30 Jahre VW T4: Moderne Technik im zweiten Lebensabschnitt
- 12. August 2020
- Annette Johann
Motor nach vorn, Fahrer hinter die Vorderachse – der T4 krempelte das Bulli-Konzept um
Müder Abklatsch der alten Hecktriebler?
Mit der Generation Golf kam auch die Generation Outdoor. Und VW brauchte nicht mal ein Motto dazu dichten, sondern nur das passende Auto hinzustellen. Einen statuslosen Alleskönner, um morgens zur Arbeit zu fahren, mittags zur Kita und am Wochenende zum Paddeln oder Klettern. Ein multifunktionales Auto, das über eine Tonne Zuladung wegsteckte, schwere Anhänger zog und sich dabei so leicht wie ein PKW fuhr. Es passte in jede Parklücke und auf jeden Campingplatz. Kreative liebäugelten mit ihm ebenso, wie der Posaunenchor oder das THW.
Auch der T3 stand lange im Schatten seines Vorgängers, bis er in den Klassiker-Olymp einziehen konnte
Front- statt Heckmotor: Alles wird anders bei Generation 4
16 Jahre nach dem Debüt des Golf begann VW die letzten heckgetrieben Boxer allmählich aufs Altenteil zu rollen und 1990 nun auch den Bus komplett umzukrempeln. Quereingebaute Vier- und Fünfzylinder-Reihenmotoren vor der nun angetrieben Vorderachse, ein komplett neues Fahrwerk, das nicht nur gewaltigen Fahrspaß bot, sondern auch eine völlig neue Raumordnung möglich machte und sogar zwei Radstände. VW blieb bei der traditionellen Aufteilung in den klassischen Neunsitzer namens Caravelle, einen Transporter mit flexibler Kabinen- und Laderaumnutzung, einen Camper und den Tausendsassa namens Multivan. Die eierlegende Wollmilchsau, die alles auf einmal konnte, Tisch, Bett, sechs Sitze und Stauraum ohne Ende bot. Und je nach Budget des Käufers mit Aufstelldach, Stand- und Zusatzheizungen ausgestattet werden konnte und mit dem schon vertrauten Allradantrieb namens Syncro.
Multifunktionale Konzepte waren beim Bus vertraut, aber diese Konsequenz war neu. Konkurrenz? Damals nirgends auszumachen. Einzig derbes Handicap: Der T4 war teuer. Wer 1990 einen Caravelle oder Multi mit ein paar attraktiven Features orderte, konnte schnell über 35.000 Mark landen, die sich gegen Ende der T4-Baureihe bei top ausgestatteten Flaggschiffen aufs Doppelte summieren konnten. Viel zu viel für junge Familien oder die neue Aktiv-Generation, die das lässige Auto schnell schätzen lernte, aber kaum bezahlen konnte. Und notgedrungen weiter T3, Transit oder Variant fuhr.
Quadratisch, praktisch ... Die klar segmentierte Amaturentafel gibt keine Rätsel auf
Aber inzwischen sind die Busse in die Jahre und damit in erschwingliche Preisregionen gekommen. Die Spanne reicht vom schwarzgestrichenen 500-Euro-Böhse-Onkelz-Fan-Car mit Glatzenreifen und TÜV-Plakette aus Photoshop bis zum lederbestuhlten Business-Multi mit Aufstelldach, Standheizung und prestigeträchtigen 16-Zöllern für locker das Dreißigfache. Das Angebot ist ebenso riesig wie die Varianten in Sachen Ausstattung und Motorisierung. Genügend Zeit zum Suchen ist ebenso unabdingbar wie Informationen über mögliche Folgekosten. Zeigen doch viele Fahrzeuge gravierende Rostschäden. Ebenso endet manch vermeintlich solide Wartungshistorie eines 300.000-Kilometerläufers nach drei Stempeln im Serviceheft. Teuer kann am Ende beides werden. Auch ist die Umweltzonentauglichkeit und imense Besteuerung der teilweise nur mit hohem Aufwand entgiftbaren Dieselmotoren (noch) ein Thema.
Als Wohnmobil bot der T4 bislang nie gekannten Luxus – vor allem der California Exclusive mit dem gewaltigen Hochdach ist beliebt und teuer
Die Produktionszeit von 1990 bis 2003 unterteilt sich in zwei Serien. Im Sommer 1996 ist der Übergang. 13 Jahre, in denen VW den T4 stetig weiterentwickelte, ABS und Airbags einführte, viele Sondermodelle lancierte und den Zwei-Tonnen-Dampfer zunehmend adäquater motorisierte. Gerade der Diesel erlebte in jenen Jahren einen technologischen Quantensprung und die asthmatischen Sauger der ersten Serie stehen in keinem Verhältnis zu den quicklebendigen TDIs, die mit dem Facelift 1996 Einzug hielten. Damals wie heute sind sie die gefragteste Motorisierung. Die Ottomotoren mit vier, fünf und ab 1996 auch sechs Zylindern (VR6) wurden aus Verbrauchsgründen seltener geordert und sind schwerer zu finden. Mit dem Facelift 1996 wurde der Vorderwagen für die neuen Motoren sieben Zentimeter länger und dabei in vielen Details eleganter gestaltet. Was dem Bus auch in Sachen Erscheinungsbild einen deutlichen Kick gab.
Pritsche, Kastenwagen, Doppelkabine, Hochdachbus – die Nutzfahrzeug-DNA konnte der T4 keinesfalls verleugnen
In OLDTIMER MARKT 1/2018 sahen wir dem Alleskönner unter die steil stehende Motorhaube: in unserer umfassenden Kaufberatung erfahren Sie, wo Sie beim Kauf eines VW-Bus der T4-Reihe genau hinsehen sollten.
Außerdem:
Die praktischen Falt-Klappdächer blieben auch in den Neunzigern. Vorteil: Der Camper ist tiefgaragentauglich und zählt auf Fähren noch als Pkw