Auftragsarbeit
- 12. September 2023
- Red. OLDTIMER PRAXIS
Ähnlich wie Lack ist Chrom eine Beschichtung, die das Trägermaterial vor Verwitterung schützen soll. Der glänzende Überzug aus der Galvanik ist allerdings entschieden härter, kommt jedoch nicht einmal auf ein Zehntel der Schichtstärke von Autolack oder der Stärke eines menschlichen Haares. Woraus sich ergibt, dass sich Kratzer und andere Oberflächenschäden weit weniger als bei Lack durch Materialabtrag mittels Schleifen und Polieren beseitigen lassen. Zuweilen sieht man an Oldtimer-Teilen Stellen, die anstatt weiß eher gelblich schimmern: Dort wurde die Chromschicht buchstäblich durchpoliert, sodass die zehnmal dickere Nickelschicht hervorschaut. Unter dieser wiederum befindet sich in der Regel noch eine Lage Kupfer auf dem Grundmaterial – meist Stahlblech, Messing oder Zinkdruckguss. Verfärbungen im Chrom können allerdings auch entstehen, wenn so heftig mit maschineller Unterstützung poliert wird, dass das Material zu heiß wird.
Ein Motorradendschalldämpfer wird vor dem Polieren entrostet
Witterungseinflüsse, begünstigt durch mangelnde Pflege, lassen die Chromschicht mit der Zeit porös werden. Durch feine Risse können Sauerstoff und Feuchtigkeit zu den darunter liegenden, leichter zu oxidierenden Metallen gelangen. Oxidschleier und Rostpickel breiten sich auf der glänzenden Deckschicht aus. Ist der Zerfallsprozeß noch nicht so weit fortgeschritten, dass die Chromschicht schon abblättert, lässt sich durch Polieren und Versiegeln der Oberfläche zumindest eine mehr oder weniger gepflegte Patina-Optik erreichen und der kostenträchtige Gang zum Galvaniker hinauszögern. Es liegt auf der Hand, dass in solchen Fällen für den erforderlichen Materialabtrag aggressivere Mittel angebracht sind als bei einer neuwertigen Oberfläche, die nur mild gereinigt und geschützt werden muss.
Die Grundregel formuliert der Fahrzeugpflege-Experte Christian Petzoldt aus Hagen so: „Es ist wichtig, alle Polituren und Metallreiniger vorher auf ihre Eignung zu überprüfen. Immer erst die mildesten Produkte mit der geringsten Schleifwirkung ausprobieren, bevor man zu aggressiveren Mitteln greift, die in jedem Fall nachteilige Verkratzungen selbst bei galvanischen Oberflächen bewirken.“ Ein prägnantes Beispiel begegnete ihm während einer Oldtimermesse: „Der stolze Besitzer eines Vorkriegs-Rolls-Royce fragte mich, wie es sein könne, dass seine gerade neu verchromte Kühlermaske schon wieder so viele feine Kratzer habe und wie die zu entfernen wären. Es stellte sich heraus, dass er die Maske selbst mit einem zu aggressiven Metallputzmittel poliert hatte. Die perfekte Optik war dahin und nicht mehr wieder herzustellen.“
Im Vergleich erkennt man leicht die unterschiedlichen Ergebnisse
Damit sind wir bei der Kernfrage unseres Tests: Wie bewältigen die verschiedenen Poliermittel den Widerspruch zwischen Effizienz (Glanz) und Schonung (Schleifbild) und welche Empfehlungen lassen sich daraus ableiten? Im Ingolstädter Labor des Fahrzeugpflegemittel-Herstellers Dr. Wack nahmen wir ein Dutzend der populärsten Produkte – aktuell über Online-Shops eingekauft – unter die Lupe. Für die Bewertung nach Punkten (siehe Tabelle oben) wienerten wir allerdings nicht auf Chrom: Auf gut erhaltenen Chromteilen sind Unterschiede wie Glanzsteigerung kaum zu erkennen, und bereits verwitterte Oberflächen haben keinen gleichmäßigen Ausgangszustand. Deshalb verwendeten wir gebürstetes Aluminium mit seiner einheitlichen Mattierung. Je nach Beschaffenheit der Schleifkörper im jeweiligen Mittel erhält die Oberfläche mehr oder weniger Glanz. Schließlich sind die Produkte zumeist ja auch für die Pflege von blanken Metallen allgemein bestimmt. Aber Obacht: Die chromglänzend lackierten Kunststoffteile modernerer Fahrzeuge sind in der Regel ausdrücklich ausgenommen.
