Die vergessene Übernahme
- 13. April 2018
- Red. OLDTIMER MARKT
Was heute kaum noch jemand weiß: Im April 1958 übernahm die damalige Daimler-Benz AG die Mehrheit an der Auto Union GmbH. Am 31. Dezember 1959 folgten alle weiteren Anteile. Damit wurde zum Jahr 1960 die Auto Union eine hundertprozentige Tochter von Daimler-Benz. In der Zeit bis zum 1. Januar 1965, als Volkswagen die Mehrheit an der Auto Union von Daimler-Benz übernahm, wurden jedoch wichtige Weichen gestellt: In Düsseldorf entstand ab 1961 ein Mercedes-Benz Werk aus einem bisherigen Standort der Auto Union. Zudem leistete Mercedes-Benz wichtige Beiträge zur Entwicklung der Audi-Modelle der sechziger Jahre.
Synergien schaffen zwischen Ingolstadt und Stuttgart
Der deutsche Großaktionär Friedrich Flick besitzt Mitte der fünfziger Jahre jeweils rund 40 Prozent der Anteile an den beiden Unternehmen und regt beim Daimler-Vorstand eine Fusion an. Hintergrund sind erhoffte Synergien bei zukunftigen Entwicklungen. Nach nur vier Vorstandssitzungen beschließt die Daimler-Benz AG am 6. März 1958 die Mehrheitsübernahme am Ingolstädter Unternehmen, die im folgenden April umgesetzt wird. Noch im selben Monat wird die zukunftige Marschroute festgelegt. Ein neues Werk in Ingolstadt soll gebaut werden und der bei der Auto Union bisher verwendete Zweitaktmotor soll mittelfristig durch einen Vierzylinder-Viertaktmotor ersetzt werden.
Schon 1959 ist das neue Werk fertig und damit werden Produktionskapazitäten in der Fertigungsstelle Düsseldorf frei, die Daimler-Benz mit der Produktion des Transporters L 319 füllt. 1961 beschließt sich die Auto Union aus Düsseldorf komplett zurückzuziehen und verkauft im darauffolgenden Jahr das Werk an Daimler, die an diesem Standord später den T2 ("DüDo") und bis heute den Sprinter fertigen. Unterdessen übernimmt die Daimler-Benz AG zum Ende 1959 auch die restlichen Anteile der Auto Union.
In Ingolstadt investiert Daimler in der zwischen 1959 und 1964 dagegen 340 Millionen Mark, um den Hersteller zukunftsfähig zu machen. Unter anderem übernimmt Ludwig Kraus, der Leiter der Konstruktion der Mercedes-Benz-Vorentwicklung die Leitung der Ingenieurbüros in Ingolstadt. Mit ihm kommt nicht nur eine Mannschaft junger Techniker, sondern auch ein neuer und fast fertig entwickelter Vierzylindermotor mit der internen Bezeichnung M 118. Als sogenannter Mitteldruckmotor feiert dieses Triebwerk 1965 im neuen Auto Union Typ Audi (F 103) Premiere. Stilistische Anleihen bei vorangegangen Mercedes-Prototypen (siehe Bild oben Mercedes W119) kann das neue Modell nicht verleugnen.
Im gleichen Jahr verkauft die Daimler-Benz AG die Aktienmehrheit der Auto Union an den Volkswagenkonzern, zu dessen hundertprozentiger Tochter sie schließlich 1966 wird. Ludwig Kraus bleibt als Technischer Direktor in Ingolstadt und zeichnet fortan für die Audi-Typen 100, 80 und 50 verantwortlich – wovon einiges später auch in VW-Modellen landete. So leistete ausgerechnet der heutige Konkurrent Mercedes der damals angeschlagenen Marke Audi Schützenhilfe bei der Zukunftsfähigkeit – und hinterließ noch lange nach der Trennung weitreichende Spuren…
Die komplette "Akte Kraus" können Sie übrigens in OLDTIMER MARKT 7/2013 ausführlich nachlesen.