Knudsen-Taunus

Es muss nicht immer Keeks sein

Mit der Kino-Premiere von Bang Boom Bang - ein todsicheres Ding am 26. August 1999 schrieb Peter Thorwarth nicht nur deutsche Filmgeschichte, auch der Knudsen-Taunus rückte durch das Ruhrpott-Drama mit Verlierern, Kiffern, korrupten Mittelständlern und Mofafahrern wieder ins öffentliche Bewusstsein. In den Siebzigern war der Mittelklasse-Ford noch der vernünftig dimensionierte US-Straßenkreuzer für hart Arbeitende und Rentner gewesen, in den achtziger Jahren dagegen wurde der in Belgien hergestellte Ascona-Konkurrent als unmoderne Klitsche für weniger Begüterte verlacht. Ende der Neunziger feierte der Taunus sein Comeback als lässige Kifferkiste von Keek, fern aller bürgerlicher Polier-Romantik, dafür mit Tresor im Heckblech des 1974er GXL und abgetretenem Außenspiegel.

Jeder deutsche Taunus-Fahrer unter 60 kann Thorwarths in Unna und Dortmund gedrehtes Epos in jedem Zustand mühelos nachsynchronisieren. Wer deshalb dringend neuen Filmstoff mit Knudsen in der heimlichen Hauptrolle braucht, muss nicht auf ein Remake oder einen zweiten Teil in ferner Zukunft warten. Hier eine Auswahl eher unbekannterer Streifen, in der der vielleicht coolste Ford eine selbsttragende Rolle spielte:

Nacht der Wölfe (1982)

Rüdiger Nüchterns Jugend- und Gangdrama ist schon ein bisschen niedlich. Die milchgesichtigen Revengers sorgen für Angst und Schrecken auf den blitzsauberen Straßen und in den Popper-Cafés München-Haidhausens. Die Revengers cruisen mit einem völlig zerbombten viertürigen Knudsen GXL durch die bayerische Landeshauptstadt, brechen in Hifi-Geschäfte ein, um Musikkassetten zu klauen oder haben sich mit den Bloody Eagles, einer türkischen Gang, in den Haaren. Richtige Drama-Atmosphäre oder das Gefühl der Ausweglosigkeit will sich auf den Straßen der bei Touristen seit jeher sehr beliebten Metropole aber nicht einstellen. Eine Lederjacke macht noch keinen Outlaw, der Film ist dennoch ein schönes Zeitdokument aus der Zeit von Nena und Nicole, außerdem ist der Taunus der Revengers ein schönes Belegexemplar dafür, was der einst bei Normalbürgern so beliebte Wagen in den Achtzigern in den Händen Halbstarker alles erdulden musste. Den Soundtrack zur Rockerkarre steuerte übrigens Accept bei.

Indien (1993)

Selbstverständlich spielt im wahrscheinlich besten österreichischen Film aller Zeiten auch ein Knudsen-Taunus eine Hauptrolle. Heinz Bösel (sensationell gespielt von Josef Hader) trägt Goldrandbrille und angesiffte Trenchcoats und ist auch sonst mit dem Leben durch. Der stets schlecht gelaunte Inspektor des österreichischen Gast- und Hotelgewerbes bereist in seinem völlig runtergekommenen und verbastelten Knudsen-Taunus (L-Kühlergrill, Sitze und geschwärztes Heckblech wie beim GT, Plastikaußenspiegel aus dem Zubehör) die Alpenrepublik, trinkt dabei am Steuer Bier und überholt auch bei Gegenverkehr ohne eine Miene zu verziehen. Aber nicht nur sein eigenes Leben und das weiterer Verkehrsteilnehmer ist Bösel egal, auch sein Job interessiert ihn nicht, sodass er sich lieber von Gastronomen mit Alkoholika schmieren lässt, anstatt Hygiene und Hotelstandards zu überprüfen. Eines Tages wird ihm Kurt Fellner (Alfred Dorfer) auf den fleckigen Beifahrersitz gesetzt. Fellner ist nicht nur jünger, der Freund modisch geschnittener Herren-Sakkos nimmt seinen Job darüber hinaus noch ernst und redet ununterbrochen – oder er hört indische Entspannungsmusik. Während Bösel Fellner anfänglich noch bei einem Überholmanöver umbringen will oder ihn auf einem Matschacker zu Boden schubst, entwickelt sich zwischen den beiden konträren Extremcharakteren im Laufe des 89-Minüters allmählich eine echte Männerfreundschaft, die über den Tod hinausgeht. Wer in der Lage ist, auch schwersten österreichischen Dialekt zu verstehen, der sollte Indien unbedingt im Jahr des 30. Jubiläums ansehen. “I bin ja net so der Beilagenesser.”

Bohr weiter, Kumpel (1974)

Achtung, Achtung, dies ist eine Filmabratung. Auch, wenn dieses Machwerk den einzigen relevanten Filmauftritt eines einwandfreien und nicht abgerockten Knudsen-Taunus’ beinhaltet, kann einem beim Konsum dieser Sexklamotte (von Erotik kann man nicht sprechen) der visuelle Cortex von der Großhirnrinde abscheren. Bergmann Egon ist Kopf einer Tippgemeinschaft und verliert den Lottoschein mit den sechs Richtigen. Zwischendurch laufen sehr viele unbekleidete Menschen durchs Bild, die allerlei Sinnloses sagen und ein wunderschöner, da zum Zeitpunkt der Dreharbeiten nagelneuer, zweitüriger GXL spielt die wichtigste Rolle des ganzen Films. Nur für Hardcore-Taunus-Fans geeignet oder für Bewohner des Essener Nordens. Die Schlüsselszene, wenn man sie so nennen möchte, wurde in Essen-Katernberg gedreht.