Yugo-Architektour

Anfahrtipp: Stahlbeton und rostige Schweller

Wer sich Autos vorwiegend übers Design nähert, der interessiert sich meist auch für Architektur. Wer sich cineastisch in erster Linie bei Blade Runner, Dark City und High-Rise gut unterhalten fühlt, der gehört nach Novi-Beograd. Die brutalistische Neustadt Belgrads liegt am nord-östlichen Ufer der Save, die die sozialistischen Betonexzesse von der historischen Altstadt abgrenzt, ehe sie in die Donau mündet.

Zentralheizung, in jedem Block eine Schule und ein Kindergarten, in jeder Wohnung ein eigenes Badezimmer. Technologisch war Novi-Beograd in den Siebzigern für die Bewohner ein gewaltiger Schritt nach vorn, nur leider vergaßen die sozialistischen Stadtplaner, dass menschliches Wohlbefinden nicht nur von Sanitärinstallationen abhängig ist. Marija Miladinovic von Yugotours führt uns mit einem Zastava 101B durch das erdrückende Wohngebirge. Und genau wie die selbsttragenden Karosserien der Nachkriegszeit ist auch der Stahlbeton jener Ära wenig dauerhaft.

Von den Wohntürmen Rudo 1, 2 und 3, die das sogenannte Osttor von Novi-Beograd bilden, sind in der Vergangenheit bis zu 60 Kilo schwere Betonbrocken abgebröckelt und in die Tiefe gestürzt. Auch der Genex-Turm, das markanteste Gebäude der Belgrader Skyline, ist in einem jämmerlichen Zustand, genau wie der Vorplatz des 115 Meter hohen Ufos. Immerhin ist der Palata Srbije von 1962 weiterhin von guter Konsistenz, da er heute das Ministerium für Jugend und Sport beherbergt.

Marija wollte uns eigentlich noch das Savar Centar zeigen, ein Kongresszentrum, das vollkommen unsaniert und modernisiert im Sozialismus-Futurismus der siebziger Jahre überlebt hat, aber auf der Milentija Popovića gibt der Zastava wegen Überhitzung vorzeitig den Löffel ab. Malerische Altstädte gibt es in Europa an jeder Ecke, eine betongewordene Dystopie wie Novi-Beograd nicht. Sicher gibt es zu viele Plattenbaughettos, aber kaum eins hatte damals, in den Siebzigern, mit vorspringenden Erkern, Asymmetrien oder Terrassierungen auch optisch derart krampfhaft versucht, seiner Zeit voraus zu sein.

Fahren Sie ruhig mal hin. Und wenn es nicht mit dem eigenen Oldtimer sein soll: Im Umfang der gebuchten Stadtrundfahrten mit Yugotours ist auch eine Selbsterfahrung hinterm Zastava-Lenkrad inkludiert. Sofern nicht wieder der Sprit kocht. Mehr Informationen