Luxus-Boom vor 100 Jahren

Auf dem Boden der Tatsachen

Endlich Frieden: Vor hundert Jahren war der Weltkrieg – noch nummerierte man sie nicht durch – gerade vorbei. Und damit war auch das Einsatzgebiet für Flugmotoren arg geschrumpft, das seit 1914 einen gewaltigen Aufschwung erlebt hatte. Viele Hersteller dieser Hochleistungstriebwerke sattelten daher um auf Luxusautomobile und präsentierten sie auf dem ersten großen Nachkriegssalon in Paris im Herbst 1919: Hispano-Suiza brachte den H6, einen modernen 6,6-Liter-ohc-Sechszylinder mit über 100 PS – konstruktiver Pate war die Zylinderbank eines V12-Flugmotors. Die Marke war schon vor dem Krieg etabliert, ebenso wie Isotta-Fraschini. Die Italiener präsentierten einen ohv-Reihen-Achtzylinder aus Alu mit knapp sechs Liter Hubraum und fast 100 PS stark. Wie der H6 verzögerte der Tipo 8 bereits mit Vierradbremsen. Neu im Geschäft waren Voisin, Farman und Bentley. Gabriel Voisins fortschrittlicher C1 holte 70 PS aus seinem ventillosen Vierliter-Alu-Vierzylinder. Mit einem ohc-Reihensechser von 6,6 Litern und 85 PS trumpfte der 40 CV der Farman-Brüder auf. Die Bohrungs-/Hubmaße (100 x 140 mm) entsprachen denen des Hispano-Suiza-Triebwerks. Und Walter Owen Bentley stellte in London fast zeitgleich das Chassis seines Erstlings mit Dreiliter-ohc-Vierzylinder aus – wie bei Farman dauerte es bis zur Auslieferung der ersten Fahrzeuge allerdings noch eine Weile. In der Weimarer Republik kamen Luxusmarken wie Maybach noch später in die Gänge.