Gebürstetes Aluminium wurde mit Malerkrepp in Parzellen aufgeteilt und im Anschluss zum direkten Vergleich mit den verschiedenen Probanden poliert
Auf Alustreifen wurden Testfelder von 7,5 x 5 Zentimeter mit Klebeband markiert. Dort polierten wir jeweils 30 Sekunden lang mit druckvollen, kreisenden Bewegungen. Sofern die Anwendungsempfehlung auf dem Gebinde Hilfsmittel aus dem eigenen Programm benannte oder wenigstens spezifizierte – etwa Polierwatte, feuchten Polierschwamm, Baumwoll- oder Mikrofasertuch – verwendeten wir diese, ansonsten weiche Mikrofaser.
Eine Auswahl in Frage kommender Politurtücher. Die höchste Schleifwirkung entstehe mit Leinen, während mit hochflorigem weichen Baumwoll- und Mikrofasertüchern die abrasiven Bestandteile im Poliermittel weniger hart auf die Oberfläche gedrückt würden, sagt Experte Christian Petzoldt
Das Auspolieren folgte entsprechend der Herstellerangabe sofort oder nach Antrocknen. Zwei Personen bearbeiteten zwei Teststreifen parallel. Die Resultate waren identisch. Wir bewerteten die Anleitung, die nicht immer hinreichend deutlich und manchmal auch schwer lesbar war, die Leichtigkeit des Auftrags und der Auspolierbarkeit. Mit insgesamt 70 der 100 möglichen Punkte machte das optische Ergebnis den Löwenanteil der Wertung aus. Da anders als bei Lack ein Glanzgradmessgerät auf blankem Metall nicht sinnvoll anzuwenden ist, entschied die visuelle Wahrnehmung in vergleichender Betrachtung. Die Schärfe des Spiegelbildes (Glanz) und das Schleifbild (Kratzer) wurden getrennt mit jeweils maximal 35 Zählern bewertet. Ohne Wertung blieb der dennoch bemerkenswerte unterschiedliche Gehalt an umwelt- und gesundheitsgefährdenden Inhaltsstoffen. Jedenfalls sollten Anwender sich mit Handschuhen wappnen.
Viel Glanz bei wenig Kratzern, dieses Kunststück gelingt mit Abstand am besten den Polituren von Dr. Wack und mit nur hauchdünnem Abstand Meguiar’s, die damit auch den Preisabstand rechtfertigen. Auch Swizzvax bewältigt den Spagat recht gut, fällt aber preislich mit 78 Euro für 100 ml völlig aus dem Rahmen der übrigen Elf von rund vier bis 14 Euro. Auf gut erhaltenem Chrom mit nur leichten Verschmutzungen und Anlaufspuren sind die Spitzenreiter eine gute Wahl. In Betracht kommen aber auch jene sehr milden Produkte wie Elsterglanz und Liqui Moly, die auf Alu glanzschwach agieren, aber dafür auch kaum Kratzer verursachen und zu den preisgünstigsten gehören. Bei angerostetem Chrom empfehlen sich aggressivere Mittel wie Autosol, Rotweiss oder der Preis-Hit Nigrin. Die je nach Beleuchtung mehr oder weniger sichtbaren Kratzer sind hier das geringere Problem.
Im Anschluss an die Behandlung mit dem Flugrost-Entferner, waschen wir diesen unter fließendem Wasser ab – mit ansehnlichem Ergebnis
Wie unser Test schlussendlich ausgeht, erfahren sie in der kommenden Oktober-Ausgabe der Oldtimer-Praxis