Der Wessi auf der Wartburg
- 25. November 2024
- Jan Skibinski
Vor 40 Jahren, 1984, entschlossen sich der Volkswagen-Konzern und der DDR-Fahrzeughersteller VEB Automobilwerk Eisenach (Wartburg) zu einer Kooperation. Im Verlauf der 1960er Jahre hatte man bei AWE mehrfach versucht, geeignete Viertakt-Nachfolger für den angegrauten Zweitakter zu finden, Kreiskolbenmotoren oder Sechszylinder-Zweitaktmotoren zu entwickeln, um dem Kapitalismus auch fortbewegungstechnisch die Stirn zu bieten. Da dem Kreiskolbenmotor allgemein eher wenig Erfolg beschieden war und große Zweitaktmotoren weder gute Abgaswerte noch annehmbare Verbräuche verhießen, vergingen viel Zeit und Geld, ohne dass ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt wurde.
Schrumpfende Exportmöglichkeiten verschlimmerten zudem das Problem und sorgten dafür, dass in der DDR abgesehen von Trabi-Weiterentwicklungen überhaupt keine Personenwagenentwicklung mehr stattfand. Um endlich weiterzukommen, ging der ZK-Sekretär der SED für Wirtschaftsfragen, Günter Mittag, 1984 eigenmächtig einen Vertrag mit der Volkswagen AG ein. Im Mittelpunkt des Abkommens stand der 1,3-Liter-Motor aus der EA111-Motorenreihe von VW, der ursprünglich in Modellen wie dem VW Polo und VW Golf eingesetzt wurde. Volkswagen hingegen sah die Möglichkeit, auf wirtschaftlichem Wege in den Osten zu expandieren.
Während der Dreizylinder-Zweitakter des ursprünglichen 353 längs verbaut war...
Tatsächlich waren aufwändige Änderungen an Motor und Fahrzeug nötig. Dennoch überzeugte die Maschine durch Zuverlässigkeit und Effizienz und war deutlich moderner als der traditionelle Zweitaktmotor, der in den Fahrzeugen der DDR dominierte. Für Wartburg war der 1,3-Liter-Motor ein entscheidender Fortschritt, da er erstmals einen Viertaktantrieb in die Fahrzeuge brachte. Der Trabant hingegen erhielt keinen Motor aus dieser Kooperation, sondern blieb weiterhin bei seinem Zweitaktantrieb. Erst nach der Wiedervereinigung wurde der Trabant mit dem gleichen VW-Motor ausgestattet.
…war der VW-Motor in Golf und Polo quer zur Fahrtrichtung angeordnet. Allein dieser Umstand bereitete den Technikern bei AWE große Schwierigkeiten.
Politisch wurde die Kooperation in der DDR als Fortschritt und Symbol für technologische Anerkennung inszeniert. Offiziell betonte man die Vorteile der Modernisierung und die internationale Zusammenarbeit, verschwieg jedoch die starke Abhängigkeit von westlicher Technik, die ideologisch kritisch betrachtet wurde. Dieser Prozess dauerte rund zwei Jahre, sodass erst 1986 die ersten Wartburg-Modelle mit VW-Motoren produziert wurden. Trotz der technischen Verbesserung blieben die Produktionszahlen begrenzt, da die DDR-Wirtschaft Schwierigkeiten hatte, die nötigen Ressourcen bereitzustellen. Dass das Abkommen historisch bedeutsam werden sollte, war damals nicht absehbar, und ob jemand in Eisenach oder Wolfsburg die innerdeutsche Aussöhnung oder Wiedervereinigung im Sinn hatte, ist zweifelhaft.