Avant-Gardist für Individualisten
- 09. März 2023
- Red. OLDTIMER MARKT
Port Grimaud, das ist ein herrlich charmantes französisches Küstenstädtchen an der Côte d’Azur. Wohin es noch heute viele Touristen vor allem deshalb zieht, weil quasi gleich gegenüber Saint-Tropez liegt. Jener schillernde und kaum größere Ort, den Künstler wie Henri Matisse und Schriftsteller wie Jean-Paul Sartre liebten, und der sich in den Sechzigern bekanntlich zum legendären Hot Spot des internationalen Jet-Sets à la Brigitte Bardot und Gunter Sachs entwickelte. Eine Gegend für Avantgardisten gewissermaßen, und vor 40 Jahren aus Sicht der Audi-Presseabteilung genau der richtige Platz für die offizielle Präsentation des neuen Audi 100 Avant der Baureihe C3! Im März 1983 luden hier die Ingolstädter Strategen die Fachpresse zur Fahrvorstellung des eigenwillig gestylten Kombis mit dem beinahe coupéhaften geformten Heck, der sich vorm stimmungsvollen Hintergrund der Bucht von Saint-Tropez bestens in Szene setzen ließ.
Warum die Stilisten und Ingenieure aus der aufsehenerregend strömungsgünstigen 100er-Limousine des Typs 44, dem „cW-Weltmeister“ und „Auto des Jahres“ 1982, auch diesmal keinen geradlinigen Kombi entwickelt hatten? Wo sich doch schon der eher unter dem Radar laufende Schrägheck-Vorgänger hinsichtlich seiner Verkaufszahlen schwer tat?
Darauf fand Audi-Chefentwickler Ferdinand Piëch natürlich die passende, sachlich präzise Antwort: „Mit Steilheck“, so Piëch zur offenbar gewollt extravaganten Form, „hätten wir mehr Gewicht und ungünstigere Strömungsverhältnisse verkraften müssen. Außerdem wären wir damit ins Gemüsewagengeschäft eingestiegen.“
Eine durchaus bewusste Abkehr also von klassischer Kombi-Klientel. Und vielmehr der Anspruch, eher Lust- als nur Lastmobil für Individualisten zu sein. Was sich auch in der alles andere als rein nutzwertorientierten Ausstattung des Avant niederschlug, der gleichwohl mit hoher Variabilität glänzte. In punkto Ladevolumen herrschte ohnehin kein Mangel: Wer den bereits riesigen Stauraum der Limousine kannte, staunte jedenfalls nicht schlecht über die lichte Weite des Avant-Frachtabteils. Das sich hier etwa mit einer optionalen Kindersitzbank familienfreundlich aufrüsten ließ.
Analog zum Viertürer war der Avant von Beginn an mit den gleichen Ausstattungspaketen lieferbar, zum Serienstart gab es Vier- und Fünfzylinder-Benziner, deren Leistungsspanne von 75 bis 136 PS reichte. Ein Fünfzylinder Turbodiesel mit 87 PS ergänzte das zeitgemäße Motorenpaket. Fahrwerksseitig modifizierten die Entwickler die 100er-Basis für den Avant zunächst insoweit, als an der Hinterachse härtere Schraubenfedern und Dämpfer mit einer strafferen Abstimmung zum Einsatz kamen. Vorne blieb es bei härteren Federn und einem stärker dimensionierten Stabi.
Von typischen Ingolstädter Leckerlis wie Vollverzinkung profitierte im Lauf der Zeit natürlich auch der Avant – ganz zu schweigen von Quattro, Turbo und TDI. Unter dem Strich blieb der Kombi eher eine Ausnahmeerscheinung: Knapp 139.000 Exemplare liefen bis 1991 vom Band, die Produktionszahl der 100er-Limousine dagegen lag bei rund 957.000.
Dafür sind die außergewöhnlichen Avant-Gardisten heutzutage unter Kennern begehrt und werden zumeist etwas höher gehandelt als ihre konventionellen Brüder. Was besonders für Raritäten wie den 120 PS starken, nur 1990 angebotenen 100 Avant TDI gilt…