70 Jahre „Der Wilde“

Ankunft der Halbstarken

Mitte der fünfziger Jahre war die Jugend in Aufruhr. Aus den USA schwappte die Rock’n’ Roll-Welle herüber, während hierzulande Caterina Valente „Ganz Paris träumt von der Liebe“ sang. Auf Konzerten von Bill Haley und Elvis Presley, von Jerry Lee Lewis und Little Richard kam es zu tumultartigen Szenen. Nicht selten hinterließ das Publikum Trümmerwüsten, erst in den Staaten, später auch bei uns. Ein Film, der das Bild der Halbstarken prägte, war „Der Wilde“ mit Marlon Brando. Als „The Wild One“ lief der Biker-Film bereits Ende 1953 in den Staaten an, in westdeutsche Lichtspielhäuser kam er erst Anfang 1955. Eine Motorradgang mischt das Brave-Bürger-Leben einer US-Kleinstadt mit allerlei Unfug auf, ihr Anführer (gespielt von Brando) balgt sich mit dem Boss einer weiteren Biker-Clique (gespielt von Lee Marvin) und tapst unbeholfen auf Freiersfüßen.

Hochgeladenes Bild

Am Ende hetzt ihn der aufgebrachte Spießermob in einen Unfall, bei dem ein Unbeteiligter stirbt. Als sich herausstellt, dass ihren Boss keine Schuld trifft, zieht die Bande geläutert ab. Konservativen Kreisen stieß der Streifen natürlich sauer auf, in Großbritannien durfte er erst 1968 in die Kinos. Die Geschichte des Films hat einen realen Hintergrund: die Ausschreitungen des Gypsy-Tour-Treffens 1947 im kalifornischen Hollister – ein kollektives Besäufnis mit ausartenden Rüpeleien, kein tatsächlicher Aufstand rebellischer Motorradfahrer. Zum „Hollister Riot“ wurde es erst nachträglich aufgebauscht, insbesondere durch ein gestelltes Foto im Nachrichtenmagazin „Life“. Der Lichtbildner hatte kurzerhand einen angetrunkenen Einwohner der Stadt auf eine herumstehende Harley gesetzt und ein paar leere Bierflaschen davor drapiert – ein Fest für jeden Medienwirkungsforscher.