen kann. Dieser Artikel stammt aus OLDTIMER MARKT 12/2013. Die bisher erschienenen Artikel finden Sie hier – weitere sind bereits in Planung. Schauen Sie doch ab und zu mal wieder vorbei!