Hoch hinaus
- 10. Mai 2023
- Dirk Ramackers
Ende der sechziger Jahre hatte BMW eine Phase stürmischen Wachstums hinter sich, befeuert durch Baureihen wie die „Neue Klasse“ und vor allem den sportlichen 02. Einen Teil der dazu nötigen Produktionskapazitäten hatte das Unternehmen durch Zukäufe etwa des Glas-Werks in Dingolfing geschaffen sowie durch Auslagerung der Motorradsparte nach Berlin.
Schon als Gipsmodell wirkt der Entwurf Karl Schwarzers spektakulär
Ebenfalls mitgewachsen war die Verwaltung, die in quer über das Werksgelände verteilten Liegenschaften unter beengten Verhältnissen arbeitete und mit den langen Wegen und zähen Prozessen kämpfte, die sich aus der prekären Situation ergaben.
Vertriebsvorstand Paul G. Hahnemann initiiert im Mai 1968 einen Architektenwettbewerb für das künftige Verwaltungsgebäude. Er macht sich später für den Entwurf Schwarzers stark
Noch unter Vertriebsvorstand Paul G. Hahnemann wird deshalb im Mai 1968 ein Architektenwettbewerb für den Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes ausgeschrieben, aus dem der Wiener Karl Schwarzer als Sieger hervorgeht - maßgeblich unterstützt von „Nischen-Paule“ Hahnemann, der in der außergwöhnlichen Form einen Image-Gewinn für BMW sieht.
Herzstück des Baus ist das zentrale „Rückgrat“ aus vier Stahlbetonröhren, die später Ver- und Entsorgungsleitungen sowie Treppenhäuser und Aufzüge aufnehmen
Tatsächlich ist nicht nur die Form, sondern auch die Konstruktion des Gebäudes spektakulär. Denn um ein zentrales, aus vier Stahlbetonröhren bestehendes „Rückgrat“ sind die Stockwerksegmente hängend angebracht. Diese werden zuvor auf dem Boden montiert und dann als Rohbauten inklusive Fassade und aus Aluminium gegossenen Fensterelementen per Kran an ihren Platz gehoben. Diese Fertigungsweise spart hohe Rüstkosten und ist schnell: Bereits zu den Olympischen Spielen 1972 ist das Gebäude äußerlich komplett, und nur 34 Monate nach Baubeginn vermeldet BMW die Fertigstellung!
Die Stockwerksegmente werden am Boden inklusive Fassade und Fensterelementen vormontiert und dann an Ort und Stelle gehoben. Das spart Zeit und Rüstkosten
Auch innerlich überzeugt Schwarzers Entwurf mit hoher Funktionalität. Im Innern des zentralen Schafts sind Ver- und Entsorgungsleitungen sowie Treppenhäuser und Aufzüge untergebracht. So ergeben sich sternförmig kurze Wege in die Bürotrakte.
Der Wiener Architekt Karl Schwarzer ist der geistige Vater des BMW-Vierzylinders, die anspruchsvolle Statik berechnet Bauingenieur Helmut Bomhard
Mit 101 Meter Höhe überragt der „Vierzylinder“, wie er bald im Volksmund genannt wird, das umgebende München bei weitem. Als Ensemble mit dem ebenfalls von Josef Schwarzer entworfenen Museum und dem angrenzenden Parkhaus wird das Gebäude zu einem der Wahrzeichen der bayerischen Hauptstadt.